Wie im Blog-Beitrag vom 13.11.2013 berichtet, führen Drittstaatsverschmelzungen auf Ebene des inländischen Anteilseigners zu einer „Steuerfalle“. Denn die Finanzverwaltung vertritt in der jüngeren Vergangenheit in vielen Praxisfällen die Ansicht, dass eine Drittstaatsverschmelzung bei dem übertragenden Rechtsträger in Ermangelung der Anwendbarkeit der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG als liquidationsähnlicher Vorgang zu werten sei. Demnach greife eine Sachausschüttung des gesamten Vermögens auf die inländische Anteilseignerebene in Kombination mit einer Einlage in den übernehmenden Rechtsträger. Diese Sachausschüttung soll nach dem Korrespondenzprinzip (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG) eine volle Besteuerung der stillen Reserven auslösen; für Gewerbesteuerzwecke erfolgt hingegen bei Erfüllen der Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG eine Kürzung. Dass § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht anwendbar ist, wenn keine beschränkte Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers im Inland vorliegt, war sogar Gegenstand einer Bund-Länder-Abstimmung.
KStR 2015
Am 27.01.2016 wurde der Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Körperschaftsteuerrechts (Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015 – KStR 2015 – IV C 2 – S 2930/08/10006 [2016/0053672]) veröffentlicht. Die KStR 2015 ersetzen die bisherigen KStR 2004 und gelten ab dem Veranlagungszeitraum 2015. In Bezug auf Drittstaatsverschmelzungen ist folgende Entwicklung zu konstatieren:
Unter der Überschrift „R 12 Beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft“ ist der Begriff „unbesetzt“ vermerkt. In den KStR 2004 war noch überhaupt keine Anmerkung zu der Vorschrift des § 12 KStG enthalten. In der am 18.05.2015 veröffentlichten Entwurfsfassung der KStR 2015 führte das BMF jedoch unter R 12 aus, dass für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG eine beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft erforderlich sei. Da ausländische zu verschmelzende Rechtsträger in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind, wäre die Steuerneutralität von Drittstaatsverschmelzungen signifikant gefährdet; es drohten die einleitend beschriebenen Rechtsfolgen.
Einschätzung und Praxisfolgen
Dass die Finanzverwaltung der in der Fachliteratur (vgl. z.B. Becker/Loose, BB 2015 S. 1435 ff.) und von Seiten der Verbände massiv geäußerten Kritik Rechnung getragen hat, indem sie dieses betriebswirtschaftlich sinnvollen Umstrukturierungen entgegenstehende Hindernis nicht in die finale Fassung der KStR 2015 aufgenommen hat, ist ebenso zu begrüßen wie es sachgerecht ist. Noch nicht abschließend gesichert ist, dass die Finanzverwaltung auch in Betriebsprüfungen sowie in Rechtsbehelfsverfahren zur bisherigen steuersystematisch wie -politisch sinnvollen Praxis der Steuerneutralität von Drittstaatsverschmelzungen im Inland zurückkehrt. Aufgrund der expliziten Streichung aus der vorherigen Entwurfsfassung ist dies aber zu vermuten.
Eine abweichende Auffassung der Finanzverwaltung könnte zudem im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens mit m.E. sehr guten Chancen angefochten werden. Denn eine genaue Untersuchung des Wortlauts, der Gesetzesmaterialien, der Systematik und des Sinns und Zwecks des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG beweist, dass Drittstaatsverschmelzungen auf Anteilseignerebene – abweichend von der durch § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG geregelten Besteuerung auf Ebene der zu verschmelzenden Drittstaatsgesellschaft – auch ohne beschränkte Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers im Inland steuerneutral abgewickelt werden können. Für zukünftig geplante Drittstaatsverschmelzungen ist die Beantragung einer verbindlichen Auskunft empfehlenswert. Aufgrund der oben beschriebenen Entwicklung dürfte dies nunmehr (endlich) wieder ein gangbarer Weg sein.