Zum Feststellungsverfahren gemäß § 60a AO

RA/FAStR John Büttner ist tätig bei FPS Frankfurt/M.

Für eine (neugegründete) gemeinnützige Organisation kann das Finanzamt nach § 60a AO die Satzung der Organisation auf die Einhaltung der Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung gemäß Gemeinnützigkeitsrecht hin überprüfen und im Rahmen dieses Verfahrens einen entsprechenden Feststellungsbescheid erlassen. Wie weit die Prüfungsbefugnis des Finanzamts im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 60a AO reicht, hatte kürzlich das FG Baden-Württemberg zu entscheiden.

Ausgangslage

Im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 60a AO prüft Finanzamt zunächst, ob die Vorgaben der steuerlichen Mustersatzung eingehalten und durch die gemeinnützige Organisation steuerbegünstigte Zwecke verfolgt werden. Wird in der Folge ein entsprechender Feststellungsbescheid erteilt, so kann die jeweilige Organisation u.a. Spendenbescheinigungen ausstellen und auch entsprechend Spenden empfangen.

Mit der Frage, ob das Finanzamt im Rahmen des Feststellungsverfahrens entsprechend § 60a AO neben der Satzung auch die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung daraufhin überprüfen darf, ob diese den Zwecken gemäß der Satzung erfolgt, hatte sich kürzlich das FG Baden-Württemberg auseinanderzusetzen (Urteil vom 05.03.2018 – 10 K 3622/16).

Urteil des FG Baden-Württemberg vom 05.03.2018

Der Kläger war ausweislich der Satzung eine islamische Religionsgemeinschaft, die unmittelbar und mittelbar durch ihre Mitglieder der umfassenden Glaubensverwirklichung diente. Die Gemeinschaft widmete sich der Pflege, Vermittlung und Ausübung der islamischen Religion im Rahmen des Grundgesetzes und der Pflege des interkulturellen und interreligiösen Dialogs.

Jede Person muslimischen Glaubens konnte Mitglied werden. Auf seiner Internetseite distanzierte sich der Kläger von jeglichen Personen, die zu Gewalt, Extremismus und Fremdfeindlichkeit aufrufen.

Die Vereinsaktivitäten bestanden unter anderem in der Abhaltung des wöchentlichen Freitagsgebets, der Durchführung des Fastenmonats Ramadan mit einem gemeinsamen Abendessen sowie weiterer islamischer Feiertage, der Organisation eines monatlichen Infostands zum Islam in der Fußgängerzone, der Unterstützung von in Not geratener Gemeindemitgliedern, der Durchführung von Reparaturen in Gebetsräumen, der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge sowie Arabischunterricht für Männer und Frauen. Zudem wurde an interreligiösen Dialogen der Stadt und an entsprechenden Sitzungen teilgenommen.

Das beklagte Finanzamt erteilte auf Antrag des Klägers eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit mit Widerrufsvorbehalt für die Dauer von längstens 18 Monaten. In der Folgezeit hielt ein Theologe, dem die Einreise aufgrund seiner vermeintlichen Nähe zum Salafismus nach Deutschland verboten war, einen Vortrag bei dem Kläger. In der Folge widerrief das Finanzamt die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

Auf die daraufhin eingereichte Klage wurde das beklagte Finanzamt verpflichtet, die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen gesondert festzustellen.

Grundlage der Feststellung gemäß § 60a AO sei die Satzung des Klägers, welche die Vorgaben der Abgabenordnung erfülle. Der Kläger verfolge hiernach ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Er fördere die Allgemeinheit, auch wenn nur Personen muslimischen Glaubens Mitglieder werden könnten. Dies sei bei einer muslimischen Religionsgemeinschaft sachlich gerechtfertigt. Religion sei nicht auf christliche Religionsrichtungen beschränkt. Auf die tatsächliche Geschäftsführung komme es bei einer Grundlagenfeststellung nicht an. Die Tatsachenermittlung bleibe dem Veranlagungsverfahren vorbehalten.

Im Übrigen gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegen die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit verstoßen habe. Dieser werde nicht in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch eingestuft. Mehrstufige Verlinkungen von seiner Homepage auf Literatur zum Islam seien nicht geeignet, von verfassungsfeindlichen Aktivitäten des Klägers selbst auszugehen. Dies gelte auch für die Rede des Theologen. Ein einmaliger Auftritt eines ggf. salafistischen Predigers reiche nicht aus, an der Verfassungstreue zu zweifeln. Außerdem engagiere sich der Kläger im interreligiösen Dialog.

Der Senat wies den Kläger allerdings darauf hin, dass er künftig bei der Auswahl seiner Gastredner größere Sorgfalt walten lassen solle.

Bedeutung für die Praxis

Aus dem Urteil ergibt sich, dass im Rahmen des Feststellungsverfahrens gemäß § 60a AO lediglich die Satzung geprüft werden soll, nicht jedoch die tatsächliche Geschäftsführung. Die Prüfung der tatsächlichen Geschäftsführung erfolgt hiernach im Rahmen des steuerlichen Veranlagungsverfahrens. Dies dürfte auch für andere Tatsachenermittlungen gelten.

Die Geschäftsführung muss dabei sicherlich eine Verfolgung des angegebenen Satzungszwecks erkennen lassen und darf nicht darauf hindeuten, dass sich die jeweilige Organisation nicht an Recht und Gesetz halten würde. Im Rahmen der vorläufigen Anerkennung in Form des Feststellungsbescheids hat das Finanzamt diese Prüfung allerdings nicht vorzunehmen.

Dennoch sollten sich neu gegründete Organisationen den Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung bewusst sein, da dies ansonsten sicherlich dazu führen kann, dass die Gemeinnützigkeit bei einer Gemeinnützigkeitsprüfung nicht (mehr) anerkannt werden wird.

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