Margenbesteuerung für Reiseleistungen europarechtswidrig

StB, Dipl.-FW (FH) Ronny Langer, Partner bei KÜFFNER MAUNZ LANGER ZUGMAIER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Die EU-Kommission hatte gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren (Rs. C-380/16) angestrebt, weil sie der Auffassung war, dass § 25 UStG europarechtswidrig sei. Am 08.02.2018 hat der EuGH hierzu sein Urteil veröffentlicht (RS1263161) und – wenig überraschend – die Auffassung der Kommission bestätigt. Dieser Ausgang hatte sich spätestens nach dem Urteil des EuGH vom 26.09.2013 in der Rs. Kommission/Spanien (Rs. C-189/11, RS0849101) angedeutet.

EuGH lehnt Reisendenmaxime und Gesamtgewinnmarge ab

Der EuGH hatte bereits in seinem Urteil vom 26.09.2013 (RS0849101) ausführlich dargelegt, dass die Sonderregelung für Reiseleistungen gem. Art. 306 bis 310 MwStSystRL nicht auf Leistungen an Nichtunternehmer oder für den nichtunternehmerischen Bereich eines Unternehmers (B2C) eingeschränkt werden kann. Der EuGH hatte deshalb die sog. „Reisendenmaxime“ abgelehnt. Die Ziele der Sonderregelung für Reiseleistungen seien mit der sog. „Kundenmaxime“ (B2B) besser erreichbar. Die Margenbesteuerung sei daher auch auf Reiseleistungen an Unternehmer anzuwenden. Dies hat der EuGH in seinem Urteil vom 08.02.2018 bestätigt (Rs. C-380/16, RS1263161).

In seinem Urteil vom 26.09.2013 hatte der EuGH zudem bereits der pauschalen Ermittlung der Gewinnmarge eine Absage erteilt. Eine solche Ermittlung sei nach dem Wortlaut der MwStSystRL schlichtweg nicht zulässig. Diese Begründung hat der EuGH im Urteil vom 08.02.2018 wiederholt.

Entscheidung zu Einzelleistungen und ermäßigtem Steuersatz steht noch aus

Noch nicht endgültig geklärt wurde die Frage, ob die Margenbesteuerung nur für Leistungsbündel anwendbar ist oder auch für Einzelleistungen. Der BFH hatte jedenfalls Zweifel und fragte deshalb den EuGH mit Vorlagebeschluss vom 03.08.2017 (V R 60/16, DB 2017 S. 2208), ob die Überlassung einer Ferienwohnung, bei der zusätzliche Leistungselemente nur Nebenleistungen sind, der Margenbesteuerung unterliegt.

In diesem Beschluss hat der BFH dem EuGH zudem die Frage vorgelegt, ob bei Reiseleistungen der ermäßigte Steuersatz für Beherbergung zur Anwendung kommen kann. Diese Frage stellt sich zwar nicht bei einem Bündel von verschiedenen Leistungen, wäre aber relevant, wenn der EuGH die Qualifizierung von Einzelleistungen als Reiseleistungen für möglich erachten würde.

Doppel- und Nichtbesteuerungen möglich

Einige EU-Mitgliedstaaten haben schon immer die Margenbesteuerung für Reiseleistungen im B2B-Bereich angewendet, andere haben ihre Steuergesetze nach dem EuGH-Urteil vom 26.09.2013 entsprechend angepasst. Es gibt aber neben Deutschland auch noch weitere Mitgliedstaaten, die die Margenbesteuerung auf B2C-Leistungen limitieren. Hinzu kommt, dass es in den verschiedenen Mitgliedstaaten neben weiteren Interpretationsunterschieden abweichende Auffassungen darüber gibt, ob Einzelleistungen als Reiseleistungen anzusehen sind. Somit kann das Erbringen grenzüberschreitender Leistungen Doppel- oder Nichtbesteuerungen zur Folge haben. Unerwünschte Wirkungen sollten vermieden werden können, indem man sich direkt auf die EuGH-Rechtsprechung beruft.

Es ist zudem zu beachten, dass jedes Unternehmen betroffen sein kann, auch wenn es nicht auf den ersten Blick als „Reisebüro“ oder „Reiseveranstalter“ entsprechend dem Wortlaut der MwStSystRL erscheint. Demzufolge könnten z.B. auch die Weiterbelastungen von Leistungen innerhalb eines Konzerns der Margenbesteuerung unterliegen und der Vorsteuerabzug dann ausgeschlossen sein.

Blick nach Österreich

Auch Österreich hatte bereits erkannt, dass die Beschränkung der Sonderregelungen für Reiseleistungen auf B2C-Umsätze europarechtswidrig ist. Ende 2015 wurde daher beschlossen, den § 23 öUStG mit Wirkung ab 01.01.2017 entsprechend anzupassen. Das Inkrafttreten wurde allerdings auf den 01.05.2019 verschoben. Die Margenbesteuerung soll dann auch für Reiseleistungen anwendbar sein, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht werden (B2B). Weitere Voraussetzung wäre aber, dass die Reiseleistung letztlich einem nichtunternehmerisch Reisenden zugutekommt. Dies dürfte die Unternehmen vor praktische Schwierigkeiten stellen, weil der Status des Endkunden durch die gesamte Leistungskette bekannt sein muss. Zudem bleibt fraglich, ob diese Einschränkung europarechtskonform ist.

Praxisfolgen

Hauptauswirkung wird ein eingeschränkter Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen für B2B-Reiseleistungen sein. Außerdem wird bei B2B-Reiseleistungen nur noch eine Umsatzsteuer auf die Marge anstatt auf das volle Entgelt berechnet werden müssen. Für ausländische Reiseveranstalter wird es zudem in Deutschland keine Registrierungspflicht mehr geben aufgrund des Steuerschuldübergangs beim Bezug von in Deutschland erbrachten Leistungspaketen ausländischer Sub-Unternehmer.

Für Kalkulationen und Angebote sowie Verträge, die künftige Projekte betreffen, sollten die bevorstehenden steuerlichen Änderungen bereits vorsorglich berücksichtigt werden. Ein Ausgleich umsatzsteuerlicher Mehr- oder Minderbelastungen nach § 29 UStG ist nur möglich, wenn der Vertrag innerhalb der 4-Monats-Frist geschlossen wurde.

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