Nach dem jüngst veröffentlichten und bemerkenswerten Urteil des BFH vom 07.12.2016 (BFH vom 07.12.2016 – I R 76/14, DB 2017 S. 759) bildet das von einer ausländischen Kapitalgesellschaft aufgenommene Finanzierungsdarlehen bei der Ermittlung der Einkünfte aus deutschen Immobilien (Vermietung / Verpachtung und Veräußerung) kein Betriebsvermögen. Demzufolge führt auch der Verzicht auf die Darlehensforderung seitens des Gläubigers nicht zu inländischen Einkünften. Die Entscheidung des BFH beseitigt Rechtsunsicherheiten und ermöglicht Investoren eine steuerneutrale Abwicklung von ausländischen Objektgesellschaften.
Ausgangslage
Dem Urteilsfall lag folgende Konstellation zu Grunde:
Eine luxemburgische Kapitalgesellschaft ist Eigentümerin einer in Deutschland belegenen Immobilie. Der Erwerb der Immobilie wurde durch ein Darlehen fremdfinanziert. Die Immobiliengesellschaft konnte nach der Veräußerung der Immobilie das Darlehen nicht vollständig tilgen und der Darlehensgeber verzichtete 10 Monate nach der Veräußerung auf Teile der Darlehensforderung.
Die Finanzverwaltung vertrat die Ansicht, dass der Ertrag aus dem Forderungsverzicht auf der Ebene der Gesellschaft zu gewerblichen Einkünften führt, die in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterfallen. Bei der Ermittlung der Einkünfte durch Betriebsvermögensvergleich sei auf der Aktivseite der Bilanz die Immobilie abzubilden und auf der Passivseite die mit der Immobilie in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten. Wertveränderungen in den Verbindlichkeiten würden sich dementsprechend auf den Bestandsvergleich auswirken.
BFH verwirft Ansicht der Finanzverwaltung
Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg vom 12.11.2014 – 12 K 12320/12) und auch der BFH folgten der Ansicht der Finanzverwaltung nicht.
Mangels Geschäftsleitung bzw. Sitz im Inland kam im entschiedenen Fall nur eine beschränkte Steuerpflicht der Gesellschaft in Betracht. Insofern ist jedoch kein Tatbestand in § 49 EStG zu entdecken, der eine inländische Besteuerung ermöglicht: Der Ertrag aus dem Forderungsverzicht führte, so der BFH, nicht zu einer Steuerpflicht aufgrund einer inländischen Betriebsstätte oder eines ständigen Vertreters. Eine solche Konstellation lag im Urteilsfall – wie regelmäßig in diesen Konstellationen in der Praxis – gerade nicht vor.
Die beschränkte Steuerpflicht erfasst weiterhin auch Einkünfte aus der Vermietung / Verpachtung und der Veräußerung von inländischen Immobilien. Seit 2009 führen beide Fallgruppen – wenn eine Kapitalgesellschaft Eigentümerin des Grundstücks ist – zu fiktiv gewerblichen Einkünften.
Nach Auffassung des BFH scheiden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Urteilsfall jedoch aus, weil der Forderungsverzicht erst einige Monate nach der Veräußerung des Grundstücks (und damit nach der Beendigung der Vermietungstätigkeit) erfolgt ist. Es bestehe insofern kein nachlaufender Veranlassungszusammenhang der Verbindlichkeit mit der vorangegangenen Vermietungstätigkeit, ungeachtet dessen, dass in der vorangegangenen Zeit die Zinsaufwendungen bei der deutschen Besteuerung als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden. Das Darlehensstammrecht sei bei der beschränkten Steuerpflicht für ausländische Immobiliengesellschaften nicht als in Deutschland „steuerverhaftet“ anzusehen. Der Darlehensverzicht erfolgte vielmehr, weil die Gesellschaft außerstande war, die Verbindlichkeit zu bedienen. Mit der vormaligen Gebrauchsüberlassung habe das nichts mehr zu tun (obwohl wirtschaftlich der in Deutschland steuerwirksame Wertverlust bei der Immobilie mit dem Darlehensverzicht korrespondiert).
Die durch den Verzicht entstandene Vermögensmehrung führe auch nicht zu Einkünften aus der Veräußerung von inländischem Immobilienbesitz, weil der Darlehensverzicht nicht als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks erfolgte und auch nicht in einem hinreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie stand.
Schließlich, so der BFH, kann eine Besteuerung auch nicht technisch mithilfe des Betriebsvermögensvergleichs hergestellt werden. Zwar mag die Ermittlung der fiktiv gewerblichen Einkünfte der ausländischen Gesellschaft mittels Betriebsvermögensvergleich erfolgen. Jedoch sei die Verbindlichkeit beim Bestandsvergleich des Betriebsvermögens aufgrund der zuvor genannten Erwägungen nicht steuerwirksam zu berücksichtigen.
Schlussfolgerungen
Auf Basis des BFH-Urteils bildet der Forderungsverzicht nach Veräußerung der letzten Immobilie ein taugliches Mittel zur steuerneutralen Entschuldung und Abwicklung von ausländischen Immobiliengesellschaften. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass die Finanzverwaltung das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden wird. Die Erfassung des Ertrags aus einem Darlehensverzicht im Inland würde andernfalls zu einer möglichen Doppelbesteuerung führen, wenn der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft den Ertrag ebenfalls einer Besteuerung unterwirft. Ungeachtet dessen wird das Urteil gegebenenfalls auch Auswirkungen auf nationale Strukturen haben. Hier besteht weiterhin Unsicherheit, ob der Ausfall einer Verbindlichkeit im Rahmen einer Liquidation zu einem steuerpflichtigen Ertrag führen kann (vgl. Fischer, Steuerboard vom 28.05.2014). Das neue BFH-Urteil kann dazu verleiten, über ausländische Strukturen nachzudenken, verbunden mit der Diskussion, ob und inwieweit Steuerfolgen durch eine Entstrickung eintreten können.
Der BFH bleibt mit dem Urteil seiner bisherigen Rechtsprechung treu und betont einmal mehr gewissenhaft das Objektssteuerprinzip der beschränkten Steuerpflicht. Nur die ausdrücklich und abschließend im Katalog des § 49 EStG genannten Einkünfte (jeweils mit inländischem Nexus) begründen eine beschränkte Steuerpflicht. Die Gesetzesänderung im Jahr 2009, wonach auch die Vermietungseinkünfte ausländischer Kapitalgesellschaften zu fiktiv gewerblichen Einkünften führen, hat nicht zu einer Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht geführt. Ein Verzichtsgewinn bei einer ausländischen Immobiliengesellschaft nach Veräußerung der letzten Immobilie wird jedenfalls nicht in Deutschland besteuert.