Unternehmen, die nur Immobilien verwalten und allein aufgrund ihrer Rechtsform (wie z.B. die GmbH) der Gewerbesteuer unterliegen, können regelmäßig die sog. erweiterte Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) in Anspruch nehmen. Danach wird auf Antrag jener Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung „eigenen Grundbesitzes“ entfällt, von der Gewerbesteuer ausgenommen. Immobilien werden in der Praxis jedoch oft nicht direkt, sondern über mehrstufige (Personengesellschafts-)Strukturen gehalten, z.B. als sog. Zebragesellschaft: Während die Obergesellschaft aufgrund gewerblicher Prägung Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, qualifizieren die Einnahmen der vermögensverwaltenden Untergesellschaft als solche aus Vermietung und Verpachtung. Ob die Obergesellschaft dann kürzungsberechtigt ist, obwohl ihr der Grundbesitz zivilrechtlich nicht gehört, ist umstritten und steht nun auf Vorlage des IV. BFH-Senats vor der Entscheidung durch den Großen Senat des BFH (vgl. BFH vom 21.07.2016 – IV R 26/14, RS1219902).
Ertragsteuerliche Zurechnung vs. „zivilrechtliche Grundlegungen“
Kern der Vorlagefrage des IV. Senats ist, ob die erweiterte Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) mit dem Merkmal „eigener Grundbesitz“ nur die Voraussetzung „zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörender Grundbesitz“ in Satz 1 wiederholt oder darüber hinaus zivilrechtliches Eigentum verlangt.
Legt man der Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ein rein (ertrag-)steuerliches Verständnis zugrunde – wie bis 2010 einhellig geschehen –, kommt dem „eigenen Grundbesitz“ keine eigenständige Bedeutung zu. Bei einer Zebragesellschaft sind die Grundstücke der vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Untergesellschaft dem Betriebsvermögen der Obergesellschaft zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO), so dass die erweiterte Kürzung für mit dem Grundbesitz erwirtschaftete Gewinne auf Ebene der Obergesellschaft möglich wird. Anders verhält es sich, wenn – zusätzlich – an das zivilrechtliche Eigentum angeknüpft wird. Denn ein von der Obergesellschaft lediglich mittelbar gehaltener Immobilienbestand kann dieser nach dem Zivilrecht nicht als „eigener“ zugeordnet werden.
Der I. Senat des BFH hat in einer vielfach als Fehlurteil bezeichneten Entscheidung im Jahr 2010 entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung und ohne nähere Begründung erkannt, dass die von einer Komplementär-GmbH (Obergesellschaft) mittelbar über eine vermögensverwaltende KG (Untergesellschaft) gehaltenen Grundstücke nur der Untergesellschaft als „eigene“ zugerechnet werden könnten. Maßgeblich sei insoweit die „zivilrechtliche Grundlegung“. Das Halten der Komplementärbeteiligung stelle ferner eine kürzungsschädliche Nebentätigkeit dar (BFH vom 19.10.2010 – I R 67/09, DB 2011 S. 455; vgl. dazu Töben, Steuerboard vom 21.07.2011). Neben zahlreichen Stimmen der Literatur ist diesem Urteil auch das FG Berlin-Brandenburg wiederholt entgegengetreten (FG Berlin-Brandenburg vom 06.05.2014 – 6 K 6322/13, RS1046383; vgl. dazu Herrmann, Steuerboard vom 23.01.2015).
Der Vorlagebeschluss des IV. Senats
Dem jüngsten Beschluss vom 21.07.2016 liegt die Konstellation zugrunde, dass eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG zu 2/3 an einer Immobilien haltenden vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt war und hinsichtlich der Erträge aus der Beteiligung die erweiterte Kürzung geltend machte. Der IV. Senat hat dem Großen Senat des BFH daher die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine grundstücksverwaltende, nur kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielende Gesellschaft die erweiterte Kürzung auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn sie an einer grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist.
Der IV. Senat bejaht die Vorlagefrage entgegen der Entscheidung des I. Senats vom 19.10.2010. Nach seiner Auffassung handelt es sich bei „eigenem Grundbesitz“ i.S. der erweiterten Kürzung um das zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörende Grundvermögen. Der „eigene“ Grundbesitz bestimme sich daher nach (ertrag-)steuerlichen anstatt auch nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Der Gesetzgeber verwende das Wort „eigen“ generell i.S. von „einer Person zuzurechnen“, weshalb es nicht zwingend gleichbedeutend mit „im zivilrechtlichen Eigentum stehend“ sei. Zudem sei nicht ersichtlich, dass er die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung gegenüber denjenigen der normalen Kürzung habe verschärfen wollen. Diese Sichtweise sei auch systematisch zwingend (die Regelung in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG liefe sonst leer) und vermeide Gleichheitsverstöße. Die Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft mit Immobilienbestand hätten anteiliges wirtschaftliches Eigentum am Grundbesitz (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) und seien insofern kürzungsberechtigt. Eine schädliche Nebentätigkeit liege nicht vor, da die Existenz der Gesellschaftsbeteiligung steuerlich hinweggedacht werde, um die Wirtschaftsgüter direkt zurechnen zu können.
Bedeutung für die Praxis
Der Ansicht des IV. Senats ist uneingeschränkt zuzustimmen. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung der erweiterten Kürzung und des Bedürfnisses der Praxis, Immobilien mithilfe von Tochtergesellschaften organisatorisch zu separieren, ist es zu begrüßen, dass nun eine Klärung durch den Großen Senat des BFH erfolgen wird. Über die im Vorlagebeschluss aufgezeigten Unstimmigkeiten hinaus hätte die zivilrechtliche Lesart des I. Senats im schlechtesten Fall auch Konsequenzen für die zeitlichen Anforderungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Denn die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen bemisst sich nach dem Stand zu Beginn des Kalenderjahrs (strenges Stichtagsprinzip, § 20 Abs. 1 Satz 2 GewStDV). Es käme danach unbeschadet des wirtschaftlichen Übergangs (Besitz-, Nutzen- und Lastenwechsel) auf den zufälligen Zeitpunkt der Eintragung der Eigentumsübertragung im Grundbuch an. Ein solches Verständnis wäre nicht nur der Ertragsteuersystematik vollkommen fremd, sondern würde auch der ständigen (Finanzamts-)Handhabung widersprechen.