Das FG Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 21.03.2018 (1 K 1/16, RS1269466) entschieden, dass der sog. „Einbringungsgewinn II“ (§ 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG) aus einer – vollumfänglichen – Verletzung der Sperrfrist gewerbesteuerfrei zu stellen ist. Dies soll gelten, wenn die Einbringung der Anteile an der Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert ebenfalls nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wäre. Damit begibt sich das FG erstmals auf das schwierige und umstrittene gewerbesteuerliche Terrain, das die Änderungen des UmwStG durch das SEStEG im Jahr 2006 mit sich gebracht haben.
Ausgangslage
Die durch Einbringungen in Kapitalgesellschaften möglichen Statusverbesserungen will der Gesetzgeber seither durch Sperrfristen von jeweils sieben Jahren abfangen. Eine Verletzung der Sperrfrist löst insoweit eine – rückwirkende – Besteuerung des Einbringungsgewinns I oder II aus, je nachdem, welche Wirtschaftsgüter ursprünglich begünstigt eingebracht worden sind. Ob allerdings der Einbringungsgewinn I und II jeweils der Gewerbesteuer unterliegt, wird uneinheitlich beantwortet.
Die Finanzverwaltung vertritt für den Einbringungsgewinn II insoweit eine restriktive – fiskalfreundliche – Auffassung (BMF vom 11.11.2011, Umwandlungssteuererlass, DB0464115, Rz. 22.13). Danach soll der Einbringungsgewinn II, wenn „Anteile im Betriebsvermögen“ eingebracht worden sind, zum Gewerbeertrag gehören. Gegen diese Auffassung hat sich nun das FG Schleswig-Holstein mit seinem Urteil vom 21.03.2018 (1 K 1/16, RS1269466) gestellt.
Sachverhalt
Der komplexe Sachverhalt lässt sich für Zwecke dieser Fragestellung auf eine Einbringung einer Kommanditbeteiligung durch zwei Eheleute im Streitjahr 2010 herunterbrechen. Diese wurde in eine GmbH gegen Ausgabe neuer Anteile vorgenommen und antragsgemäß zum Buchwert (§ 20 Abs. 2 UmwStG) durchgeführt. Aus steuerlicher Sicht gehörten zum Sonderbetriebsvermögen II der Einbringenden bei der eingebrachten Kommanditgesellschaft auch Anteile an Kapitalgesellschaften, die somit „miteingebracht“ wurden (§ 22 Abs. 1 Satz 5 Hs. 1 UmwStG). Noch im selben Jahr veräußerte die übernehmende GmbH die Anteile an der KG und die miteingebrachten Anteile an den Kapitalgesellschaften.
Der entstehende Einbringungsgewinn II wurde – unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – bei der Einkommensteuer für die Eheleute für das Jahr 2010 berücksichtigt. Gewerbesteuerlich war insoweit die KG als Schuldnerin der Gewerbesteuer angesprochen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Das FA wollte bei der Klägerin, der Gesamtrechtsnachfolgerin der eingebrachten KG, rückwirkend Gewerbesteuer auf den – ebenfalls durch das Teileinkünfteverfahren gemilderten – Einbringungsgewinn II ansetzen. Insoweit war das FA an die Vorgaben des UmwStE, Rz. 22.13, gebunden.
Gegen dieses Vorgehen ging die Klägerin mit dem Argument vor, auch bei unmittelbarer Einbringung zum gemeinen Wert wäre bei ihr keine Gewerbesteuer angefallen: Dann hätte es sich um einen Betriebsaufgabegewinn natürlicher Personen gehandelt. Dieser sei nach der Regelung des § 7 Satz 2 GewStG nicht gewerbesteuerpflichtig (siehe dazu auch die Entscheidung des BVerfG vom 10.04.2018 – 1 BvR 1236/11, RS1267788; Weggenmann, HB-Steuerboard vom 13.04.2018). Bei einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II (§ 22 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) könne dies nicht anders sein. Das FA hingegen war der Auffassung, dass das Gesetz mit der Formulierung „als Gewinn des Einbringenden aus der Veräußerung von Anteilen“ in § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zu erkennen gebe, dass es sich gerade nicht um eine fiktive Betriebsaufgabe handele.
Entscheidungsgründe
Das FG Schleswig-Holstein hat jedoch der Klage u.E. zu Recht stattgegeben. Den Gesetzesmaterialien entnimmt das Gericht, dass die vom FA angeführte Formulierung des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG keine gesonderte Behandlung für Gewerbesteuerzwecke rechtfertige. Mit Rückendeckung durch Stimmen im Schrifttum bestätigt das FG vielmehr: Der von der Klägerin angeführte Vergleich mit der gewerbesteuerlichen Behandlung, die bei ursprünglicher Einbringung zum gemeinen Wert richtig gewesen wäre, ist stimmig. Dann wäre das Sonderbetriebsvermögen II ebenfalls von der Steuerfreiheit bei der Gewerbesteuer umfasst gewesen (so zuletzt BFH vom 03.12.2015 – IV R 4/13, BStBl. II 2016 S. 544 = DB 2016 S. 388).
