Weicher Brexit im Steuerrecht? (Brexit-StBG und Änderung des UmwG)

RA Gerald Herrmann, Counsel bei P+P Pöllath + Partners, München

Mit seinem am 29.03.2017 erklärten Austritt aus der EU hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland eine zweijährige Frist in Gang gesetzt, mit deren Ablauf die EU-Mitgliedschaft automatisch endet. Anlässlich des am 29.03.2019 geplanten Brexit hat die Bundesregierung den Entwurf des Gesetzes über steuerliche Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union vorgelegt (Brexit-StBG). Mit Wirksamwerden des Austritts ist das Vereinigte Königreich steuerlich als Drittland zu qualifizieren. Folge hiervon ist, dass eine Reihe steuerlicher Begünstigungen auf Sachverhalte mit Bezug zum Vereinigten Königreich keine Anwendung mehr finden werden. Bislang noch offen ist, ob die mit dem Brexit einhergehenden steuerlichen Implikationen durch die Vereinbarung einer Übergangsfrist entschärft werden.

Vereinigtes Königreich als Drittstaat

Die wohl wichtigste Klarstellung im Brexit-StBG findet sich darin, dass eine Behandlung des Vereinigten Königreichs als Drittstaat nur dann steuerlich relevante Tatbestandsmerkmale verwirklicht, wenn die Handlung des Steuerpflichtigen nach dem Brexit bzw. Ablauf einer in einem eventuellen Austrittsabkommen vereinbarten Übergangsfrist erfolgt. Allein der Austritt Großbritanniens hätte also zunächst keine steuerlich nachteiligen Auswirkungen für den Steuerpflichtigen.

Daneben trat am 01.01.2019 anlässlich des bevorstehenden harten Brexit das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes in Kraft. Hintergrund hier ist der bevorstehende Verlust der Anerkennung von Gesellschaften nach britischem Recht mit Verwaltungssitz in Deutschland.

Nachfolgend sollen kurz die wichtigsten Änderungen nach dem 29.03.2019 skizziert werden:

Wegzugsbesteuerung

Die sog. Wegzugsbesteuerung wird durch den Wegzug oder die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person ins Ausland ausgelöst. Hierbei wird die Veräußerung von Anteilen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG fingiert und einer Besteuerung unterworfen. Beim Umzug ins EU- oder EWR-Ausland wird die Steuer bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile zinslos gestundet, erst bei tatsächlicher Veräußerung der Anteile wird die Steuer fällig. Ab dem Austrittsstichtag würde diese Stundung deshalb für unbeschränkt steuerpflichtige Personen wegfallen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bereits vor dem Brexit nach Großbritannien verlegt haben.

Das Brexit-StBG soll hier mittels eines neuen § 6 Abs. 8 AStG klarstellen, dass es für die Zwecke der Wegzugsbesteuerung einer aktiven Handlung des Steuerpflichtigen bedarf. Der Austritt Großbritanniens allein soll deshalb nicht zum Wegfall der zinslosen Stundung bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile führen. So würden „Altfälle“ Bestandsschutz unter dem Aspekt der Wegzugsbesteuerung erhalten und weiterhin von einer zinslosen und zeitlich unbegrenzten Steuerstundung profitieren.

Liquidationsbesteuerung

Mit der Rechtslage bei der Wegzugsbesteuerung vergleichbar ist für Kapitalgesellschaften die Liquidationsbesteuerung. Steuerrelevanter Tatbestand ist hierbei die Verlegung der Geschäftsleitung oder des Sitzes ins Ausland. Die Rechtsfolgen hierbei richten sich nach dem Zielland. Liegt dieses innerhalb der EU/dem EWR, so erstreckt sich die Besteuerung nur auf einzelne Wirtschaftsgüter. Wenn sich das Zielland außerhalb der EU bzw. dem EWR befindet, wird die Auflösung der Gesellschaft fingiert und die Liquidationsbesteuerung (§ 12 Abs. 3 KStG i.V.m. § 11 KStG) ausgelöst.

Auch hier soll das Brexit-StBG mittels eines neu gefassten § 12 Abs. 3 Satz 4 KStG eingreifen. Für die Verwirklichung des Tatbestands soll auch hier eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen nötig sein und der bloße Austritt Großbritanniens allein deshalb nicht für die Auslösung der Liquidationsbesteuerung genügen. Anders soll dies jedoch bei Verlegung ab dem Austrittsstichtag sein, ab welchem das Vereinigte Königreich als Drittstaat behandelt und die Liquidationsbesteuerung ausgelöst werden soll.

Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns

Bei steuerneutralen Einbringungen in eine Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG wird eine 7-jährige Sperrfrist für die Veräußerung dieser Anteile ausgelöst. Bei Verletzung dieser Sperrfrist erfolgt eine rückwirkende Versteuerung im Jahr der Einbringung der Anteile. Daneben stellt § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG einige Tatbestände einer solchen schädlichen Veräußerung gleich. Einer der gleichgestellten Tatbestände ist erfüllt, wenn der Einbringende oder die übernehmende Gesellschaft die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr erfüllen (Wohnsitz/Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet der EU/des EWR). Gleiches gilt gemäß § 22 Abs. 2 UmwStG für einen Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 UmwStG. Auch hier wird eine Besteuerung ausgelöst, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr erfüllt sind.

