Verluste aus dem Verfall von Optionsrechten für Privatanleger steuerlich berücksichtigungsfähig

RA Dr. Nico Fischer, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, München

RA Dr. Nico Fischer, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, München

Am 2. März 2016 hat der BFH drei Entscheidungen veröffentlicht (BFH vom 12.01.2016 – IX R 48/14 [DB 2016 S. 508], IX R 49/14 [RS1194050] und IX R 50/14 [RS1194051]), die die ertragssteuerliche Behandlung von Verlusten aus dem Verfall von Optionsrechten zum Gegenstand hatten. Entgegen der Rechtsauffassung des BMF hat der BFH entschieden, dass Verluste aus dem Verfall von Optionen die Einkünfte aus Kapitalvermögen mindern.

Hintergrund

Beim Optionsgeschäft (bedingtes Termingeschäft) erwirbt der Käufer der Option (Optionsnehmer) gegen Bezahlung einer Optionsprämie das Recht, bestimmte Basiswerte (z.B. Aktien) vom Verkäufer der Option (Optionsgeber oder sog. Stillhalter) während einer bestimmten Frist oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem vereinbarten Basispreis zu kaufen (Kaufoption oder „call”) oder zu verkaufen (Verkaufsoption oder „put”).

Das Optionsrecht erlischt entweder durch Ausübung des Optionsrechts, durch sog. Glattstellung oder durch Nichtausübung der Option innerhalb der Optionsfrist (Verfall). Bei einem Verfall vertritt das BMF die Ansicht, dass mit dem Erwerb der Option zusammenhängende Anschaffungskosten (Optionsprämien) einkommensteuerrechtlich unbeachtlich sind (vgl. BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl. I 2016 S. 85 = VA1189835, Rn. 27 und vom 27.03.2013, BStBl. I 2013 S.  403 = DB 2013 S. 731). Argumentativ stützt sich das BMF insoweit insbesondere auf den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG. Danach gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nur der Gewinn aus Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Beim Verfall von Optionsrechten fehle es jedoch nach Auffassung des BMF gerade an dem „Erlangen eines Differenzausgleichs in Form eines Geldausgleichs oder sonstigen Vorteils“, sodass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG tatbestandlich nicht vorliege und Verluste (regelmäßig in Höhe der Optionsprämie) aus dem Verfall von Optionen nicht zu berücksichtigen seien.

Mit den o.g. drei Urteilen hat der BFH diese Rechtsauffassung des BMF abgelehnt.

Sachverhalt

In den zu entscheidenden Fällen war jeweils streitig, ob die Kläger infolge des Verfalls von Index- und Aktienoptionen einen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG erzielt hatten. Konkret ging es um Privatanleger, die Index- oder Aktienoptionen erworben hatten. Statt des erwarteten Kursanstiegs kam es jedoch zu starken Kursrückgängen – mithin zu Wertverlusten der Kaufoptionen. Die Kläger ließen daher ihre Optionsrechte verfallen und begehrten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen die Berücksichtigung der aus dem Verfall der Optionsrechte resultierenden Verluste.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des BFH sind die Anschaffungskosten (Optionsprämie) für verfallene Optionen bei der Ermittlung der Einkünfte aus Termingeschäften nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang resultierende Verluste sind folglich nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 EStG innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen verrechenbar (beschränkte Verrechnung von Verlusten).

Nach Ansicht des BFH verlangt nämlich der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG bei wortlautgetreuer Auslegung nicht die tatsächliche Durchführung des Basisgeschäfts oder des Differenzausgleichs. Soweit der Gesetzeswortlaut einen „Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil“ voraussetze, umschreibe dies nur die Art der von der Vorschrift erfassten Termingeschäfte. Daher stelle die Vorschrift mit dem Ausdruck „Gewinn bei Termingeschäften“ tatbestandlich auf den Abschluss eines Termingeschäfts und dessen wirtschaftliches Ergebnis ab, sodass gerade nicht zwischen Eröffnungs- und Basisgeschäft zu differenzieren sei.

Die Anschaffung einer Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts seien daher bei der ertragsteuerrechtlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise grundsätzlich als Einheit zu betrachten. Vor diesem Hintergrund sei die Norm teleologisch dahingehend auszulegen, dass einen „Vorteil“ aus einem Termingeschäft (Option) derjenige „erlangt“, der mit dem Erwerb der Option das (bedingte) Recht auf einen Barausgleich erwirbt, egal ob er den Barausgleich im Fall einer für ihn günstigen Wertentwicklung tatsächlich durchführt oder ob er im Fall einer für ihn ungünstigen Wertentwicklung das Recht verfallen lässt.

Auch spreche eine verfassungskonforme Auslegung dafür, den Verfall einer Option als steuerbaren Vorgang nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG einzuordnen, da nur insoweit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit in Art. 3 Abs. 1 GG entsprochen werde. Dies, weil die Leistungsfähigkeit des Optionskäufers um die aufgewandten Optionsprämien gemindert ist, unabhängig davon, ob er die Option ausübt oder verfallen lässt.

Rechtsprechung als Wegweiser für Verluste aufgrund Forderungsausfalls?

Abzuwarten bleibt, ob der BFH diese Rechtsprechungsrichtung – die auf ganzer Linie aufgrund der vorgenommenen (auch verfassungskonformen) Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG nach dem Wortlaut und nach dem Sinn und Zweck überzeugt – im Hinblick auf ein anhängiges Revisionsverfahren betreffend die ertragsteuerliche Berücksichtigung von Forderungsausfällen im Privatvermögen (Az. VIII R 13/15) beibehalten wird.

Dem anhängigen Verfahren liegt die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 11.03.2015 (7 K 3661/14E) zugrunde. Hier versagte das FG die Berücksichtigung einer ausgefallenen privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Eine profunde argumentative Auseinandersetzung mit dem ungeklärten Thema, ob Forderungsausfälle im Privatvermögen steuerlich beachtlich sind, nimmt das FG nicht vor. Lediglich kursorisch wird die Entscheidung insbesondere mit dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG begründet. Danach gelte als Veräußerung einer Kapitalforderung auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. Da der Ausfall einer Forderung gerade nicht vom bloßen Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG umfasst sei, könne der bloße Forderungsausfall daher keine steuerliche Berücksichtigung finden.

Legt man den Sachverhalten „Verfall eines Optionsrechts“ und „Forderungsausfall“ den Grundgedanken der Abgeltungsteuer zugrunde, wonach alle Wertänderungen, die mit Kapitalanalagen im Zusammenhang stehen, vollständig zu erfassen sind, so wäre es nur konsequent, wenn der BFH in dem anhängigen Verfahren die steuerliche Berücksichtigung von Forderungsausfällen bejahen würde. Denn die steuerliche relevante Leistungsfähigkeit des Darlehensgebers ist auch in Höhe eines Forderungsausfalls tatsächlich gemindert.

Kommentare sind geschlossen.