BFH klärt Voraussetzungen und Anwendungsbereich der umsatzsteuerlichen Organschaft

StB Dipl.-Kfm. Peter F. Peschke, P+P Pöllath + Partners, München

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Mit insgesamt vier Entscheidungen vom 02. und 03.12.2015 hat der V. Senat des BFH Stellung bezogen zu Voraussetzungen und Anwendungsbereich der umsatzsteuerlichen Organschaft. Im Wesentlichen hat er dabei die bisherige Rechtsprechung bestätigt: Eine Organschaft setzt unter anderem eine Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft sowie die Unternehmereigenschaft des Organträgers voraus. Die diesbezüglichen Ausführungen des BFH sind dennoch von Bedeutung, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft im deutschen Recht strenger sind als die unionsrechtlichen Anforderungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Die aus diesem Grund im rechtswissenschaftlichen Schrifttum aufgekommenen Zweifel, ob die nationalen Voraussetzungen unionsrechtskonform sind, hat der BFH nunmehr vorerst beseitigt. Darüber hinaus hat der BFH seine Rechtsprechung in einem für die Praxis interessanten Punkt geändert: Auch eine Personengesellschaft soll nun Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein können.

Hintergrund und Wirkung der Organschaft

Das Konstrukt der Organschaft dient der Verwaltungsvereinfachung. Mehrere Unternehmen, die auf eine bestimmte Art und Weise miteinander verbunden sind, können umsatzsteuerlich als Einheit zusammengefasst werden. Als Folge ist ausschließlich der sog. Organträger als Unternehmer für das bestehende Gesamtunternehmen und damit als Steuerschuldner zu betrachten. Weitere Konsequenz ist, dass entgeltliche Leistungen innerhalb des Organkreises zwischen den rechtlich unabhängigen Mitgliedern nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

Aus Unternehmersicht ist die Organschaft ein beliebtes Gestaltungsmittel. So kann ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigtes Unternehmen durch Begründung einer Organschaft die Umsatzsteuerbelastung für Leistungen innerhalb des Organkreises verhindern.

Voraussetzungen der Organschaft

Dem Gesetzeswortlaut nach ist Voraussetzung einer Organschaft, dass sich eine juristische Person (Organgesellschaft) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingliedert (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG).

Für eine finanzielle Eingliederung verlangte die Rechtsprechung bislang, dass der Organträger – unmittelbar oder mittelbar – die Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft besitzt, die nach Gesetz oder Satzung zur Durchsetzung wesentlicher Entscheidungen in der Gesellschaft erforderlich ist. Verlangt wurde also ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Organträger und Organgesellschaft, weshalb eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften, die von ein und derselben Personengruppe beherrscht werden, nicht möglich sein sollte. Diese Sichtweise wurde teils kritisiert und angezweifelt, weil weder die nationale Norm noch die MwStSystRL eine solch enge Auslegung der finanziellen Eingliederung gebietet. Zudem hat der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich keine engeren Voraussetzungen an die Organschaft stellen dürfen als die Richtlinien, es sei denn, sie dienen der Missbrauchsbekämpfung.

Finanzielle und organisatorische Eingliederung

Der V. Senat hat nun bestätigt, an seiner Ansicht festzuhalten (V R 15/14, RS1190434; vgl. hierzu Müller, StR kompakt, DB1191823). Denn die Voraussetzungen der Organschaft müssten rechtssicher wie auch einfach bestimmbar sein. Dies sei für das Merkmal der Mehrheitsbeteiligung der Fall, wohingegen eine weiter gefasste Voraussetzung wie eine bloße enge finanzielle Verbindung unbestimmt und unpräzise sei. Auch mit dem Unionsrecht sei die – über die Richtlinie hinausgehende – Voraussetzung der Mehrheitsbeteiligung vereinbar, da sie der Missbrauchsbekämpfung diene. Denn das Risiko, dass ein nicht vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen aufgrund einer (wie auch immer gearteten) engen finanziellen Verbindung mit einem anderen Unternehmen der Steuerbelastung entgehe, rechtfertige die enge Voraussetzung der Mehrheitsbeteiligung, damit die Vorteile der Organschaft nur solchen Unternehmen zugutekommen, die ähnlich eng wie bei einem Einheitsunternehmen miteinander verbunden sind. Aus den gleichen Gründen sei auch die von der Rechtsprechung zur Begründung der organisatorischen Eingliederung geforderte personelle Verflechtung der Geschäftsführungen von Organträger und Organgesellschaft (der Organträger muss auch die laufende Geschäftsführung der Tochtergesellschaft beherrschen) erforderlich und unionsrechtskonform.