Dies soll durch einen neu einzuführenden § 22 Abs. 8 Satz 1 UmwStG verhindert werden, indem der Brexit nicht als schädliches Ereignis i.S. dieser Vorschrift angesehen wird. In § 22 Abs. 8 Satz 2 UmwStG soll klargestellt werden, dass Satz 1 nur für solche Einbringungen gilt, in denen der zugrunde liegende Einbringungsvorgang vor dem Brexit rechtswirksam vollzogen oder vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde.

Änderungen hinsichtlich der Gesellschaftsformen

Der bevorstehende Austritt Großbritanniens und Nordirlands wirkt sich auf Gesellschaften aus, die eine britische Rechtsform gewählt und ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben. Mit dem Brexit werden diese in Deutschland nicht mehr als solche anerkannt. Es ist davon auszugehen, dass die betroffenen Gesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach den hier zur Verfügung stehenden Auffangsrechtsformen behandelt werden, d.h. als OHG – falls diese ein Handelsgewerbe betreiben – ansonsten als GbR. Sollte nur ein Gesellschafter vorhanden sein, so würde dieser als Einzelkaufmann oder als gewöhnliche Einzelperson behandelt. Besonders in Bezug auf das unbeschränkte Haftungsregime ergeben sich Probleme, da die ausländischen Gesellschaften bei Gründung ein solches gerade nicht eingegangen sind.

Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetztes wurde das UmwG in den § 122a ff. ergänzt. Den vom Brexit betroffenen Gesellschaften soll daher die Umwandlung in z.B. eine KG ermöglicht werden, an der sich – je nach Kapitalausstattung – eine GmbH oder eine Unternehmensgesellschaft (haftungsbeschränkt UG) als persönlich haftender Gesellschafter beteiligen können. Nach § 122b Abs. 1 UmwG kann nunmehr auch eine Personenhandelsgesellschaft übernehmende oder neue Gesellschaft bei einer Verschmelzung sein. Nach deutschem Recht kommt daher nur eine OHG oder eine KG in Betracht.

Daneben ist in Form des § 122m UmwG eine Übergansregelung für alle zum Zeitpunkt des Brexit bereits begonnenen Verschmelzungsvorgänge in Kraft getreten, wonach eine Hineinverschmelzung nicht aufgrund des Brexit scheitert, wenn der Verschmelzungsplan vor Ausscheiden Großbritanniens beurkundet wurde.

Fazit

Das Brexit-StBG verhindert zunächst die gravierendsten steuerlichen Rechtsfolgen und Nachteile, welche der Austritt Großbritanniens und Nordirlands mit sich bringt. Bei bereits realisierten Sachverhalten soll der Brexit keine nachteiligen Rechtsfolgen für den Steuerpflichtigen auslösen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass aufgrund der Komplexität des Steuerrechts noch weitere Anpassungen notwendig sind. Alle Einzelfälle können mit den knappen Regelungen nicht erfasst werden. Ein „weicher“ Brexit im Steuerrecht ist daher allein durch diese Neuerungen nicht sichergestellt.

Der DAV befürwortet eine pauschale Regelung, die festsetzt, dass der Austritt Großbritanniens und Nordirlands nicht die Voraussetzungen einer spezialgesetzlichen Norm verwirklicht, in Form einer pauschalen Regelung in der AO (so DAV, Stellungnahme Nr.: 50/2018). Denkbar wäre eine Regelung, wonach Großbritannien auch weiterhin im Sinne einer Fiktionswirkung als EU-Mitgliedsstaat gilt.

Am 30.01.2019 fand eine Sitzung des Finanzausschusses im deutschen Bundestag zum Brexit-StBG statt. Ergebnis der Sitzung ist, dass das Brexit-StBG an einigen Stellen noch ergänzt bzw. erweitert werden soll. So stehen Ergänzungen zur Erbschaftsteuer oder zur Regelung von britischen Ltd. mit Sitz in der EU im Raum. Weiterhin wurde die Möglichkeit einer pauschalen Regelung aufgegriffen sowie das Fehlen einer Regelung zur Umsatzsteuer moniert. Der Finanzausschuss hat deshalb für den 11.02.2019 eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzesentwurf angekündigt. Weiter ist nach Auskunft der Bundesregierung eine Verlängerung der Austrittsfrist Großbritanniens nicht geplant, sodass es derzeit nach einem Brexit am 29.03.2019 aussieht.

Die weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Brexit bleiben abzuwarten, mit dem Brexit-StBG sowie der Änderung des UmwG hat die Bundesregierung vorerst auf den zu befürchtenden „harten Brexit“ reagiert. Vor dem Hintergrund der Sitzung des Finanzausschusses erscheinen daher einzelne Anpassungen auf den genannten Gebieten möglich; diese sind sicherlich wünschenswert, um dem umfangreichen Regelungsbedürfnis des Brexit Rechnung tragen zu können.

Kommentare sind geschlossen.