Für exitabhängige Vergütungen an Arbeitnehmer dürfen keine Rückstellungen mit steuerlicher Wirkung gebildet werden. Diese Feststellung des I. Senats (BFH vom 15.03.2017 – I R 11/15, DB 2017 S. 1749; vgl. dazu Werth, StR kompakt, DB1247026) kommt nicht ganz überraschend, interessant ist aber die Begründung. Das maßgebliche Kriterium für die Nichtanerkennung ist nämlich nicht die Wahrscheinlichkeit des Exits, sondern die fehlende Verursachung der Zahlung in der Vergangenheit.
Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung war ein Aktienoptionsprogramm, das ein Private Equity Fonds für eine AG im Jahr 2006 aufgesetzt und mit bedingtem Kapital unterlegt hatte. Die Optionen konnten über fünf Jahre mit 20% pro Jahr erworben werden (Vesting). Die Ausübung der Optionen stand unter der Bedingung des Eintritts eines Exits und dem Überschreiten des Verkehrswerts der Aktien um 10% über dem Ausübungspreis (Erfolgsziel). Außerdem sahen die Optionsbedingungen eine Ersetzungsbefugnis der AG vor, wonach diese nach Ausübung von Optionen im eigenen Ermessen festlegen konnte, ob sie Aktien liefert oder einen entsprechenden Barbetrag (abzüglich des Ausübungspreises) an den Teilnehmer zahlt.
Am 16.10.2009 übte die Gesellschaft diese Ersetzungsbefugnis für die Zukunft aus und teilte den Teilnehmern mit, dass sie bei Ausübung der Option Barzahlungen statt Aktien erhalten würden.
Ursprünglich hatte die AG für das Optionsprogramm keine Rückstellungen gebildet. Erst im Jahr 2009, nach Ausübung des Ersetzungsrechts qualifizierte die Gesellschaft die für die Optionen vorgesehenen Beträge in die Rückstellungen um. Die Bewertung erfolgte nach der Black-Scholes-Formel.
Das Finanzamt hat die für die Jahre 2006 bis 2010 gebildeten Rückstellungen nicht anerkannt. Das FG und der BFH haben die Auffassung des Finanzamts nun bestätigt.
Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Rückstellungen
Nach schon bisher vorliegender Rechtsprechung ist für die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter keine Rückstellung zu bilden (BFH vom 25.08.2010 – I R 103/09, BStBl. II 2011 S. 215 = DB 2010 S. 2648). Aber auch für die mit Ausübung der Ersetzungsbefugnis entstehenden Zahlungsverpflichtungen der Gesellschaft sind nach Auffassung des BFH keine Rückstellungen zu vorzunehmen, da sie in den entsprechenden Jahren weder rechtlich entstanden, noch wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht waren.
Rückstellungen für rechtlich noch nicht entstandene Verbindlichkeiten können nach ständiger Rechtsprechung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht sind (st. Rspr.,z.B. BFH vom 06.02.2013 – I R 8/12, BStBl. II 2013 S. 686 = DB 2013 S. 1087, m.w.N.).
Da die Ausübung der Optionen zum einen unter der Bedingung eines Exits stand, zum anderen bei Ausübung das Erfolgsziel erreicht werden musste, war der Zahlungsanspruch rechtlich noch nicht entstanden. Bei einer rechtlich noch nicht entstandenen Verpflichtung kann eine Rückstellung gebildet werden, wenn die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung muss in der Vergangenheit liegen, sodass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt.
Dies sah der BFH im vorliegenden Fall als nicht gegeben an. Die Option gelte keine vergangenen Leistungen ab, sondern sei Erfolgsmotivation für die Zukunft. Auch die Tatsache, dass die Optionen bereits „im Geld waren“ und die Optionen auch der Mitarbeiterbindung dienen, ändere daran nichts. Dies erhöhe zwar die Wahrscheinlichkeit der Zahlung, begründe aber nicht den erforderlichen Vergangenheitsbezug. Letztlich müssten die Arbeitnehmer auch hier erst in der Zukunft sicherstellen, dass der Schwellenwert nicht unterschritten wird. Letztlich sei Exit zukunftsbezogen und stehe allein im Ermessen der Gesellschafter.
Bewertung der Entscheidung
Bisher wurde die Bildung von Rückstellungen in solchen Fällen zum Teil für zulässig gehalten, wenn die Optionen zum Bilanzstichtag im Geld waren (s. Nachweise in FG Münster vom 01.10.2014 – 9 K 4169/10 K F, DStRE 2017 S. 641). Auf die Wahrscheinlichkeit der Zahlung in der Zukunft kommt es nach Meinung des I. Senats für die Bildung der Rückstellung aber nicht an. Vielmehr kann eine zukunftsbezogene Zahlungsverpflichtung, die auch erst in der Zukunft entsteht, eine Gewinnminderung in der Vergangenheit nicht rechtfertigen. Für solche Zahlungen können also generell keine Rückstellungen gebildet werden.
Für Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, ist diese Entscheidung negativ zu bewerten, da IFRS 2 die Bildung von Rückstellungen für anteilsbasierte Vergütungen handelsbilanziell vorschreibt (anders als das HGB).
Mit dieser Begründung ist außerdem davon auszugehen, dass darunter nicht nur Stock Options fallen, sondern sämtliche bedingten Vergütungsformen mit Zukunftsorientierung und Koppelung an einen Exit, wie z.B. Exit Boni.
Die Entscheidung ist daher aus Unternehmenssicht nicht positiv, sie schafft aber Klarheit und ist in ihrer Begründung durchaus nachvollziehbar.
Ergänzend: Verdeckte Gewinnausschüttungen
Interessant ist in Bezug auf den entschiedenen Fall, dass das FG außerdem geprüft hat, ob die Rückstellungen bzw. entsprechenden Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen qualifiziert werden müssten. Sie seien ja am Unternehmenswert und am Exitergebnis ausgerichtet. Das FG lehnte verdeckte Gewinnausschüttungen eindeutig ab, da die Wertsteigerung des Unternehmens eben nicht nur dem Gesellschafter zugutekomme, sondern auch der Gesellschaft. Insofern erfolge eine solche Zahlung eben auch im Gesellschaftsinteresse. Der BFH musste sich zu dieser Frage mangels Entscheidungserheblichkeit nicht äußern.