Internationaler Datenaustausch in Steuersachen: eine Revolution steht vor der Tür

RA/StB Dr. Maximilian Haag, LL.M., P+P Pöllath und Partners, München

Der internationale Informationsaustausch in Steuersachen wird das Besteuerungsverfahren in Deutschland und anderen Ländern in naher Zukunft revolutionieren. Aus der Anknüpfung der Ertragsteuern am Welteinkommen ergeben sich Informationsdefizite der Finanzbehörden bei Auslandssachverhalten, da die nationalen Ermittlungsmöglichkeiten im Regelfall an der Staatsgrenze enden. Angesichts einer zunehmenden Mobilität von Personen, Gütern und Kapital liegt es auf der Hand, dass die nationalen Steuerbehörden an Grenzen bei der Feststellung der steuerlich maßgebenden Sachverhalte stoßen. Die zwischenzeitlich geschaffenen Mitwirkungs- und Meldepflichten der Steuerpflichtigen bei Auslandsachverhalten (u.a. §§ 90 Abs. 2 und 3, 138 Abs. 2 AO, §§ 16, 17 AStG, § 30 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 ErbStG) haben nicht zu der gewünschten Beseitigung des Informationsnachteils des Fiskus geführt. Der unmittelbare Steuerdatenaustausch zwischen den Steuerbehörden einzelner Länder soll dem abhelfen.

Überblick

Der internationale Datenaustausch in Steuersachen lässt sich in folgende Instrumente einteilen:

  1. den Informationsaustausch auf Ersuchen,
  2. den automatischen Informationsaustausch,
  3. den spontanen Informationsaustausch.

Die Rechtsquellen des internationalen Datenaustauschs sind sehr verschieden, sie überlappen sich teilweise, teilweise stehen sie unabhängig nebeneinander. Neben bilateralen Abkommen mit Auskunftsklauseln (z.B. Doppelbesteuerungsabkommen) gibt es mehrere multilaterale Abkommen zum Datenaustausch und zur Amtshilfe in Steuersachen. Mit der EU-Amtshilferichtlinie existieren überdies EU-einheitliche Bestimmungen für den Steuerdatenaustausch, welche zum Teil deutlich über die Regelungen der vorhandenen multilateralen Abkommen hinausgehen. In Deutschland wurden die Instrumente des Steuerdatenaustauschs vor allem im Finanzkonteninformationsaustauschgesetz (FKAustG) vom 21.12.2015 und im EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) vom 26.06.2013 umgesetzt (vgl. hierzu Bien, Steuerboard vom 20.06.2016).

Informationsaustausch auf Ersuchen

Ältere Doppelbesteuerungsabkommen sehen einen Datenaustausch auf Ersuchen nur zum Zwecke der Durchführung des Abkommens vor („kleine Auskunftsklausel“). Aktuelle Doppelbesteuerungsabkommen sowie die in jüngster Zeit mit vielen „Steueroasen“ geschlossenen Steuerinformationsaustauschabkommen enthalten hingegen eine „große Auskunftsklausel“, wonach die Vertragsstaaten alle zur Durchführung des Abkommens und des innerstaatlichen Steuerrechts notwendigen Daten austauschen. Zwischen den EU-Staaten gilt dieser „große“ Auskunftsstandard auch ohne Doppelbesteuerungsabkommen, da EU-Recht alle EU-Mitglieder zur gegenseitigen Auskunftserteilung auf Ersuchen verpflichtet (§§ 4-6 EUAHiG).

Automatischer Informationsaustausch bei Finanzkonten

Mit dem Common Reporting Standard (CRS) der OECD vom 21.07.2014 fiel der Startschuss zur Schaffung eines internationalen Regelwerks über den Automatischen Informationsaustausch (AIA) für Finanzkonten. Deutschland ist dem CRS am 21.12.2015 beigetreten und hat ihn im FKAustG umgesetzt. Vertragsparteien sind u.a. alle EU-Staaten, ferner die USA, Russland, China und Japan, aber auch die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Guernsey und Jersey, Singapur und die Cayman-Inseln. Im Rahmen des AIA erheben alle in einem Vertragsstaat ansässigen Finanzinstitute Daten über bei ihnen geführte Konten von Berechtigten, die in einem anderen Vertragsstaat ansässig sind. Zu den erhobenen Daten gehören persönliche Angaben, Steuer- und Kontonummern, die Jahressalden der jeweiligen Konten und alle diesen Konten je Jahr gutgeschriebenen Erträge. Diese Daten werden einmal jährlich von dem Finanzinstitut an eine zentrale Finanzbehörde im jeweiligen Land übermittelt, welche die Daten automatisch an eine zentrale Stelle im Ansässigkeitsstaat des Berechtigten weiterleitet. In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern zuständige Behörde für die Übermittlung der im Inland gesammelten Kontendaten an ausländische Steuerbehörden als auch für den Empfang von Kontendaten aus dem Ausland und deren Verteilung an die deutschen Finanzämter (§ 5 FKAustG). Eine Gruppe von Ländern, u.a. Deutschland, Großbritannien und Liechtenstein, wendet den AIA bereits ab 01.01.2016 an und übermittelt die für 2016 gesammelten Finanzkontendaten erstmalig im September 2017 („early adopters“). Danach erfolgt die Datenübertragung immer im September für das Vorjahr.

