Erbschaftsteuerbefreiung von Unternehmensvermögen – der bayerische Sonderweg

RA Dipl.-Fw. (FH) Tobias Völkel, Associate bei P+P Pöllath + Partners, München

Durch den koordinierten Ländererlass vom 22.06.2017 (BStBl. I 2017 S. 902 = VA1245300) haben bis auf Bayern sämtliche Bundesländer einheitlich Stellung zur Anwendung der geänderten Vorschriften für die Erbschaftsteuerbefreiung von Unternehmensvermögen genommen. Mit Verfügung vom 14.11.2017 (DStR 2017 S. 2554) hat sich nun die bayerische Finanzverwaltung den anderen Bundesländern angeschlossen. In zwei Punkten weicht Bayern allerdings (berechtigterweise) ausdrücklich von der Sichtweise der übrigen Bundesländer ab.

Der Sonderweg Bayerns

  • Minderung verfügbares Vermögen um Erbschaftsteuerbelastung
    Im Rahmen des sog. „Erlassmodells“ ist bei der Ermittlung des verfügbaren Vermögens i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG abweichend von Abschn. 28a.2 Abs. 2 Satz 6 des koordinierten Ländererlasses der Wert des verfügbaren Vermögens um die auf den steuerpflichtigen Erwerb entfallende Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu mindern.
  • Kein junges Verwaltungsvermögen bei konzerninternen Umstrukturierungen
    Wenn innerhalb eines Konzerns im Zweijahreszeitraum vor der Steuerentstehung Gegenstände des Verwaltungsvermögens oder Finanzmittel zwischen einzelnen Beteiligungsebenen oder Beteiligungssträngen übertragen werden, sind diese entgegen dem koordinierten Ländererlass nicht als schädliches (junges) Verwaltungsvermögen zu behandeln (§ 13b Abs. 7 Satz 2 ErbStG).

Verfahrensrechtliche Folgeprobleme

1. Bestimmung des verfügbaren Vermögens

Die Voraussetzungen des „Erlassmodells“ (§ 28a ErbStG) werden ausschließlich vom Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzamt beurteilt. Berücksichtigt Bayern die Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung bei der Bestimmung des verfügbaren Vermögens (§ 28a Abs. 2 ErbStG), führt dies zwar mangels länderübergreifender Feststellung nicht zu verfahrenrechtlichen Verwerfungen. Allerdings können dadurch auch nur Steuerpflichtige in Bayern von der günstigen Auffassung profitieren.

2. Qualifikation als junges Verwaltungsvermögen

Das junge Verwaltungsvermögen wird von den Betriebsstätten-Finanzämtern gesondert festgestellt (§ 13b Abs. 10 Satz 1 ErbStG). Diese Feststellung ist als Grundlagenbescheid für die Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzämter bindend (§ 171 Abs. 10 i.V.m. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO). Befindet sich eines der beteiligten Finanzämter in Bayern und das andere im übrigen Bundesgebiet, ergeben sich nunmehr zwei Fallgruppen, die es zu unterscheiden gilt (ZEV 2017 S. 735):

  • Feststellungs-Finanzamt in Bayern und Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzamt im übrigen Bundesgebiet
    Das bayerische Feststellungs-Finanzamt legt im Grundlagenbescheid seine für den Steuerpflichtigen günstige Sichtweise zugrunde. An diese Feststellung ist das Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzamt gebunden, auch wenn es die Feststellung inhaltlich für falsch hält. Damit können auch Steuerpflichtige außerhalb Bayerns von der günstigen Auffassung profitieren.
  • Feststellungs-Finanzamt im übrigen Bundesgebiet und Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzamt in Bayern
    Das Feststellungs-Finanzamt legt im Grundlagenbescheid seine für den Steuerpflichtigen ungünstige Sichtweise zugrunde. Hieran ist das bayerische Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzamt gebunden, auch wenn es die hierdurch festzusetzende Steuer als zu hoch ansieht.
    Auch ein (außergerichtliches) Rechtsbehelfsverfahren hilft dem Steuerpflichtigen in diesem Fall nicht weiter. Aufgrund der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids wäre dieses gegen den Feststellungsbescheid beim Feststellungs-Finanzamt zu führen. Aufgrund der eindeutigen Verwaltungsanweisung hätte der Steuerpflichtige aber im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren keinen Erfolg. Auch ein Antrag auf Erlass der Steuer aus sachlicher Unbilligkeit (§ 227 AO) beim bayerischen Erbschaft- und Schenkungsteuer-Finanzamt dürfte indes ausscheiden, denn § 227 AO ist kein Mittel, um versäumte Rechtsbehelfe zu ersetzen. Gegen eine unrichtige Steuerfestsetzung muss sich der Steuerpflichtige im Wege des außergerichtlichen und ggf. gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zur Wehr setzen. Letzteres bleibt dem Steuerpflichtigen unbenommen, denn die Gerichte sind in ihrer Entscheidung nicht an die Verwaltungsauffassung gebunden. Will der Steuerpflichtige also von der günstigen bayerischen Auffassung profitieren, ist ihm zu raten, sich gerichtlich gegen den Feststellungsbescheid zu wehren.

Fazit

Der weitgehende Anschluss Bayerns an den koordinierten Ländererlass ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu begrüßen. Die bayerischen Vorbehalte sind in der Sache richtig und für den Steuerpflichtigen günstig. Leider ist nicht zu erwarten, dass sich die anderen Bundesländer dieser Sichtweise anschließen. Deshalb wäre eine zeitnahe höchstrichterliche Klärung wünschenswert. Bis dahin führt die unterschiedliche Handhabe in Bayern und im übrigen Bundesgebiet in der Praxis zu Schwierigkeiten, da nun neben der ohnehin bereits hohen Komplexität der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen zusätzlich auch noch die geographische Lage des Vermögens und die damit einhergehenden unterschiedlichen Verwaltungsauffassungen beachtet werden müssen.

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