Im Rahmen der zum Veranlagungszeitraum 2009 eingeführten Abgeltungsteuer sind Gewinne aus Aktienverkäufen stets als Einkünfte aus Kapitalerträgen steuerbar, soweit nicht aufgrund eines Erwerbs der Anteile vor 2009 ein sogenannter Altfall vorliegt. In diesen Altfällen ist ein Veräußerungsgewinn bezüglich der Aktien außerhalb der (inzwischen abgelaufenen) einjährigen Spekulationsfrist steuerfrei. Der BFH hat jüngst den umstrittenen Fall eines Aktientauschs mit Barabfindung im Zusammenhang mit solchen vor 2009 erworbenen Anteilen entschieden. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH festgestellt, dass die Barabfindung bei einem Aktientausch (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG) nicht als Dividende steuerpflichtig ist, wenn die Veräußerung der betreffenden Aktien steuerfrei wäre (Urteil vom 20.10.2016 – VIII R 10/13, DB 2017 S. 101).
Hintergrund
Grundsätzlich stellt der Tausch von Aktien gegen andere Aktien eine steuerpflichtige Veräußerung der hingegebenen Anteile und eine Anschaffung der erhalten Anteile dar. Zur Vermeidung von aufwändigen Verfahren zur Bewertung der erhaltenen Anteile hat der Gesetzgeber zu Vereinfachungszwecken als Ausnahme vom vorgenannten Grundsatz geregelt, dass der Tausch von Gesellschaftsanteilen auf Basis gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen wie Verschmelzungen oder Übernahmeangeboten bei Beteiligungen von weniger als 1% keinen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn im Rahmen der Abgeltungsteuer darstellt (§ 20 Abs. 4a Satz 1 EStG). Stattdessen wird fingiert, dass die erhaltenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile treten. Die Besteuerung der stillen Reserven erfolgt dann erst nachgelagert bei einer künftigen Veräußerung der erhaltenen Anteile. Da als deren Anschaffungskosten die ursprünglichen Anschaffungskosten der aufgegebenen Anteile angesetzt werden, handelt es sich lediglich um einen Besteuerungsaufschub.
Eine gesetzliche Ausnahme besteht dann, wenn im Rahmen des Anteilstauschs nicht nur Anteile als Gegenleistung übertragen werden, sondern auch zusätzliche Gegenleistungen wie Barabfindungen gezahlt werden (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG). Solche zusätzlichen Gegenleistungen werden sofort als Dividenden besteuert. Da der Gesellschafter hier Bargeld erhält, besteht aus Sicht des Gesetzgebers kein Bedürfnis für einen Steueraufschub.
Während die oben geschilderten Regelungen für die originär der Abgeltungsteuer unterliegenden Steuerfälle unproblematisch sind, war die Handhabung von Altfällen umstritten. Denn während die Veräußerung von Anteilen, die vor 2009 erworben wurden, steuerfrei möglich ist, sollte eine Barabfindung, die z.B. abweichende Beteiligungsquoten im Rahmen einer Verschmelzung ausgleicht und wirtschaftlich nichts anderes als einen Kaufpreis für die übertragenen Anteile darstellt, als Dividende steuerpflichtig sein.
Dies ist auch die Ansicht der Finanzverwaltung (BMF vom 18.01.2016, VA1189835, Tz. 100), die sich auf den Wortlaut der Norm stützt. Hiergegen wandten sich die überwiegenden Stimmen in der Literatur mit dem Argument, dass hierin eine unzulässige Rückwirkung zu sehen sei, da die betreffenden Anteile nicht mehr steuerverstrickt sind.
Sachverhalt
Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem im Jahr 2006 – also vor Einführung der Abgeltungsteuer – Aktien einer US-amerikanischen Firma erworben wurden. Nach Einführung der Abgeltungsteuer wurde diese Gesellschaft von einer anderen US-amerikanischen Firma übernommen. Die Kläger erhielten hierbei Anteile an der übernehmenden Gesellschaft sowie eine Barabfindung für ihre alten Anteile. Die Barabfindung wurde von der depotführenden Bank und der Finanzverwaltung der Kapitalertragsteuer unterworfen, während die Kläger die Zahlung als steuerfrei einstuften. Die Vorinstanz (FG Düsseldorf vom 11.12.2012 – 10 K 4059/10) teilte die Rechtsauffassung der Kläger und gab deren Klage statt.
Entscheidung des BFH
Der BFH schloss sich nun der Vorinstanz an und wies die Revision des Finanzamts zurück.
Die Stimmen in der Literatur machten überwiegend verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine rückwirkende Steuerverstrickung von Anteilen geltend, die aufgrund des Erwerbs vor 2009 hätten steuerfrei verkauft werden können. Der BFH begründet seine Entscheidung mit einer Auslegung des Regelungsgehalts von § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG, die sich aus ihrem Wortlaut nicht ohne weiteres erschließt. Demnach finde die Vorschrift zwar – wie vom Gesetzgeber angeordnet – erstmals auf Zuflüsse (Barabfindungen) nach dem 31.12.2008 Anwendung. Der Zufluss im Sinne der Norm müsse aber eine steuerbare Gegenleistung für den Erhalt der Anteile sein, denn der Zweck der Norm sei nur die (Um-)Qualifizierung der Barzahlung in eine Dividende. Hierdurch solle aber kein originäres Besteuerungsrecht für nicht mehr steuerverstrickte Vermögenswerte geschaffen werden.
Der BFH schränkt somit den Regelungsgehalt des § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG dahingehend ein, dass er lediglich die Behandlung der Barzahlung als Dividende regelt, wenn diese zusätzliche Gegenleistung im Fall einer Veräußerung der Aktien überhaupt steuerbar gewesen wäre. Die Norm begründe aber keinen eigenen Steuertatbestand, regelt also nicht, ob die Zahlungen überhaupt steuerbar sind.
Wenn also die Barabfindung im Fall einer gedachten Veräußerung schon nicht steuerbar wäre, kommt es nicht mehr zu einer Umqualifizierung dieser Einkünfte in eine Dividende.
Weiter begründet der BFH seine Entscheidung damit, dass auch aus verfassungsrechtlichen Gründen eine entsprechende Auslegung geboten ist. Andernfalls käme es zur Besteuerung einer nicht mehr steuerverstrickten Vermögensposition, welche mit dem steuerrechtlichen Verbot einer Rückwirkung nicht vereinbar wäre und für die auch keine hinreichenden Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind.
Fazit
Die Entscheidung des BFH ist im Ergebnis richtig. Eine derartige rückwirkende Besteuerung von nicht mehr steuerverstrickten Vermögenswerten würde eine verfassungswidrige Rückwirkung darstellen.