Die Rückabwicklung einer Anteilsveräußerung als rückwirkendes Ereignis nach § 17 EStG

RA Dr. Nico Fischer, Partner bei P+P Pöllath + Partners, München

Nachträgliche Kaufpreisänderungen wirken bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 Satz 1 und 2 KStG gewinnmindernd bzw. -erhöhend auf den Veräußerungszeitpunkt zurück (BMF vom 24.07.2015, DB 2015 S. 1754; vgl. dazu Fischer, Steuerboard vom 07.10.2015). Doch wie wirkt es sich aus, wenn nicht lediglich der Kaufpreis nachträglich geändert wird, sondern der Anschaffungsvorgang als solcher rückwirkend wegfällt? Mit seinem Urteil vom 06.12.2016 (IX R 49/15, DB 2017 S. 1187) hat der BFH entschieden, dass auch in der Rückabwicklung eines noch nicht vollständig erfüllten Kaufvertrags ein rückwirkendes Ereignis zu sehen sein kann, wodurch ein Veräußerungsgewinn wieder entfällt. Demgegenüber führt die Rückabwicklung eines vollständig erfüllten Kaufvertrags nur zum Entfall eines Veräußerungsgewinns, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt war.

Steuerliche Auswirkung von Rückabwicklungen

Unternehmenskaufverträge werden oftmals aufschiebend bedingt geschlossen und sind z.B. an die Erteilung einer wettbewerbsrechtlichen oder ähnlichen Genehmigung geknüpft. Kommt es nach der beidseitigen Vertragserfüllung nachträglich zum Wegfall der Bedingung, etwa weil eine bereits erteilte Genehmigung widerrufen wird, muss der Unternehmenskauf und die Übertragung der Geschäftsanteile rückabgewickelt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie und wann sich die Rückabwicklung steuerlich auswirkt.

Ob der Wegfall des Veräußerungsgeschäfts an sich als rückwirkendes Ereignis bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns berücksichtigt werden kann, war bislang ungeklärt. Ohne rückwirkende Berücksichtigung könnte der Rückabwicklungsvorgang bei dem früheren Veräußerer als erneute (Wieder-)Anschaffung gesehen werden und bei dem früheren Erwerber dementsprechend als erneute (Wieder-)Veräußerung. Handelt es sich bei der Rückabwicklung jedoch um ein rückwirkendes Ereignis, käme es beim Veräußerer zum rückwirkenden Wegfall eines bereits entstandenen Veräußerungsgewinns (bzw. -verlusts) und beim Erwerber zu entsprechenden Auswirkungen auf die Anschaffungskosten.

BFH erweitert Anwendungsbereich rückwirkender Ereignisse bei Veräußerungsgeschäften

Der BFH hat in seinem Urteil vom 06.12.2016 – IX R 49/15 (DB 2017 S. 1187) den Anwendungsbereich rückwirkender Ereignisse bei Veräußerungsgeschäften nach § 17 EStG dahingehend erweitert, dass auch Anschaffungsvorgänge als solche aufgrund rückwirkender Ereignisse entfallen können. In der Entscheidung wurde die einvernehmliche Rückabwicklung eines Kaufvertrags als rückwirkendes Ereignis und nicht als weitere Veräußerung des Ersterwerbers bzw. Rückerwerb durch eine weitere Anschaffung des Erstveräußerers qualifiziert.

Der BFH gibt damit die frühere Rechtsprechung des I. Senats (BFH vom 21.10.1999 – I R 43, 44/98) auf. In dieser Entscheidung war der BFH noch davon ausgegangen, dass die Rückübertragung einer wesentlichen Beteiligung durch einen getäuschten Erwerber an den Veräußerer einen erneuten Veräußerungsvorgang darstellt. In der neuen Entscheidung verweist der BFH darauf, dass nachträgliche Ereignisse wie die Änderung des Veräußerungspreises im Zeitpunkt der Vertragserfüllung zu berücksichtigen seien, da nur der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn besteuert werden solle (vgl. BFH vom 13.10.2015 – IX R 43/14, DB 2016 S. 88 und vom 19.07.1993 – GrS 2/92, DB 1993 S. 2568). Diese beiden Entscheidungen bezogen sich jedoch lediglich auf nachträgliche Änderungen des Veräußerungspreises. Erst in der neuen Entscheidung vom 06.12.2016 musste sich der BFH erneut mit der Rückgängigmachung der Veräußerung bzw. der Anschaffung als solche beschäftigen. Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns komme es auf den tatsächlich erzielten Veräußerungspreis an. Dies erfordere es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt habe. Entfalle der Veräußerungspreis rückwirkend in voller Höhe, sei die Veräußerung insgesamt rückgängig gemacht.

Rückwirkung trotz Vertragserfüllung?

Der BFH stellt jedoch ausdrücklich fest, dass der rückwirkende Wegfall einer Anschaffung grundsätzlich nur in Betracht komme, wenn der Vertrag noch nicht beiderseits vollständig erfüllt sei. Vor diesem Hintergrund wäre eine nach vollständiger Vertragserfüllung erfolgende Rückabwicklung als weitere Veräußerung zu qualifizieren.

Als Rückausnahme dieser Einschränkung kommt eine steuerliche Rückwirkung auch nach dem Zeitpunkt einer vollständigen Vertragserfüllung in Betracht, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung bereits „im Kern“ im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt war (vgl. BFH vom 19.08.2003 – VIII R 67/02, DB 2003 S. 2748). In jener BFH-Entscheidung war der Eintritt einer auflösenden Bedingung als im Vertrag angelegt und damit als rückwirkendes Ereignis qualifiziert worden. Der Wegfall einer aufschiebenden Bedingung sollte dem Eintritt einer auflösenden Bedingung gleichgestellt sein. Vor diesem Hintergrund sprechen gute Gründe dafür, dass auch die Rückabwicklung einer vollständig erfüllten Anteilsveräußerung nach Wegfall einer aufschiebenden Bedingung als rückwirkendes Ereignis anzusehen ist.

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