Die Veräußerung einer Immobilie im Privatvermögen ist nur einkommensteuerpflichtig, wenn sie innerhalb von zehn Jahren seit der Anschaffung erfolgt. Die Steuerpflicht gilt aber nicht für Immobilien, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Entschließt sich der Eigentümer einer selbst genutzten Wohnung zum Verkauf innerhalb der Zehnjahresfrist, muss er die Voraussetzungen der Steuerfreiheit genau prüfen. Wenige Tage oder Wochen können über Steuerpflicht oder Steuerfreiheit entscheiden. Auf beteiligte Notare oder Makler kann sich der Verkäufer dabei nicht verlassen; diese sind zur Aufklärung über die steuerlichen Folgen des Verkaufs grundsätzlich nicht verpflichtet (siehe zu Maklern jüngst BGH vom 12.07.2018 – I ZR 152/17).
Zwei Wege in die Steuerfreiheit
Der Gesetzgeber bietet zwei Wege an, um die selbst genutzte Immobilie auch innerhalb der Zehnjahresfrist steuerfrei zu veräußern: Entweder wird die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Oder die Immobilie wird im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die erste Alternative verlangt keinen Mindestzeitraum, aber eine zeitlich ausschließliche Eigennutzung. Ein einziger Tag der Vermietung zwischen Anschaffung und Veräußerung lässt die Steuerbefreiung also entfallen. Dafür kann der Zeitraum zwischen Kauf und Verkauf der Wohnung beliebig kurz sein, solange sich die Eigennutzung noch tatsächlich nachweisen lässt. In der zweiten Alternative fehlt das Wort ausschließlich, was Raum für Interpretationen eröffnet. Hier muss sich die Eigennutzung über mindestens drei Kalenderjahre erstrecken. Maßgeblich ist also ein Dreijahreszeitraum: in das dritte Jahr fällt der Verkauf der Wohnung (Verkaufsjahr), das zweite Jahr ist das mittlere Jahr und im ersten Jahr des Zeitraums muss die Eigennutzung spätestens begonnen haben.
Keine ausschließliche Eigennutzung im ersten, aber im zweiten Jahr
Wie viele Tage des Dreijahreszeitraums muss die Eigennutzung umfassen, um die Steuerbefreiung zu erlangen? Manche lesen das Wort ausschließlich kurzerhand in die zweite Alternative hinein und verlangen eine ausschließliche Eigennutzung vom ersten Tag des ersten Jahres bis hin zum Tag des Verkaufs im dritten Jahr. In seiner Ferienhaus-Entscheidung (vgl. dazu Specker, Steuerboard-Beitrag vom 12.12.2017) hat der BFH demgegenüber geklärt, dass die eigene Wohnnutzung nicht während des gesamten ersten Jahres bestehen muss, sondern irgendwann im ersten Jahr nur anfangen muss. Erforderlich ist danach aber eine ununterbrochene Eigennutzung, die sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahres – voll auszufüllen. Mit anderen Worten: Für das mittlere Jahr ist nach Auffassung der Rechtsprechung doch eine ausschließliche Eigennutzung erforderlich, nicht aber für das erste Jahr.
Was gilt im dritten Jahr, dem Verkaufsjahr? Dazu folgender einfacher Fall: Der Kläger hatte im Jahr 2006 eine Wohnung erworben und bis April 2014 durchgehend selbst bewohnt. Anschließend vermietete er die Wohnung von Mai bis Dezember 2014. Am 17.12.2014 verkaufte er die Wohnung. Sein Finanzamt verweigerte die Steuerbefreiung wegen der Vermietung der Wohnung vor ihrem Verkauf. Vor dem FG Baden-Württemberg hatte der Kläger dagegen Erfolg, mit der Begründung, der Wortlaut der zweiten Alternative verlange gerade keine ausschließliche Eigennutzung (FG Baden-Württemberg vom 07.12.2018 – 13 K 289/17). Die erforderliche ununterbrochene Eigennutzung im maßgeblichen Dreijahreszeitraum 2012 bis 2014 liege vor. Hierzu war für den Kläger aber Eile geboten. Die Beendigung der eigenen Nutzung, die Vermietung und der Verkauf mussten in demselben Kalenderjahr erfolgen. Hätte sich der Verkauf nur wenige Tage in das Jahr 2015 verschoben, wäre er steuerpflichtig gewesen. Denn das mittlere Jahr wäre dann 2014 gewesen, und die nach der Rechtsprechung erforderliche ununterbrochene Eigennutzung über die dann maßgeblichen Jahre 2013 bis 2015 hätte nicht vorgelegen.
Ausschließliche Eigennutzung im dritten Jahr bleibt unklar
Das Ergebnis lässt sich allerdings – anders als das FG Baden-Württemberg meint – nicht eindeutig aus dem Wortlaut der zweiten Alternative (weil das Wort ausschließlich fehlt) und aus der Ferienhaus-Entscheidung des BFH herleiten. Zum einen bleibt offen, warum dann für das mittlere Jahr nach der Rechtsprechung doch eine ausschließliche Eigennutzung verlangt wird. Zwar lässt sich die zweite Alternative gut dahingehend auslegen; aus dem Wortlaut folgt dies aber noch nicht. Auch für das Verkaufsjahr schafft allein der Wortlaut noch keine Klarheit. Die Ferienhaus-Entscheidung des BFH ist hierzu nicht eindeutig; die Frage war dort auch nicht entscheidungserheblich. Zwar muss die Eigennutzung laut BFH nur das mittlere Jahr, nicht aber das Verkaufsjahr ganz ausfüllen. Damit kann aber auch die – zugegeben – Selbstverständlichkeit gemeint sein, dass ein unterjähriger steuerfreier Verkauf im dritten Jahr möglich ist. Ob aber auch die Vermietung nach Beendigung der Eigennutzung im Verkaufsjahr wirklich unschädlich ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Verkaufswillige Eigentümer sollten sich darauf jedenfalls (noch) nicht verlassen. Zweifel daran hat – wenig verwunderlich – auch die Finanzverwaltung, die gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgeht (Az. des BFH: IX B 28/19). Sollte das FG den BFH falsch interpretiert haben, wird dieser vermutlich einen Weg zur Eröffnung des Revisionsverfahrens und damit zu einer Entscheidung in der Sache finden.