Die sog. Realteilung ermöglicht eine steuerneutrale Umstrukturierung von Personengesellschaften, indem das Gesellschaftsvermögen auf die Gesellschafter (sog. Realteiler) aufgeteilt wird, vorausgesetzt, dass mindestens ein Gesellschafter das ihm zugewiesene Vermögen in ein anderes Betriebsvermögen überführt. Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung (BFH vom 29.04.2004 – IV B 124/02, RS0756005 = BFH NV 2004 S. 1395) war mit der Realteilung zwingend eine Betriebsaufgabe verbunden. Das BMF (Schreiben vom 28.02.2006, BStBl. I 2006 S. 228 = DB 2006 S. 527) verlangt ebenfalls die Aufgabe des Betriebs und darüber hinaus, dass wenigstens eine quantitativ oder funktional wesentliche Betriebsgrundlage in das Betriebsvermögen eines Realteilers übergeht. In Abgrenzung zur Realteilung war bislang bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer fortbestehenden Personengesellschaft eine steuerneutrale Sachwertabfindung (z.B. Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen des ausscheidenden Gesellschafters) nur in den engen Grenzen des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG möglich. Insbesondere die Übernahme von Verbindlichkeiten führte in diesen Fällen jedoch nach h.M. zur Gewinnrealisation. Mit zwei jüngst veröffentlichten Entscheidungen ist der BFH von seiner bisherigen (restriktiven) Auffassung abgerückt und hat den Realteilungsbegriff erweitert (vgl. hierzu auch Schacht, DB 2016 S. 794).
Erfolgsneutrale Realteilung auch bei fortbestehender Mitunternehmerschaft
Mit seinem Urteil vom 17.09.2015 (III R 49/13, RS1192375) teilt der III. Senat des BFH nun die bereits in der Literatur (vgl. Kulosa, in: H/H/R § 16 Rn. 542, der die Zuweisung einer strukturierten Einheit als [Teil-]Betriebsaufgabe der bisherigen Gesellschaft sieht) vertretene Auffassung, dass eine Realteilung auch dann vorliegen kann, wenn ein Mitunternehmer (Gesellschafter) unter Übernahme eines Teilbetriebs aus der Personengesellschaft ausscheidet, die übrigen Mitunternehmer die Gesellschaft jedoch weiterhin fortführen. Damit rückt der BFH erstmals von der bisherigen Rechtsprechung ab, da eine Aufgabe des Betriebs für eine steuerneutrale Realteilung demnach nicht mehr erforderlich ist.
Im entschiedenen Fall war die Klägerin zu 20% an einer Rechtsanwaltssozietät beteiligt, die neben der Hauptniederlassung eine örtlich getrennte, von der Klägerin geleitete Zweigniederlassung unterhalten hat und die den Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelte. Unter Weiterführung der Hauptniederlassung durch die übrigen Gesellschafter wurde vereinbart, dass die Klägerin durch eine Realteilung aus der Sozietät ausscheiden, die Zweigniederlassung übernehmen und aus dem Gesellschaftsvermögen der Sozietät für einen bestimmten Zeitraum eine monatliche Rente erhalten sollte. Vor Ausscheiden der Klägerin war die Zweigniederlassung unter anderem zur Erfüllung der vorgenannten Verpflichtung mit erheblichen liquiden Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen der Sozietät ausgestattet worden.
Nach Auffassung des III. Senats war im vorliegenden Fall eine erfolgsneutrale Realteilung insoweit gegeben, als der Klägerin zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs ein Teilbetrieb übereignet wurde, welcher weiterhin Betriebsvermögen blieb. Unbeachtlich war dabei, dass der Zweigniederlassung zuvor erhebliche liquide Mittel zugeordnet worden waren, da diese bereits Betriebsvermögen der Gesellschaft waren und eben nicht von den Gesellschaftern als sog. Spitzenausgleich gezahlt wurden.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt der BFH an, dass eine Realteilung sinnvolle Umstrukturierungsvorgänge steuerlich nicht belasten soll und dies unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/265 S. 179) auch dann gegeben ist, wenn die Mitunternehmerschaft nach Ausscheiden eines Gesellschafters weiterhin fortbesteht. Die Realteilung bietet über die steuerneutrale Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter hinaus auch die Möglichkeit, Verbindlichkeiten, die dem Teilbetrieb zugeordnet werden, zu übertragen, ohne stille Reserven der Besteuerung unterwerfen zu müssen.
