Organgesellschaften haften für Steuern des Organträgers. Die Haftung erstreckt sich nach dem Gesetzeswortlaut auf den gesamten Organkreis. Dies wird allgemein als zu weit aufgefasst und eine Begrenzung der Haftung nach dem jeweiligen Verursachungsbeitrag der Organgesellschaft gefordert. Denn die Finanzbehörde muss das ihr zustehende Ermessen bei der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweckgemäß und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen ausüben. Wo diese Grenzen liegen, ist jedoch umstritten und unklar geblieben. Auch ein dazu anhängiges Revisionsverfahren dürfte nicht mehr Klarheit bringen.
Gesetzeswortlaut begrenzt Haftung nicht
Bei einer körperschaftsteuerlichen, gewerbesteuerlichen oder umsatzsteuerlichen Organschaft richten sich die Steueransprüche des Fiskus unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Verursachung gegen den Organträger. Als Ausgleich dafür sieht die Abgabenordnung eine Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers vor (§ 73 AO). Zweck dieses Haftungsanspruchs ist die Absicherung der Steueransprüche durch einen Zugriff auf sämtliche zur Organschaft gehörenden Gesellschaften.
Der Gesetzeswortlaut knüpft die Haftung der Organgesellschaft nur an eine Voraussetzung: Es muss sich um Steuern des Organträgers handeln, für die die Organschaft zwischen beiden „steuerlich von Bedeutung“ ist. Zwar wird zur Eingrenzung der Haftung gefordert, die Organgesellschaft hafte nur für solche Steuern, die ohne Organschaft bei der Organgesellschaft selbst entstanden wären. Dagegen sprechen aber der Zweck der Haftung und die Intention des Gesetzgebers, der sich mit der Frage der Haftungsbeschränkung ausdrücklich befasst, sie aber verworfen hat. Darauf weist das FG Düsseldorf hin (Urteil vom 19.02.2015 – 16 K 932/12 H(K), DB 2015 S. 1879, anhängig beim BFH: I R 54/15; vgl. dazu auch Graw, StR kompakt, DB0991541). Im Ergebnis umfasst daher der Haftungsanspruch sämtliche Steueransprüche gegen den Organträger aus der Körperschaft-, Gewerbe- oder Umsatzsteuer.
Begrenzung der Haftung auf Verursachungsbeiträge
Damit hat sich die Haftungsbegrenzung aber noch nicht erledigt. Denn die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners für Steuern eines anderen ist eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen umfasst die Frage, ob überhaupt ein Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird (Entschließungsermessen) sowie auch die Frage, welcher von mehreren Haftungsschuldnern in Anspruch genommen wird (Auswahlermessen). In einem Organkreis kommen grundsätzlich sämtliche Organgesellschaften als Haftungsschuldner in Betracht. Die Grenzen für die Betätigung des Auswahlermessens und für die Frage, nach welchem Maßstab die Haftungslast auf mehrere Organgesellschaften aufgeteilt wird, sind jedoch unklar geblieben.
Sachgerechte Aufteilung der Haftung auf Organgesellschaften
In dem vom FG Düsseldorf entschiedenen Fall begrenzte die Finanzbehörde die Haftung auf diejenigen Steuern, die durch die jeweilige Organgesellschaft veranlasst wurden. Dazu bestimmte sie den Umfang der Haftung der Organgesellschaft für rückständige Steuern des Organträgers nach dem Anteil des Einkommens der Organgesellschaft (originäres Organeinkommen) an der Summe der positiven Organeinkommen. Das FG Düsseldorf beanstandete die Ausübung des Auswahlermessens, auf die Verursachungsbeiträge der Organgesellschaften abzustellen, nicht. Auch den Aufteilungsmaßstab, die Haftung am jeweiligen Einkommen der Organgesellschaft zu orientieren, hält das Gericht für plausibel und sachgerecht. Denn damit wird die Haftung auf die durch die Organgesellschaft verursachten Steuern vertretbar begrenzt.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Haftungsinanspruchnahme auf nachträglich festgesetzten Mehrsteuern gegen den (zahlungsunfähigen) Organträger beruht. Die Organgesellschaft kann sich nicht damit verteidigen, gerade diese Mehrsteuern hätten mit ihrem eigenen Betrieb nichts zu tun gehabt. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Organgesellschaft bereits hinreichende Mittel zur Steuerzahlung an den Organträger abgeführt hatte. Denn entscheidend ist für das FG Düsseldorf der Bezug auf die insgesamt letztlich gegen den Organträger festgesetzte Steuer.
Für die Einschätzung des Haftungsrisikos ist aber noch zu berücksichtigen, dass in besonderen Fällen eine Haftung auch über den Verursachungsbeitrag hinaus in Betracht kommen soll, z.B. wenn die Organschaft zu besonderen Steuervorteilen geführt hat oder wenn auf die Organgesellschaft in einem ihren Verursachungsbeitrag übersteigenden Verhältnis Vermögenswerte übertragen wurden. Die konkrete Anwendung dieser Haftungserweiterungen ist allerdings umstritten und unsicher geblieben.
Aus dem laufenden Verfahren lässt sich daher bisher lediglich ableiten, dass eine Ausübung des Auswahlermessens nach Verursachungsbeiträgen nicht ermessensfehlerhaft ist, die zur Begrenzung der Haftung auf das anteilige Einkommen der Organgesellschaft im Verhältnis zum gesamten positiven Organeinkommen abstellt. Das Urteil des FG Düsseldorf beruht aber auch darauf, dass im Falle einer mittelbaren Organschaft die Enkelgesellschaft nach den gleichen Grundsätzen haftet wie eine Tochtergesellschaft. Zumindest dazu kann das Revisionsverfahren aufklären.