DAC 6 – Einer flog übers Kuckucksnest

StB Dr. Thomas Töben, SMP, Berlin

Die über 60-Jährigen werden den US-amerikanischen Film aus dem Jahr 1975 „Einer flog übers Kuckucksnest“ kennen. Ein Film mit dem grandiosen Schauspieler Jack Nicholson unter der Regie des zweifachen Oscar-Preisträgers Milos Forman. Produziert wurde der Film u.a. von Michael Douglas, ebenfalls zweimaliger Oscar-Gewinner. Er erhielt die Filmrechte schon vor rund 50 Jahren von seinem Vater, Kirk Douglas, abgetreten. Dieser bekam 1996 den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk und verstarb erst kürzlich im sagenhaften Alter von 103 Jahren. Respekt! Aber was hat das alles mit DAC 6 zu tun? Richtig: Nichts! Oder?

Besser geht’s nicht …

Der Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ ist einer der größten Erfolge der US-amerikanischen Filmgeschichte. Bei der Oscar-Verleihung 1976 gewann er alle fünf Hauptpreise, die Big Five, in den Kategorien bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, beste Hauptdarstellerin und bester Hauptdarsteller. Mehr geht nicht. Laut Wikipedia wurde der Film 1993 durch die Kongressbibliothek in den Bestand der National Film Registry aufgenommen. Das gelingt nur Filmen, die als kulturell, historisch und ästhetisch bedeutend und daher als besonderes erhaltenswert eingestuft werden.

BMF: Ein Irrenhaus?

Eines ist sicher: die DAC 6-Vorschriften werden solche Auszeichnungen, vergleichbares Lob und Lorbeeren niemals auch nur ansatzweise ernten können.

Jüngste Meldungen hierzu, jedenfalls die aus Deutschland, konkreter jene aus dem BMF, geben vielmehr Anlass zu großer Sorge: Was ist bloß los – im BMF? Mutiert es zu einem Irrenhaus? Oder geht es nur noch um politische Interessen, um die Positionierung einzelner Personen? Stehen das Recht, das Wohl der Wirtschaft und der Bürger dahinter zurück?

Jedenfalls der Film „Einer folg über das Kuckucksnest“ spielt in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Er handelt davon, wie ein Neuankömmling die dort herrschende Ordnung infrage stellt und letztlich aus den Fugen geraten lässt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Weitsicht: Verlängerung

Doch, man muss sich das, so Florian Lechner in einem LinkedIn kürzlich, auf der Zunge zergehen lassen: Wegen COVID-19 und der damit verbundenen, enorm weitreichenden Belastungen jeglicher Art für Unternehmen und Bürger vereinbaren die EU-Mitgliedstaaten, darunter an vorderster Front Deutschland, mit der EU-Kommission die Möglichkeit zum Aufschub der DAC 6 Meldefristen. Parallel dazu ändert der deutsche Gesetzgeber im Zusammenhang mit COVID-19 Unterstützungsmaßnahmen ein Gesetz, um den Aufschub der DAC 6-Meldefristen zu ermöglichen, so wie es andere EU-Staaten auch getan haben. Zudem wird in einem Entwurf eines BMF-Schreibens zu DAC 6 als Übergangsfrist zwar zunächst „nur“ ein Aufschub von drei Monaten genannt, doch entsprechend der Regelungen in anderen EU-Staaten werden bereits sechs Monate in Aussicht gestellt.

Kurzsicht: Kehrtwende – Einer gegen Alle

Und dann das: Olaf Scholz hat es sich kurzerhand anders überlegt: Kurzsichtig. Ohne Weitsicht. Ohne Rücksicht.

Während die einen noch mit den Problemen der Umsatzsteuersatzabsenkung und zahlreichen anderen lebenswichtigen Themen befasst und vollkommen „unter Wasser“ sind und die anderen nach rund vier, in der jüngeren Weltgeschichte wohl einzigartigen und extrem schwierigen Monaten nach Beginn der Schulferien / Urlaubsaison und wegen der nun dringend gebotenen Erholung großteils gar nicht präsent und ansprechbar sind.

In einer solchen Situation hat der deutsche Finanzminister keine Bedenken – für alle völlig überraschend und recht holprig auf der Bundespressekonferenz am 06.07.2020 – verkünden zu lassen, dass er der Verlängerung der DAC 6-Meldefrist eine Absage erteilt. Eine Verlängerung, die von allen Seiten, darunter den EU-Staaten, zunächst auch Deutschland und den deutschen Bundesländern, allen Beratern und Unternehmen, selbst von Experten aus der Verwaltung, für notwendig erachtet wird. Von der 30-Tage-Frist ab 01.07.2020 ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine Woche abgelaufen. Das in Aussicht gestellte BMF-Schreiben sollte am 15.07.2020 veröffentlicht werden. Doch wird dieses BMF-Schreiben wegen derartiger „Verirrungen“ des Finanzministers und Gegenwind in der Finanzverwaltung möglicherweise niemals das Licht der Welt erblicken.

Was soll man dazu sagen? Von Wahnsinn ist die Rede. Positiv von einem Witz, einem verspätetem Aprilscherz im Juli. Unfassbar sagen die einen. Politischer Skandal die anderen.

Rücksicht: Niemandem ein Kuckucksei ins Nest legen

Zum Schluss zurück an den Beginn. Bei der aktuell geführten, recht aufgeheizten Diskussion zu DAC 6 und vor allem zu dem Verhalten des Finanzministers kommt einem die Redewendung „Jemandem ein Kuckucksei ins Nest legen“ in den Sinn. Die Redewendung bezieht sich auf das typische Verhalten eines Kuckucks, der seine Eier in die Nester anderer Vögel legt, damit sie erst die Eier ausbrüten und hernach die Jungen großziehen. Umgangssprachlich hat diese Redewendung die Bedeutung, jemanden so zu schädigen, dass es sich erst später als eine unangenehme Überraschung erweist

In einer Google Recherche werden an gleicher Stelle als Synonyme andere Redewendungen mit der Bedeutung „jemandem Schaden zufügen“ genannt. Etwa „jemandem einen Bärendienst erweisen“, „jemandem Steine in den Weg legen“, jemandem ein Bein stellen, jemanden eine Laus in den Pelz setzen“, „jemandem übel mitspielen“, „jemanden einen Strick aus etwas drehen“.

Solches Verhalten wird man einem engagiertem Minister mit politischen Ambitionen nicht unterstellen können. Gleichwohl ist der Verweis auf „Gegenwörter“, also Redewendungen mit der Bedeutung „jemanden unterstützen“, angezeigt.

Epilog

Deutschland hat soeben die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Damit einher geht die Rolle, nicht nur Vorbild zu sein, sondern auch vorbildlich, zukunftsweisend und nachahmenswert zu agieren. Denn nur mit einem solchen Verhalten können Deutschland und dessen Akteure Auszeichnungen anstreben, am Ende Lob und Lorbeeren erhalten: für die beste Regie, das beste Drehbuch, die besten Hauptdarstellerinnen und den besten Hauptdarsteller in aktuell extrem schwierigen Zeiten.

Mit parteipolitisch kleinkariertem Agieren hingegen hat bisher noch niemand einen Oscar gewonnen.

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