Anwendung der Realteilung auch bei vorheriger Einbringung der Mitunternehmeranteile
Mit einer weiteren Entscheidung hat der IV. Senat des BFH entschieden (BFH vom 16.12.2015 – IV R 8/12, RS1192383), dass eine vorherige Einbringung der Mitunternehmeranteile in andere (neu gegründete) Personengesellschaften der zeitnah darauffolgenden erfolgsneutralen Realteilung nicht entgegensteht. Voraussetzung ist jedoch, dass mittelbar ausschließlich dieselben Personen an der Mitunternehmerschaft beteiligt sind.
Im Streitjahr waren die Kläger A und B jeweils zu 50% an der A+B GmbH & Co. KG beteiligt und brachten ihren Mitunternehmeranteil jeweils gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in zwei neu gegründete GmbH & Co. KGs ein, an denen jeweils A oder B zu 100% beteiligt waren. Als Komplementärin aller Gesellschaften fungierte eine vermögensmäßig nicht beteiligte GmbH. Eine Stunde nach Einbringung der Anteile wurde das Vermögen der A+B GmbH & Co. KG im Wege der Realteilung auf die Mitunternehmergesellschaften erfolgsneutral übertragen.
Der BFH entschied, dass die Realteilung zu Recht zu Buchwerten durchgeführt wurde und begründete seine Entscheidung damit, dass nach der tatsächlichen zivilrechtlichen Gestaltung die neu gegründeten Personengesellschaften nun Mitunternehmer der A+B GmbH & Co. KG waren und die Wirtschaftsgüter entsprechend in die Betriebsvermögen der Mitunternehmer übertragen wurden. Ein Fall des Gestaltungsmissbrauchs war nach Ansicht des BFH schon deshalb nicht gegeben, da ein außersteuerlicher Grund in dem Wunsch der Kläger A und B bestand, die Tätigkeit der Gesellschaft getrennt voneinander fortzuführen. Ferner führte der BFH an, dass die Realteilung eine steuerneutrale Umstrukturierungsmaßnahme ist, die voraussetzt, dass die stillen Reserven zwar ausschließlich aber nicht zwingend beteiligungsidentisch bei den einzelnen Realteilern steuerverhaftet bleiben.
Hinweise für die Praxis
Es ist zu begrüßen, dass der BFH den Realteilungsbegriff erweitert hat. Die neuen Grundsätze eröffnen insbesondere für die Auseinandersetzung von Freiberuflerpraxen neue Gestaltungsspielräume. Zwar sind die ergangenen Urteile bislang nicht im BStBl. veröffentlicht worden und daher nur auf den Einzelfall anzuwenden. Auch bleiben weiterhin Fragen offen, z.B. ob eine Realteilung auch dann vorliegt, wenn der Ausscheidende anstatt eines Teilbetriebs nur einzelne Wirtschaftsgüter in sein Betriebsvermögen überführt. Ebenso wenig hatte der BFH zu entscheiden, wie in Fällen verfahren werden soll, in denen einzelne Mitunternehmer zur Vermeidung der Zahlung eines Spitzenausgleichs unmittelbar vor der Realteilung (Geld-)Einlagen in die zu teilende Gesellschaft leisten oder Darlehen aufnehmen, um diese Mittel dem Teilbetrieb des Ausscheidenden zuzuordnen. Dennoch zeigen beide Urteile, dass der BFH an seiner engen Auslegung des Realteilungsbegriffs nicht mehr festhält und somit den Anwendungsbereich der erfolgsneutralen Realteilung erweitert. Abzuwarten bleibt nun, ob das BMF mit einem Nichtanwendungserlass auf die Urteile reagiert oder eine Änderung des (noch) geltenden BMF-Schreibens vom 28.02.2006 anstrebt.