Liquidiert eine Muttergesellschaft ihre vermögenslose Tochtergesellschaft oder stimmt sie einer Liquidation zu, obwohl bei der Tochtergesellschaft noch eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Muttergesellschaft besteht, stellt sich die Frage, ob es zu einem steuerpflichtigen Ertrag kommt. Aufgrund der unklaren Rechtslage ist diese Vorgehensweise mit dem Risiko der ertragswirksamen Auflösung von Darlehensverbindlichkeiten und den damit einhergehenden Steuerfolgen verbunden. Die OFD Frankfurt/M. hat sich in ihrer auf Bund-Länder-Ebene abgestimmten Verfügung (Verfügung vom 07.09.2017 – S 2743 A-12-St 525, DB1253544) zu dieser Frage geäußert. Zwar kann die Verfügung der OFD Frankfurt/M. grundsätzlich als positives Signal für den Fortbestand der wirtschaftlichen Belastung bei der Tochtergesellschaft und damit gegen die Entstehung eines steuerpflichtigen Wegfalls der Darlehensverbindlichkeit angesehen werden, endgültig scheint man sich bei der Finanzverwaltung jedoch nicht festlegen zu wollen. Denn die ertragswirksame Auflösung einer Darlehensverbindlichkeit wird – zumindest bei Beendigung der Liquidation – auch durch die Verfügung nicht ganz ausgeschlossen.
Ausgangslage
Plakativ als „Zombie-Unternehmen“ bezeichnete Gesellschaften entstehen, wenn diese wegen Erfolglosigkeit ihren Geschäftsbetrieb einstellen, gleichzeitig aber noch Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gesellschaftern haben, die aufgrund von fehlenden Mitteln nicht zurückgezahlt werden können und es wegen der regelmäßig ausgesprochenen Rangrücktritte auf Gesellschafterdarlehen auch nicht zu einer Insolvenz der Gesellschaften kommt. Weil aber bei einem Verzicht auf die nicht mehr werthaltigen Gesellschafterdarlehen ein steuerpflichtiger Ertrag entsteht und die entstehende Steuerlast schlimmstenfalls zu einer Insolvenz der Tochtergesellschaft und einer Haftung der Geschäftsführung führen kann, werden diese Gesellschaften oftmals nicht liquidiert und führen ihre Existenz in einem Dämmerzustand fort. Teilweise erfolgen auch Liquidationen, in deren Verlauf ausdrücklich nicht auf die Gesellschafterdarlehen verzichtet wird.
Stellungnahme der OFD Frankfurt/M.
In ihrer Verfügung geht die OFD Frankfurt/M. von folgendem Sachverhalt aus: Mutter- und Tochtergesellschaft (beides Kapitalgesellschaften) haben eine Darlehensvereinbarung getroffen. Die Muttergesellschaft beschließt zu einem späteren Zeitpunkt die Auflösung und Liquidation der vermögenslosen Tochtergesellschaft bzw. stimmt dieser zu. Hierbei erklärt die Muttergesellschaft hinsichtlich ihrer Darlehensforderung ausdrücklich keinen Forderungsverzicht. In diesem Zusammenhang hat die OFD Frankfurt/M. dazu Stellung genommen, ob bereits in der Beantragung der Liquidation bzw. in der Zustimmung zu dieser ein konkludenter Forderungsverzicht der Muttergesellschaft zu sehen ist. Dieser würde bei der Tochtergesellschaft zum Wegfall der wirtschaftlichen Belastung führen, wodurch wiederum ein steuerpflichtiger Ertrag in Höhe der Darlehensverbindlichkeit entstünde.
Fortbestand der wirtschaftlichen Belastung während des Liquidationsverfahrens
Mit ihrer Verfügung hat die OFD Frankfurt/M. nun klargestellt, dass nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder in der Beantragung der Liquidation der Tochtergesellschaft bzw. in der Zustimmung zu dieser noch kein konkludenter Forderungsverzicht der Muttergesellschaft zu sehen ist. Zumindest die Eröffnung eines Liquidationsverfahrens soll danach per se nicht zur Ausbuchung der Darlehensverbindlichkeit führen. Dies stellt aber im Grunde eine Selbstverständlichkeit dar, da die mit der Verbindlichkeit verbundene wirtschaftliche Belastung auch während des Liquidationsverfahrens fortbesteht.
