Kein Werbungskostenabzug für umgekehrte Familienheimfahrten bei einer befristeten Auswärtstätigkeit

StB Dr. Simone Wick, DIERKES PARTNER, Hamburg

StB Dr. Simone Wick, DIERKES PARTNER, Hamburg

Wieder einmal hat sich der BFH mit der Abgrenzung von beruflich veranlassten Werbungskosten zu privaten und daher steuerlich irrelevanten Aufwendungen beschäftigt. Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob sogenannte umgekehrte Familienheimfahrten auch unter den allgemeinen Werbungskostenbegriff fallen oder ob diese nur im Sonderfall einer doppelten Haushaltsführung steuerlich anerkannt werden. Während die Vorinstanz (FG Münster vom 28.08.2013 – 12 K 339/10, vgl. hierzu auch Wick, Steuerboard vom 18.07.2014) den Werbungskostenabzug für diese Fahrten bejahte, erteilte der BFH der steuerlichen Anerkennung mit Urteil vom 22.10.2015 – VI R 22/14 (RS1187753) eine Absage. Worüber hatte der Senat zu entscheiden?

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr auf verschiedenen ausländischen Baustellen seines Arbeitgebers tätig. Seine Ehefrau erzielte keine eigenen Einkünfte. Während der Tätigkeit auf einer niederländischen Baustelle war es dem Kläger aus beruflichen Gründen nicht möglich, jedes Wochenende nach Hause zu fahren. Dieser Umstand wurde schriftlich seitens des Arbeitgebers bestätigt. Stattdessen reiste die Ehefrau des Arbeitnehmers an diesen Wochenenden in die Niederlande. Für die Fahrtkosten der Ehefrau wurde der Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Ehemannes beantragt.

Auffassung der Vorinstanz

Das FG Münster bejahte die berufliche Veranlassung und ließ die Fahrtkosten zum Werbungskostenabzug zu. Die Argumentation des FG beruft sich u.a. auf die Regelungen zur doppelten Haushaltsführung und überträgt die hierfür entwickelte Argumentation auch auf den allgemeinen Werbungskostenbegriff: der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung erkenne sogenannte umgekehrte Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung an, wenn der Arbeitnehmer nachweisbar aus beruflichen Gründen die Familienheimfahrt nicht selbst durchführen kann. Auch wenn im entschiedenen Fall eine Auswärtstätigkeit und keine doppelte Haushaltsführung vorliegt, ändert dies laut FG nicht die berufliche Veranlassung und ein Abzug ist nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff zu gewähren. Dies gilt, soweit die private Veranlassung von beruflichen Gründen überlagert wird.

Aufhebung des Urteils durch den BFH

Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und versagt den Werbungskostenabzug: Nur beruflich veranlasste Fahrtkosten sind nach Ansicht des BFH als Werbungkosten abziehbar. Hierzu gehören gemäß expliziter Regelung auch Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung. Da im vorliegenden Fall allerdings keine doppelte Haushaltsführung vorliegt und zudem nicht der Arbeitnehmer selbst reist, greift diese Sonderregelung laut Ausführungen des BFH gerade nicht.

Sind auch die Reisen der Ehefrau beruflich veranlasst?

Ebenso wie das FG setzt sich der BFH grundlegend mit der Frage der beruflichen Veranlassung auseinander. Diese wird nur für Fahrten des Steuerpflichtigen selbst bejaht, nicht jedoch für Reisen der Ehefrau. Auch wenn der steuerpflichtige Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen keine Heimreise antreten kann, ist die Besuchsreise des Ehepartners vor allem privat veranlasst. Eine andere Würdigung sei lediglich in Ausnahmefällen möglich. Der BFH führt jedoch nicht weiter aus, in welchen „besonders gelagerten Ausnahmefällen“ eine berufliche Veranlassung gegeben sein kann. Da es sich nur um eine relativ kurze Auswärtstätigkeit (rund 1 ½ Monate) handelte und der Arbeitnehmer selbst mehrere Heimfahrten durchführen konnte, wurden vorliegend die Reisen der Ehefrau als nicht zwangsläufig angesehen. Auch über den im Grundgesetz geregelten Schutz der Ehe lässt das Gericht keine andere Einschätzung zu.

Telefonate reichen zur Regelung von privaten Belangen aus

Der BFH erkennt grds. die Notwendigkeit an, bei einer (mindestens einwöchigen) beruflich bedingten Abwesenheit, private Belange aus der Ferne regeln zu müssen. Der BFH hatte daher mit Urteil vom 05.07.2012 (VI R 50/10, DB 2012 S. 2910) die Kosten für private Telefonate zum Abzug zugelassen. Diese Zwangsläufigkeit erstreckt sich nach Ansicht der Richter aber nicht auf die strittigen Besuchsfahrten der Ehefrau. Diese seien allein privat veranlasst.

Versagung des Werbungskostenabzugs auch bei doppelter Haushaltsführung?

Schließlich werden auf Basis der Ausführungen des BFH Zweifel gesät, ob der Senat an dem bisher höchstrichterlich anerkannten Abzug von umgekehrten Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung festhalten wird. Zukünftig wird es wahrscheinlich stark von den Umständen des Einzelfalles abhängen, ob die Gerichte die steuerliche Geltendmachung anerkennen. Auf Basis des vorliegenden Urteils ist zu vermuten, dass der BFH umgekehrte Familienheimfahrten nur akzeptiert, wenn ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum aus beruflichen Gründen tatsächlich an einer Heimreise gehindert ist.

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