Gewährt ein Gesellschafter seiner gewerblich tätigen oder gewerblich geprägten Personengesellschaft ein Darlehen und erhält er hierfür Zinsen, ist die Steuersituation eindeutig. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sieht vor, dass die Zinseinnahmen des Gesellschafters als Sonderbetriebseinnahmen und gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an der Personengesellschaft im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu erfassen sind. Die Zinseinnahmen des Gesellschafters mindern also den steuerlichen Gesamtgewinn der gewerblichen Personengesellschaft nicht, nur im Rahmen der Gewinnverteilung kommt es zu einer Zuweisung der Zinsen als Gewinnanteil an den Gesellschafter, der das Darlehen gewährt. Entsprechend sind die Gewinnanteile der übrigen Gesellschafter gemindert und im steuerlichen Gesamtgewinn der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter sind die Darlehenszinsen neutralisiert. Gewährt hingegen ein Gesellschafter seiner vermögensverwaltenden Personengesellschaft ein Darlehen, so ist die steuerliche Erfassung des Darlehens und der Zinszahlungen bisher nicht abschließend geklärt.
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt nicht für vermögensverwaltende Personengesellschaften
Eine Vorschrift wie § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist im Einkommensteuergesetz für Vergütungen, welche ein Gesellschafter von der vermögensverwaltenden Personengesellschaft bezieht, nicht vorgesehen. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt nach der Rechtsprechung des BFH (BFH vom 07.04.1987 – IX R 103/85, RS0740026) nicht für vermögensverwaltende Personengesellschaften. Daraus folgt zunächst dem Grundsatz nach, dass der Gesellschafter aus der Darlehensgewährung Zinseinnahmen erzielt, die unabhängig von der Art der Einkünfte der vermögensverwaltenden Personengesellschaft bei ihm als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sind. Die Personengesellschaft hat entsprechend Zinsaufwendungen, die als Werbungskosten steuerlich in Abzug gebracht werden können.
Höhe der Besteuerung der Zinseinnahmen und Zinsaufwendungen umstritten
Umstritten ist hingegen, ob die Zinseinnahmen beim Gesellschafter und die Zinsaufwendungen bei der Personengesellschaft steuerlich in voller Höhe zu erfassen sind oder ob diese um den „Eigenanteil“ des Gesellschafters gekürzt werden müssen. Unter Bezugnahme auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO schließt sich die OFD NRW in ihrer Kurzinformation vom 07.01.2016 (DB 2016 S. 80 = DB1189052) der Auffassung an, dass nur der Teil der Zinseinnahmen und der Zinsaufwendungen beim Gesellschafter bzw. bei der Personengesellschaft angesetzt werden dürfe, der auf die anderen Gesellschafter entfalle. Ein vom Gesellschafter an seine vermögensverwaltende Personengesellschaft gewährtes Darlehen sei wegen § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich insoweit nicht anzuerkennen, als dass der Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt ist. Die Gegenauffassung lehnt hingegen diese auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO basierende Bruchteilsbetrachtung ab, da das Einkommensteuergesetz keinen Verweis auf § 39 Abs. 2 Satz 2 AO für diese Konstellationen enthalte und eine § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entsprechende Norm für vermögensverwaltende Personengesellschaften im Einkommensteuergesetz fehlt.
Auswirkungen auf die Praxis
Steuerlich ist die Klärung dieser Frage, die – soweit ersichtlich – bisher noch nicht Gegenstand finanzgerichtlicher oder höchstrichterlicher Entscheidungen war, durchaus von Bedeutung. Folgt man der Auffassung, dass die Bruchteilsbetrachtung auf das Gesellschafterdarlehen keine Anwendung findet, dann erzielt der Gesellschafter aus einem aus dem Privatvermögen an die Gesellschaft gewährten Darlehen in voller Höhe Zinseinnahmen. Diese unterliegen nur der Besteuerung zum Abgeltungsteuertarif von 25% (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer), es sei denn, der Gesellschafter ist nahestehende Person gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG. Erzielt die Personengesellschaft z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, dann würden die Zinsaufwendungen in vollem Umfang den steuerpflichtigen Überschuss mindern, welcher der Besteuerung zum normalen Einkommensteuertarif (bis zu 45% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) unterliegt. Ist das Darlehen jedoch in Höhe der Beteiligungsquote des Gesellschafters an der Personengesellschaft nicht anzuerkennen, dann entfallen die steuerlichen Effekte aus den Zinseinnahmen beim Gesellschafter und den Zinsaufwendungen bei der Personengesellschaft in entsprechender Höhe und der steuerlich nicht anzuerkennende Zinsanteil wird z.B. beim darlehensgebenden Gesellschafter in regelbesteuerte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung umqualifiziert.
Einen Hinweis darauf, ob der BFH der von der OFD NRW geäußerten Auffassung folgen würde, könnte der Entscheidung des IX. Senats vom 18.05.2004 (IX R 83/00, DB 2004 S. 1705) entnommen werden, welche die Finanzverwaltung in den EStR 2012 Abschn. H 21.6 zu den Vermietungseinkünften einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zitiert. Eine Vermietung von Immobilien durch eine (vermögensverwaltende) Personengesellschaft an ihren Gesellschafter ist insoweit nicht anzuerkennen, soweit dem Gesellschafter das Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO in Höhe seiner Beteiligungsquote an der Personengesellschaft anteilig zuzurechnen ist und daher eine „Eigennutzung“ vorliegt.
Allerdings entspricht diese vom BFH beurteilte Konstellation nur derjenigen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, in welcher die vermögensverwaltende Personengesellschaft dem Gesellschafter ein Darlehen gewähren würde. Nur diese Konstellation wird auch vom Wortlaut des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO unmittelbar erfasst, wenn Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten dann anteilig zuzurechnen sind, wenn eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Interessanterweise sieht jedoch § 39 AO für den hier zu diskutierenden umgekehrten Fall keine Zurechnungsregelung vor. Wie ist also zu verfahren, wenn ein Beteiligter ein ihm allein zustehendes Wirtschaftsgut wie eine Immobilie oder einen Geldbetrag der vermögensverwaltenden Gesamthandsgemeinschaft zur Nutzung in Form der Miete bzw. als Darlehen überlässt? Da eine Sondervorschrift wie § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG fehlt und auch der Wortlaut des § 39 AO nicht einschlägig ist, sprechen gute Gründe dafür, dass die „Bruchteilsbetrachtung“ bei diesen Konstellationen nicht anzuwenden ist und das Nutzungsverhältnis in vollem Umfang steuerlich anzuerkennen ist. Ein solches Verständnis widerspräche jedoch der Auffassung der OFD NRW.
Hinweis für den Berater
Da eine finanzgerichtliche und höchstrichterliche Klärung der Streitfrage noch aussteht und gute Argumente dafür sprechen, das Nutzungsverhältnis in vollem Umfang steuerlich anzuerkennen, kann m.E. weiterhin die im Einzelfall für den Steuerpflichtigen günstigere Auslegung vertreten werden, dass die Darlehensgewährung des Gesellschafters an seine vermögensverwaltende Personengesellschaft in vollem Umfang steuerlich anzuerkennen ist. Auf die in diesem Fall abweichende Auffassung der OFD NRW müsste die zuständige Finanzbehörde dann aber hingewiesen werden.