Mitarbeiteroption, aber kein Arbeitslohn?!

Dr. Barbara Koch-Schulte, Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Partnerin, P+P Pöllath + Partners, München

Nach der spätestens ab 2005 etablierten ständigen Rechtsprechung (z.B. BFH vom 23.06.2005 – VI R 124/99, DB 2005 S. 1718) ist bei verbilligt oder gratis eingeräumten Optionen auf den Erwerb von Aktien an Mitarbeiter davon auszugehen, dass zwar nicht der Erwerb der Option, aber deren Ausübung (oder anderweitige Verwertung) zum Zufluss von Arbeitslohn führt. Das FG Köln (Urteil vom 24.03.2017 – 7 K 2603/14, EFG 2017 S. 1646) hat nun rechtskräftig klargestellt, dass nicht jede an Mitarbeiter ausgegebene Option bei Ausübung zu Arbeitslohn führt, sondern nur solche Optionen, die auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind.


Ausgangslage

In der Diskussion um die Besteuerung von Mitarbeiteroptionen gerät leicht in Vergessenheit, dass Optionen eben nicht nur als Vergütungsbestandteil gewährt werden, sondern dass es auch „echte“ Optionen gibt, die entgeltlich erworben werden und dem Optionsinhaber das Recht verschaffen, Anteile zu einem vorher festgelegten Preis zu erwerben. Die vom FG Köln zu klärende Frage bestand darin, die Grenze zwischen Mitarbeiteroptionen und echten Optionen zu ziehen. Denn die Ausübung einer echten Option führt gerade nicht zu Arbeitslohn, sondern lediglich zu Anschaffungskosten (zusammen mit dem Optionspreis) auf den Erwerb von Aktien, deren Verkauf wiederum Einkünfte aus Kapitalvermögen  bzw. nicht steuerbare Veräußerungsgewinne veranlasst.

Entschiedener Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall erhielt der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft einer Schweizer AG als Teil eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms einen zinslosen Vorschuss seitens des Arbeitgebers zweckgebunden zum Erwerb von 16.000 Optionen auf Aktien der Muttergesellschaft. Der Vorschuss war nach drei Jahren an den Arbeitgeber zurückzuzahlen und wurde sofort zur Rückzahlung fällig, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Dreijahresfrist geendet hätte.

Außerdem erhielt der Geschäftsführer die Zusage einer Gratifikation, zahlbar ebenfalls nach Ablauf von drei Jahren und dann mit dem gegebenenfalls noch ausstehenden Vorschuss zu verrechnen. Wäre der Geschäftsführer vor Ablauf der Dreijahresfrist seitens des Arbeitgebers gekündigt worden, hätte der Geschäftsführer das Recht gehabt, so gestellt zu werden, als hätte die ganze Transaktion nicht stattgefunden.

Dementsprechend erwarb der Geschäftsführer von einer Bank als Emittentin die entsprechende Anzahl an Optionen zum durch die Bank festgestellten Verkehrswert und investierte neben dem Vorschuss auch noch 38% des Kaufpreises aus eigenen Mitteln. Innerhalb eines guten Jahres erhöhte sich der Kurs der Aktie um etwas mehr als das Doppelte. Daraufhin verkaufte der Geschäftsführer einen Teil seiner Optionen zum dann aktuellen Verkehrswert. Aus dem Veräußerungserlös zahlte er den gewährten Vorschuss vorzeitig zurück.

Das Finanzamt wollte nun nicht nur den Zinsvorteil aus dem Vorschuss als geldwerten Vorteil versteuern, sondern auch den aus dem Verkauf der Optionen realisierten Gewinn. Letztlich zeige die Finanzierung des Erwerbs durch den unverzinslichen Vorschuss und die Zusage der Gratifikation, sowie die Absicht des Arbeitgebers, den Kläger langfristig an das Unternehmen zu binden, dass das Arbeitsverhältnis in dem Optionssachverhalt im Vordergrund stehe.

Grenzen der Rechtsprechung zu Mitarbeiteroptionen

Dieser Argumentation der Finanzverwaltung begegnet man in der Praxis häufig. Dies gilt sogar für Fälle, in denen Mitarbeiter zwar Optionen am Arbeitgeberunternehmen erwerben, diese aber keine Finanzierung seitens des Arbeitgebers erhalten sowie für Fälle, in denen der Sachverhalt auch sonst keine Verbindung zum Arbeitsverhältnis aufweist.

Das FG Köln erörtert dementsprechend zunächst ausführlich die gängige Rechtsprechung zur Abgrenzung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und daneben bestehenden Sonderrechtsbeziehungen einer anderen Einkunftsart. Denn der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen führt nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, weil die Beteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten und veräußert wurde und auch nur Arbeitnehmern im Allgemeinen oder nur bestimmten Arbeitnehmern angeboten wurde (zuletzt BFH vom 04.10.2016 – IX R 43/15, DB 2017 S. 522, m.w.N.).

