Der BFH hat in seinem am 29.05.2019 veröffentlichten Urteil (vom 11.12.2018 – VIII R 11/16) erstmals zur Besteuerung des sog. Carried Interest Stellung bezogen. Der BFH bestätigte vor allem die teilweise Steuerbefreiung des Carried Interest auch in gewerblichen Private Equity (PE) / Venture Capital (VC) Fondsstrukturen und stellte sich insoweit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung in einigen Bundesländern. Die Entscheidung ist von großer Bedeutung insbesondere für ausländische Fondsstrukturen – nicht zuletzt auch deshalb, weil die deutschen, gewerbesteuerlich motivierten Gewerblichkeitsfiktionen im Ausland zumeist unbekannt sind.
Teileinkünfteverfahren bei vermögensverwaltenden Fonds
Die Initiatoren von PE-/VC-Fonds, regelmäßig transparente in- und ausländische Personengesellschaften, erhalten für ihre wertschaffenden immateriellen Beiträge als (mittelbare) Fonds-Gesellschafter üblicherweise einen kapital-disproportionalen Anteil am Gewinn der PE-/VC-Fonds. Dieser sog. Carried Interest kann bis zu 20% der Fondsgewinne ausmachen. Persönlich steuerpflichtig sind die jeweiligen Initiatoren mit den ihnen zuzurechnenden Gewinnanteilen.
Vor rund 20 Jahren wollte die Finanzverwaltung die kapitaldisproportionalen Gewinnanteile der Initiatoren vermögensverwaltender Fonds als voll steuerpflichtige Tätigkeitsvergütungen besteuern. Nach einer mehrjährigen Diskussion wurde im Jahr 2004 für „vermögensverwaltende“ PE-/VC-Fonds eine Sonderregelung in das EStG aufgenommen. Bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen werden solche Gewinnanteile der Initiatoren von vermögensverwaltenden Fonds zwar als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erfasst, jedoch wie Dividenden und Anteilveräußerungsgewinne nach dem sog. Teileinkünfteverfahren besteuert (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40a EStG). 40% der Gewinnanteile bleiben steuerfrei. Die Steuerbelastung der Initiatoren liegt bei 28,5% inkl. Solidaritätszuschlag.
Teileinkünfteverfahren auch bei gewerblichen Fonds seit ein paar Jahren streitig
In den vergangenen etwa ein bis zwei Jahren „reaktivierte“ die Finanzverwaltung in einigen Bundesländern ihre vor 20 Jahren zu vermögensverwaltenden Fonds vertretene Auffassung und will diese nun auf kaptaldisproportionale Gewinnanteile der Initiatoren von gewerblichen Fonds anwenden: d.h. Besteuerung des Carried Interest bei gewerblichen Fonds als vollsteuerpflichtige Tätigkeitsvergütungen mit einer Steuerbelastung bis rund 47,5%. Betroffen sind alle Fonds, welche die im sog. PE-Erlass vom 16.12.2003 (DB 2004 S. 103) genannten Kriterien für die Einordnung des Fonds als „vermögensverwaltend“ nicht erfüllen. Betroffen sind auch all jene, insbesondere ausländische vermögensverwaltende Fonds, die aufgrund ihres rechtlichen Set-Ups und/oder wegen einer noch so kleinen Beteiligung an nachgeordneten, originär oder nur fiktiv gewerblichen Personengesellschaften (Zielfonds) als fiktiv gewerblich gelten (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG).
Tätigkeitsvergütung oder Gewinnanteil bei gewerblichen PE-/VC-Fonds?
Der BFH musste sich nun mit einer recht typischen Konstellation befassen: ausländische Personengesellschaften (PE-/VC-Fonds) ohne Betriebstätten in Deutschland. An diesen Fonds war eine Oberpersonengesellschaft als unmittelbar Carry-Berechtigte beteiligt. Zumindest einige dieser Personengesellschaften waren als fiktiv gewerblich einzuordnen. Der kapitaldisproportionale Gewinnanteil der Oberpersonengesellschaft war teilweise in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Initiatoren zuzurechnen (im Urteil auch als „Schlüsselpersonen“ bezeichnet).
Gestritten wurde darüber, ob der bei den deutschen Initiatoren steuerpflichtige Gewinnanteil in voller Höhe als verdeckte Tätigkeitsvergütung steuerpflichtig ist oder wie Dividenden und Anteilsveräußerungsgewinne lediglich zur Hälfte nach Maßgabe des in den Streitjahren noch geltenden Halbeinkünfteverfahrens (heute Teileinkünfteverfahrens mit 40%iger Steuerbefreiung). Im Kern ging es also um genau die gleiche Streitfrage wie schon vor 20 Jahren („Tätigkeitsvergütung“ oder „Einnahmen aus Gewinnanteilen“); nur ging es jetzt um gewerbliche, nicht vermögensverwaltende Fonds.
Keine verdeckte Tätigkeitsvergütung / Anwendung des Teileinkünfteverfahrens
Der BFH hat sich bezüglich dieser Streitfrage zu Gunsten der Anerkennung des kapital-disproportionalen Gewinnanteils positioniert. Ausdrücklich hat sich der BFH gegen die Umqualifizierung als (verdeckte) Tätigkeitsvergütung ausgesprochen. Dies begründet der BFH mit der Entwicklungsgeschichte des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG und systematischen Erwägungen.
Die Sonderregelung für vermögensverwaltende PE-/VC-Fonds in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG zielte darauf ab, die Besteuerung des Carried Interest in vermögensverwaltenden Strukturen über die fiktive Einordnung als (steuerlich privilegierte) Tätigkeitsvergütung i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG sicherzustellen. Denn bei vermögensverwaltenden PE-/VC-Fonds waren seinerzeit kapital-disproportionale Gewinnanteile bei einer Kapitalbeteiligung von unter 1% (zuvor 10% bzw. 25%) gänzlich steuerfrei.
Für gewerbliche Fonds war und ist eine solche Sonderregelung jedoch nicht erforderlich. Vielmehr galten und gelten in diesen Fällen die allgemeinen Besteuerungsregeln. Erzielt ein gewerblicher Fonds Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, waren und sind solche Einkünfte gleichfalls und unmittelbar (ohne den Umweg über „dividendengleich besteuerte Tätigkeitsvergütungen“) nach dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern (§ 3 Nr. 40 Buchst. a/d EStG; § 8b KStG).
Eine Differenzierung nach der Qualität der Gewerblichkeit (originär oder fiktiv gewerblich) ist nach Auffassung des BFH aus systematischen Erwägungen nicht geboten, denn soweit in Fällen der rein fiktiven Gewerblichkeit auch § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG anwendbar sein sollte, würde dies ebenso zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens führen. Eine (aufwendige) Abgrenzung sei entbehrlich und systematisch nicht erforderlich.