Für Steuerpflichtige von Bedeutung ist der Umstand, dass der AIA sie nicht von der Pflicht zur Abgabe einer vollständigen Steuererklärung befreit. Der AIA bietet der Finanzverwaltung ein Kontrollinstrument, ohne dass der Steuerpflichtige Kenntnis von den über ihn ausgetauschten Kontendaten erhält. Zahlreiche Steuerpflichtige werden nach September 2017 Post von ihrem Finanzamt bekommen, falls die für 2016 automatisch ausgetauschten Kontendaten von den in der Steuererklärung 2016 enthaltenen Angaben abweichen.

Automatischer Informationsaustausch in sonstigen Fällen

Außerhalb des Bereichs ausländischer Finanzkonten sieht das EU-Recht einen automatischen Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten für Löhne, Aufsichtsratsvergütungen, bestimmte Lebensversicherungen, Ruhegehälter und Mieteinkünfte aus Immobilien vor (§ 7 EUAHiG). Diese Meldepflichten gelten seit 01.01.2014 und werden jeweils zum 30.06. des Folgejahres umgesetzt, erstmalig im Jahr 2015. Es sind erste Fälle aus der Praxis bekannt, in denen finanzamtliche Prüfungen aufgrund von automatisch übermittelten Lohndaten aus dem Ausland eingeleitet wurden.

Spontaner Informationsaustausch

Alle steuerlich relevanten Daten können Gegenstand des spontanen Informationsaustauschs sein, der auf das internationale Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom 27.05.2010 zurückgeht. Sowohl die EU-Amtshilferichtlinie als auch das deutsche Recht haben den spontanen Informationsaustausch umgesetzt (§§ 8, 9 EUAHiG). Vertragsstaaten sind neben den EU-Mitgliedern u.a. die OECD-Mitglieder, ferner Singapur seit 01.05.2016 und Liechtenstein seit 01.12.2016. Gegenstand des spontanen Informationsaustauschs können alle Informationen sein, die nach pflichtgemäßem Ermessen einer ausländischen Steuerbehörde für die deutsche Finanzverwaltung nützlich sein können. Für einzelne Fallgruppen besteht eine Meldepflicht der ausländischen Behörde, namentlich bei Vermutung einer Steuerverkürzung sowie bei Vermutung „künstlicher“ Gewinnverlagerungen im Konzern.

Fazit

Der internationale Steuerdatenaustausch wird die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte tiefgreifend verändern. Positiv ist dabei der Umstand, dass die Finanzverwaltung damit ihrer Pflicht zur gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 GG) gerecht werden kann. Aus rechtsstaatlicher Perspektive zu bemängeln ist aber, dass der Steuerpflichtige keine Kenntnis von den über ihn ausgetauschten Informationen und keine Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) etwa gegen die Übermittlung falscher Informationen an das Ausland erhält. Schließlich ist zu befürchten, dass der Gesetzgeber den künftigen Informationsvorteil der Finanzverwaltung dazu nutzen könnte, Steuern beliebig zu erhöhen und dadurch ein internationaler Steuererhöhungswettlauf in Gang kommt. Anzumerken ist allerdings, dass der internationale Datenaustausch auf absehbare Zeit nicht lückenlos sein wird: In räumlicher Hinsicht wird es weiter Länder (insb. in Afrika, Nahost und im pazifischen Raum) geben, die am Steuerdatenaustausch nicht teilnehmen. In sachlicher Hinsicht können unterschiedliche nationale Vollzugsstandards und die Unkenntnis nationaler Steuerbehörden über die Steuervorschriften anderer Länder dazu führen, dass das Informationspotenzial des Steuerdatenaustauschs nicht restlos und von Land zu Land ungleich ausgeschöpft wird – insoweit gibt der Steuerdatenaustausch keine Garantie für eine flächendeckende Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

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