Seit Inkrafttreten der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel (§ 6a GrEStG) im Jahr 2010 ranken sich diverse klärungsbedürftige Probleme um diese Vergünstigung. Über die Behandlung der offenen Zweifelsfragen konnte bislang weder im Schrifttum noch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung Einigkeit erzielt werden. Erhebliche Rechtsunsicherheit ist die Folge. Der Kernpunkt der Streitigkeiten ist, dass sich der Umfang der Vergünstigung bei wortlautgetreuer Anwendung auf ein Minimum beschränken würde. Diverse – gleichwohl schutzbedürftige – Konstellationen wären nicht erfasst. So verwundert es wenig, dass sich der BFH mit einigen Fallgruppen konfrontiert sah. In einem Rundumschlag haben die Richter nun am 25.11.2015 das Bundesfinanzministerium aufgefordert, den anhängigen Verfahren beizutreten und Stellung zu beziehen.
Ausgangslage
Drei der vier Beschlüsse vom 25.11.2015 liegen Umwandlungsvorgänge zugrunde, die entweder zur Neugründung einer Gesellschaft durch Ausgliederung von Vermögen (II R 36/14, RS1189333) oder aber zur Auflösung – mittels Verschmelzung – des übertragenden Rechtsträgers führten (II R 50/13, RS1187814; II R 62/14, RS1187755).
In zwei Verfahren stellt sich außerdem die Frage nach dem Begriffsverständnis vom „herrschenden Unternehmer“ (§ 6a Satz 3 GrEStG), weil die Anteile am übertragenden Unternehmen zum Privatvermögen einer natürlichen Person gehörten (II R 50/13, RS1187814) bzw. die maßgebliche Konzernspitze eine gemeinnützige Stiftung war (II 63/14, RS1187756).
Abhängigkeitskriterium und Vor-/Nachbehaltensfrist
Die Steuervergünstigung zur Erleichterung von Umstrukturierungen im Konzernverbund verlangt bei wortlautgetreuer Anwendung die Abhängigkeit der beteiligten Gesellschaften von einem herrschenden Unternehmen. Abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar bzw. mittelbar zu mindestens 95% ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).
Bei Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers ist es daher denknotwendig ausgeschlossen, dass im Anschluss ein fünfjähriges Abhängigkeitsverhältnis zum herrschenden Unternehmen bestehen bleibt. Wird umgekehrt eine Gesellschaft im Zuge des Rechtsvorgangs erst neu gegründet, so kann die erforderliche Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden.
Die Finanzverwaltung, die im Ländererlass zur Anwendung des § 6a GrEStG (BStBl. I 2012 S. 662, VA0483852) maßgeblich auf das im Wortlaut der Norm nicht vorgesehene Merkmal des „Verbundes“ abstellt, schränkt in der Folge tatsächlich den Anwendungsbereich der Norm erheblich ein. Grundsätzlich sieht der Erlass nämlich keine Begünstigung für Umwandlungsvorgänge vor, bei denen ein sog. „Verbund“ erst begründet oder beendet wird. Die Vorschrift des § 6a Satz 4 GrEStG sei aufgrund ihres Lenkungscharakters einer teleologischen Reduktion nicht zugänglich.
Der BFH befasst sich deshalb detailliert mit der Frage, ob dieser Ansatz dem gesetzgeberischen Willen noch hinreichend Rechnung trägt. Die Beschlüsse des BFH lassen „zwischen den Zeilen“ darauf schließen, dass die Richter eine teleologische Reduktion des § 6a GrEStG favorisieren. Eine Verlängerung oder Verkürzung der Beteiligungskette bei verbundenen Unternehmensstrukturen wäre danach für das Erfordernis der Vor- und Nachbehaltensfrist respektive Abhängigkeit unschädlich. Ein solches Verständnis hätte sodann einen gegenüber dem Wortlaut erweiterten Anwendungsbereich der Steuervergünstigung zur Folge. Hierbei verweist der BFH auf die gesetzgeberische Intention der Regelung, wonach eine gleichmäßige Begünstigung von konzerninternen Umwandlungsvorgängen erfolgen solle, um Wachstumshemmnisse zu beseitigen.
Unternehmerbegriff bei § 6a GrEStG
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die grunderwerbsteuerliche Unternehmereigenschaft nach § 6a GrEStG im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zu verstehen. Diese Eigenschaft ist bei den vor dem BFH streitigen Fällen nicht gegeben.
Kritiker argumentierten indes mit einem fehlenden Verweis auf § 2 UStG im Wortlaut der Vorschrift. Auch der BFH äußert leichte Zweifel an der Übertragung der für den umsatzsteuerlichen Unternehmensbegriff geltenden Grundsätze. Sachliche Gründe zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Rechtssubjekten, denen die Unternehmereigenschaft i.S.d. UStG fehle, seien vor dem Hintergrund des mit § 6a GrEStG verfolgten Verschonungszwecks nicht ohne Weiteres erkennbar. Auch aus der Auslegung von anderen Verweisen im GrESt-Recht auf einen „Unternehmer“ können für Zwecke des § 6a GrEStG keine Rückschlüsse gezogen werden.
Beihilfecharakter
Nach Auffassung des BFH muss schließlich in unionsrechtlicher Hinsicht geprüft werden, ob es sich bei § 6a GrEStG um eine Beihilfe i.S.v. Art. 107 AEUV handelt. Aus diesem Grund soll das BMF mitteilen, ob und ggf. mit welchem Ergebnis ein beihilferechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde bzw. soll zum Beihilfecharakter der Steuervergünstigung Stellung nehmen.
Beitritt zum Verfahren?
Zur Klärung der dargelegten Anwendungsprobleme im Zusammenhang mit § 6a GrEStG hat der BFH das BMF aufgefordert, den anhängigen Revisionsverfahren beizutreten. Das BMF ist zwar nicht verpflichtet, dieser Aufforderung Folge zu leisten, es bleibt jedoch zu hoffen, dass die Finanzverwaltung die Einladung annimmt. Damit könnte sich der BFH ein umfassendes Bild machen, um anschließend eine zweckgerichtete Auslegung der Steuer-vergünstigung vorzunehmen. Es bleibt spannend.