Dennoch kann der Erwerb einer Beteiligung von dem Arbeitgeber oder auch von einem Dritten zu Arbeitslohn führen, wenn damit ein Vorteil verbunden ist, der für die Arbeitsleistung gewährt wird (BFH vom 07.05.2014 – VI R 73/12, DB 2014 S. 1718). Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsgut tatsächlich verbilligt oder unentgeltlich an den Arbeitnehmer veräußert, also dessen wirklicher Wert den vereinbarten Kaufpreis übersteigt. Der Erwerb eines Wirtschaftsguts zu marktüblichen Konditionen kann beim Arbeitnehmer keinen steuerbaren Vorteil bewirken. Maßgeblich sind insofern die Wertverhältnisse bei Abschluss des für beide Seiten verbindlichen Veräußerungsgeschäfts (interessant insofern die Differenzierung des FG zwischen dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein geldwerter Vorteil vorliegt [Optionsvereinbarung] und der Bewertung des geldwerten Vorteils [Ausübung und Zufluss]).

Dementsprechend hält das FG die Rechtsprechung des BFH zu Mitarbeiteroptionen im Falle eines Erwerbs der Option zum Verkehrswert für nicht anwendbar. Insbesondere habe der BFH selbst ausgeführt, dass Kursgewinne, die aufgrund von verbilligt erworbenen Aktien oder anderen Formen der Mitarbeiterbeteiligung erworben worden wären, in vollen Umfang – nämlich über die Verbilligung hinaus – als Vorteile aus dem Dienstverhältnis zu qualifizieren seien (vgl. BFH vom 17.06.2009 – VI R 69/06, DB 2009 S. 2186).

Marktpreis und Risikotragung als maßgebliche Kriterien für Kapitaleinkommen

Das FG Köln sieht bei einem Optionserwerbsgeschäft zu einem marktüblichen Preis keinen Raum für die Annahme einer dienstlichen Veranlassung. Denn selbst wenn man für den Erwerb eine dienstliche Veranlassung sehen würde, wäre spätestens mit der Übertragung der Optionen in die Verfügungsmacht des Geschäftsführers jedes Leistungsaustauschverhältnis mit dem Arbeitgeber beendet. Dementsprechend konnten auch spätere Wertsteigerungen der Option nicht mehr in diesem Verhältnis begründet sein.

Außerdem bestand für den Geschäftsführer ein erhebliches Verlustrisiko, was ebenfalls gegen eine Veranlassung durch das Dienstverhältnis spricht. Als weiteres Indiz, das gegen eine dienstliche Veranlassung spricht, sieht das FG die Tatsache, dass der Arbeitgeber ab dem Erwerb der Optionen durch den Geschäftsführer an dem weiteren Leistungsaustausch auch gar nicht mehr beteiligt war.

Finanzierung durch den Arbeitgeber irrelevant

Die Argumentation der Finanzverwaltung, dass sich aus der Finanzierung durch den Arbeitgeber und der Zweckrichtung des Optionsprogramms zur Mitarbeiterbindung der Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis ergeben solle, lehnt das FG ab. Denn der Bindungszweck sei bereits durch die Gratifikation und den Vorschuss erreicht worden. Mit der vorzeitigen Rückzahlung des Vorschusses sei der Finanzierungszusammenhang außerdem gelöst worden. Einen weiteren Zusammenhang zwischen Veräußerungsgewinn und Arbeitsverhältnis kann das FG nicht erkennen.

Für die Abgrenzung von Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit und Arbeitslohn kommt es demnach maßgeblich darauf an, ob der Arbeitnehmer eine Kapitalbeteiligung zum Marktpreis erwirbt und effektiv ein Verlustrisiko trägt. Dies gilt auch dann, wenn die sonstigen Umstände des Erwerbs einschließlich der Finanzierung und diverser Haltebedingungen einen Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellen.

Fazit

Die Rechtsprechung arbeitet in Bezug auf die Abgrenzung von Kapitaleinkünften zu Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit immer deutlicher heraus, dass bei einem Erwerb von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zum Marktpreis und einem entsprechenden Verlustrisiko des Mitarbeiters grundsätzlich kein Raum mehr für eine Besteuerung als Arbeitslohn besteht. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, denn den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit ist der Einsatz eigenen Kapitals mit Verlustrisiko schon typologisch fremd. Für die Annahme von Arbeitslohn ist nur dort Raum, wo Leistung und Gegenleistung nicht ausgewogen sind, also ein verbilligter Kaufpreis des Mitarbeiters durch Arbeitsleistung „verdient“ werden kann.

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