Positives Signal für den Fortbestand der wirtschaftlichen Belastung bei Abschluss des Liquidationsverfahrens
Ungleich interessanter ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation. Allerdings trifft die OFD Frankfurt/M. in ihrer Verfügung keine konkrete Aussage zur Behandlung von solchen Darlehensverbindlichkeiten, die bis zum Abschluss der Liquidation fortbestehen. Zwar weist die OFD Frankfurt/M. einerseits darauf hin, dass Verbindlichkeiten über die Liquidation hinaus fortbestehen und bei später festgestelltem Vermögen im Rahmen einer Nachlassliquidation befriedigt werden können. Verbindlichkeiten seien deshalb grundsätzlich auch in der Liquidationsschlussbilanz mit ihrem Nennwert zu berücksichtigen. Andererseits stellt die OFD Frankfurt/M. gleichzeitig klar, dass die wirtschaftliche Belastung dennoch wegfällt, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse anzunehmen ist, dass die Muttergesellschaft ihre Darlehensforderung nicht mehr geltend machen wird. Kriterien, bei denen von einem endgültigen Verzicht auf die Geltendmachung auszugehen ist, nennt die OFD Frankfurt/M. allerdings nicht, sondern verweist lediglich darauf, dass besondere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Aufgrund dieser abstrakten und floskelhaften Einschränkung der zuvor gemachten Aussagen, ist dem Steuerpflichtigen nur wenig geholfen.
Es bleibt also auch nach der vermeintlich klärenden Verfügung der OFD Frankfurt/M. fraglich, ob Darlehensverbindlichkeiten tatsächlich auch bei Abschluss der Liquidation einer Gesellschaft fortbestehen oder ob diese unberücksichtigt bleiben und somit letztendlich doch zur Entstehung steuerpflichtiger Erträge führen.
Fazit
Trotz des Fehlens einer eindeutigen Stellungnahme der OFD Frankfurt/M. legt die Verfügung nahe, dass Darlehensverbindlichkeiten in der Regel auch bei Beendigung der Liquidation weiter im Abwicklungsendvermögen der Gesellschaft mit ihrem Nennwert berücksichtigt werden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche in der Verfügung erwähnten besonderen Einzelfallkonstellationen im Laufe eines Liquidationsverfahrens auftreten sollten, die bei sonst gleichbleibenden Umständen zum Wegfall der mit einer Darlehensschuld verbundenen wirtschaftlichen Belastung führen könnten oder ob sich die Finanzverwaltung hier möglichweise nur eine flexible Öffnungsklausel für als missbräuchlich empfundene Konstellationen offen halten wollte.
Nichtsdestotrotz ist die Verfügung der OFD Frankfurt/M. nicht eindeutig genug, um endgültig Rechtssicherheit zu schaffen und die aktuelle Praxis zu beenden, nach welcher Gesellschaften, die eigentlich zu liquidieren wären, einzig wegen des Risikos der Entstehung von steuerpflichtigen Erträgen fortgeführt werden. Die Verfügung der OFD Frankfurt/M. könnte jedoch dann zur Klärung der Rechtslage beitragen, wenn sie als Grundlage für die Erteilung von verbindlichen Auskünften durch die zuständigen Finanzämter herangezogen werden kann. In der Praxis werden entsprechende Auskunftsanträge zum Teil jedoch unter Verweis auf eine – vermeintlich – klare Rechtslage zurückhaltend behandelt, so dass die verbleibende Rechtsunsicherheit auch auf diesem Wege nicht restlos ausgeräumt werden kann. Es wäre wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung die Verfügung hinsichtlich der Behandlung der Verbindlichkeiten zum Abschluss der Liquidation überarbeiten würde und so die steuerlich sichere Abwicklung von stillgelegten Gesellschaften ermöglichen würde.