Geschäftsveräußerung im Zusammenhang mit einer Betriebsaufspaltung

Auch in der Entscheidung V R 36/13 (DB 2016 S. 326; vgl. hierzu Hennigfeld, DB 2016 S. 318) ging es um das Erfordernis der Mehrheitsbeteiligung, diesmal im Kontext einer Unternehmensübertragung. Unternehmensübertragungen auf einen Unternehmenserwerber unterliegen als Geschäftsveräußerung nicht der Umsatzsteuer. Im Streitfall war das Unternehmen aber aufgeteilt auf zwei Gesellschaften übertragen worden. Die beiden Gesellschaften konnten nicht aufgrund einer Organschaft als ein Erwerber betrachtet werden, weil sie zwar den gleichen Gesellschafterbestand hatten, keine der Gesellschaften aber eine Mehrheitsbeteiligung an der anderen Gesellschaft besaß.

Keine Einbeziehung von Nichtunternehmern

Daneben hält der V. Senat auch an der Voraussetzung fest, dass der Organträger Unternehmer sein muss (V R 67/14, RS1190436). Auch diese Voraussetzung ist mit Blick auf das Unionsrecht nicht unproblematisch, weil die MwStSystRL die Unternehmereigenschaft des Organträgers nicht vorschreibt. Der BFH hält diese – im Vergleich zur Richtlinie – „zusätzliche“ Voraussetzung wiederum aus Gründen der Missbrauchsbekämpfung für gerechtfertigt und daher für richtlinienkonform. Denn ist die Muttergesellschaft keine Unternehmerin und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, würde das Abzugsverbot hinsichtlich der an die Tochter gezahlten Leistungsentgelte durch die Annahme einer Organschaft umgangen.

Die weitere Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung soll in diesem Beitrag nicht weiter vertieft werden, weil die hier besprochenen Urteile diesbezüglich keine Neuerungen oder Besonderheiten aufweisen.

Personengesellschaft als Organgesellschaft?

Aufgelockert hat der BFH dagegen die Voraussetzung, dass Organgesellschaft nur eine juristische Person sein kann (V R 25/13, DB 2016 S. 267; vgl. hierzu Müller, StR kompakt DB1191790). Auch dieses Erfordernis ist mit Blick auf die weniger enge MwStSystRL kritisiert worden.

Grundsätzlich belässt es der BFH auch bei dieser Voraussetzung, weil bei Personengesellschaften – aufgrund des dort grundsätzlich geltenden Einstimmigkeitsprinzips – auch eine Mehrheitsbeteiligung der Muttergesellschaft nicht einfach und rechtssicher auf eine finanzielle Beherrschung schließen lasse. Eine Ausnahme gilt nun aber für den Fall, in dem an einer Tochterpersonengesellschaft neben dem Organträger nur solche Gesellschafter beteiligt sind, die ihrerseits vom Organträger finanziell beherrscht werden. Denn in diesem Fall kann auch die Beherrschung der Tochterpersonengesellschaft durch den Organträger nicht in Frage gestellt werden.

Praxishinweis

Wollen Unternehmen die Vorzüge der Organschaft nutzen, können sie nicht auf die im Vergleich zu den nationalen Regelungen weiteren Voraussetzungen des Unionsrechts hoffen. Eine Organschaft ist nur unter den engen Voraussetzungen des deutschen Umsatzsteuerrechts gegeben, die überwiegend auch nicht unionsrechtskonform erweiternd auszulegen sind.

Für Personengesellschaften hingegen haben sich neue Möglichkeiten aufgetan; unter den genannten Voraussetzungen sind sie nunmehr Bestandteil einer Organschaft. Berater entsprechender Konzern-Strukturen sollten daher eine etwaige Eingliederung von Tochterpersonengesellschaften in Muttergesellschaften prüfen bzw. sich neu ergebende Gestaltungsspielräume ermitteln. Die Rechtsfolgen der Organschaft treten von Gesetzes wegen ein; ein Antrag oder ein Grundlagenbescheid über das Vorliegen einer Organschaft ist nicht erforderlich.

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