Sinn und Zweck der im Streitfall verletzten Sperrfrist des § 22 Abs. 2 UmwStG sei es, eine Flucht in die körperschaftsteuerliche Freistellung des § 8b Abs. 2 KStG zu vermeiden. Für die gewerbesteuerliche Behandlung lasse sich daraus jedoch nichts herleiten. Diese müsse auf dem Vergleich mit der gewerbesteuerlichen Behandlung bei Einbringung zum gemeinen Wert beruhen. Auch die sog. „Siebtelregelung“, nach der der Einbringungsgewinn für jedes abgelaufene Jahr um ein Siebtel zu mindern ist, könne dies nicht ändern. Zudem war die Regelung im Streitfall nicht einschlägig, da die schädliche Veräußerung noch im Jahr der Einbringung vorgenommen wurde.
Einordnung und Ausblick
Durch die Einführung von siebenjährigen Sperrfristen in § 22 Abs. 1 und § 22 Abs. 2 UmwStG wollte der Gesetzgeber der Statusverbesserungen Herr werden, die sich durch steuerneutrale Einbringungsvorgänge nach dem UmwStG ergeben können. Wer etwa seinen einkommensteuerlichen Betrieb in eine Kapitalgesellschaft einbringt und sich der Möglichkeit des § 20 Abs. 2 UmwStG, die Buchwerte dabei anzusetzen, bedient, kann sich von einer vollen Besteuerung hin zum Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG) bei einer Veräußerung verbessern. Als Leitlinie ist damit der Vergleich vor und nach der Einbringung gerechtfertigt. Ausnahmen gelten nur dann, wenn das Gesetz gewisse Regeln, die vor der Einbringung noch gegolten hätten, bewusst außer Kraft setzt, wie etwa die – unstreitig auch bei sofortiger Verletzung der Sperrfrist nicht geltenden – §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 UmwStG).
Für Zwecke der Gewerbesteuer hat der Gesetzgeber dies jedoch unterlassen, während er für den Verschmelzungsteil des UmwStG mit den §§ 18, 19 UmwStG detaillierte gewerbesteuerliche Regelungen vorgeschrieben hat. Auffällig ist dabei insbesondere die Parallele zum „gewerbesteuerlichen Sondertatbestand“ des § 18 Abs. 3 UmwStG: Dieser zeigt, dass ein „spezialgesetzlicher Ausnahmetatbestand“ (so BFH vom 28.02.2013 – IV R 33/09, RS0767860 = BFH/NV 2013 S. 1122) für Veräußerungsgewinne bei der Gewerbesteuer aufgrund einer umwandlungssteuerrechtlichen Sperrfrist der gesetzlichen Anordnung bedarf. Dass dies nicht geschehen ist, korrespondiert damit, dass die Privilegierung des § 20 Abs. 2 UmwStG selbst nach Verwaltungsansicht keine Verhaftung des eingebrachten Betriebsvermögens mit Gewerbesteuer voraussetzt (UmwStE Rz. 20.19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Rz. 03.17.).
Dementsprechend können sich bei § 22 Abs. 1 und 2 UmwStG nachteilige gewerbesteuerliche Folgen der Sperrfristverletzungen – wie im ganzen Einbringungsteil des UmwStG – allenfalls nach den allgemeinen Regeln begründen lassen. Diese bestehen hier in § 2 GewStG (sachliche Gewerbesteuerpflicht) und §§ 7 ff. GewStG (Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage „Gewerbeertrag“). Danach wäre die Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils an der KG als Rechtsvorgängerin der Klägerin gewerbesteuerfrei gewesen (§ 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG). Genau so muss u.E. auch die rückwirkende Behandlung unter § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG vorgenommen werden.
Damit ist die Aussage des UmwStE in Rz. 22.13 nicht zwingend entkräftet. Denn diese bezieht sich u.E. nicht auf den – eher speziellen – Fall einer „Miteinbringung“ von Anteilen, sondern auf den Fall einer isolierten Einbringung von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter dem gemeinen Wert nach § 21 UmwStG („Anteilstausch“). Dass sich bei einer Verletzung der dabei entstandenen Sperrfrist nach § 22 Abs. 2 UmwStG gewerbesteuerlich andere Folgen einstellen können, leuchtet ein.
Allerdings ist der Anwendungsbereich für einen gewerbesteuerlichen Aufgriff nach der Verwaltungsmeinung auch hier eng: Bei Einbringung von Anteilen nach § 17 EStG kann es keine rückwirkende gewerbesteuerliche Erfassung geben, da bei Direktveräußerung keine Gewerbesteuer angefallen wäre (R 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GewStR). Bei Anteilen, die von § 8b KStG-berechtigten Körperschaften eingebracht werden, entsteht ohnehin bereits nach allgemeinen Regeln keine Sperrfrist. Damit bleiben für den Fall der Rz. 22.13 Satz 3 nur noch Anteile im Betriebsvermögen einer natürlichen Person oder Personengesellschaft – soweit natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar Mitunternehmer sind. Zudem müssen diese Rechtsträger sachlich gewerbesteuerpflichtig sein (§ 2 GewStG), damit sich die Frage überhaupt stellt.
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Damit wird die Klärung dieser Frage möglicherweise bald beim BFH anstehen. Auch die parallele Behandlung des Einbringungsgewinns I nach § 22 Abs. 1 UmwStG könnte dann weiter in den Fokus rücken.