Wer sich mit Unternehmensbewertung befasst, weiß, dass es „den“ richtigen Wert eines Unternehmens nicht gibt. Lediglich die Finanzverwaltung, und manchmal auch die Finanzgerichte, scheinen immer den „richtigen“ Wert einer Kapitalbeteiligung zu kennen. Unschön ist dabei, dass insbesondere bei Managementbeteiligungen solche Bewertungsfragen immer zu Lasten des Steuerpflichtigen beantwortet werden. Der BFH sollte dieser Praxis deutlichere Grenzen setzen.
Urteil des FG Münster vom 14.08.2015 als Beispielsfall
Das FG Münster hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung die Problematik der richtigen Bewertung einer Kapitalbeteiligung im Falle einer Managementbeteiligung anschaulich gemacht. Im Urteil vom 14.08.2015 (14 K 3290/13 E) ging es um die Anschaffung einer GmbH-Beteiligung durch den Geschäftsführer einer GmbH im Jahr 2000.
In den zwölf dem Erwerb vorhergehenden Monaten fanden insgesamt vier An- und Verkäufe über Geschäftsanteile an der betreffenden GmbH statt. Immer handelte es sich um An- und Verkäufe von oder an Geschäftsführer der Gesellschaft. Bezogen auf den streitgegenständlichen Beteiligungskauf lagen die Preise einmal unter, zwei Mal über und einmal genau auf dem vom Kläger bezahlten Preisniveau. Eineinhalb Jahre nach dem Erwerb des Klägers wurde außerdem eine Unternehmensbewertung für die GmbH vorgenommen, die ebenfalls einen oberhalb der Einstiegsbewertung des Klägers liegenden Preis erbrachte.
Zur Offensichtlichkeit des „richtigen“ Wertes
In diesem Sachverhalt erkannte das FG Münster zu Gunsten des beklagten Finanzamtes, dass der Kläger seine Beteiligung zu billig erworben habe. Die Wertdifferenz sei aufgrund der vertraglichen Verknüpfung der Beteiligung mit dem Arbeitsverhältnis als Zufluss eines geldwerten Vorteils aus nichtselbstständiger Tätigkeit zu qualifizieren. Als Begründung verweist das Gericht zum einen auf die beiden Erwerbsvorgänge vor dem Einstieg des Klägers, die wertmäßig über dem Einstiegspreis des Klägers gelegen haben. Zum anderen habe auch die eineinhalb Jahre später vorgenommene Bewertung einen erheblich über dem Einstiegspreis des Klägers liegenden Wert ergeben.
Die beiden anderen Erwerbstransaktionen zum niedrigeren bzw. zum gleichen Wert sieht das FG nicht als geeignet an, seine Überzeugung zu erschüttern. Ein Bewertungsgutachten, das der Kläger von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf den Erwerbszeitpunkt hin hat erstellen lassen, weist das FG als „offensichtlich unzutreffend“ ab. Den Verweis des Klägers auf die Wertermittlung nach dem Stuttgarter Verfahren, die zu einem erheblich unter dem Erwerbspreis liegenden Wert führte, wehrt das Gericht mit der Begründung ab, dass der Kläger diese Bewertung selbst für unzutreffend halten würde, da er die Beteiligung ja zu einem höheren Preis erworben habe (sic!).
Unternehmensbewertung ist kein rechtsfreier Raum
Unternehmensbewertung ist kein rechtsfreier Raum. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sieht vor, dass der gemeine Wert einer nicht börsennotierten Kapitalbeteiligung zunächst aus Verkäufen abzuleiten ist, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Erst wenn das nicht möglich ist, ist der Wert zu schätzen. Für die Bewertung maßgebliche Referenztransaktionen sind nach ständiger Rechtsprechung solche, die sich im freien Wirtschaftsleben nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollziehen und bei denen jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not oder besonderen Rücksichten, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (vgl. BFH vom 09.03.1994 – II R 39/90, BStBl. II 1994 S. 394 = DB 1994 S. 1336, m.w.N.).
Rechtsanwendung contra Manager
Das FG Münster setzt sich mit § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gar nicht weiter auseinander, da „es sich bei diesen Verkäufen nicht um (echte) Verkäufe unter fremden Dritten, sondern um Verkäufe bzw. Käufe innerhalb eines bestimmten Personenkreises handelt“. Allein die Tatsache, dass es sich bei den Transaktionen um Geschäftsführer der GmbH handelte, reicht also nach Auffassung des Gerichts aus, um § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG auszuhebeln. Das FG verkennt dabei, dass die von ihm als richtig herangezogenen Verkäufe zu höheren Werten ebenfalls mit Geschäftsführern der GmbH stattgefunden hatten.
Damit unterstellt das Gericht, dass Manager bzw. Angestellte untereinander und mit dem Arbeitgeber bzw. verbundenen Unternehmen grundsätzlich keine marktüblichen Geschäfte machen können. Dies entspricht zwar einer gängigen Sichtweise in der Finanzverwaltung, ist aber mit geltendem Recht und der Rechtsprechung des BFH nicht vereinbar. Der BFH erkennt fremdübliche Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich als Sonderrechtsverhältnisse an (vgl. BFH vom 17.06.2009 – VI R 69/06, BStBl. II 2010 S. 69 = DB 2009 S. 2186).
Überprüfung durch den BFH wünschenswert
Es ist daher zu hoffen, dass der BFH diese Entscheidung des FG Münster im anhängigen Revisionsverfahren (VI R 8/16) aufhebt und zurückverweist. Wenn ein Steuerpflichtiger plausible Gründe für die Festlegung eines Preises hat, insbesondere wenn es Bewertungsmethoden gibt, welche seinen Wert stützen, sollten an die Widerlegung dieses Wertes erhöhte Anforderungen gestellt werden. Anderenfalls ist der Steuerpflichtige in Bewertungsfragen der Willkür der Finanzbehörden hilflos ausgesetzt.