Werden Anteile an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft verschenkt, so reduzieren Gesellschaftsschulden die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage; das Schenkungsteuerrecht fingiert insoweit eine teilentgeltliche Übertragung (§ 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Dies eröffnet Potenzial z.B. für schenkungsteueroptimierte Übertragungen von Anteilen an Immobiliengesellschaften, die sich langfristig „selbst entschulden“.
Nicht abschließend geklärt sind in der genannten Konstellation allerdings die einkommensteuerlichen Folgen, wenn das Gesellschaftsvermögen zum Schenkungszeitpunkt ganz oder teilweise „steuerverstrickt“ ist (z.B. Immobilien innerhalb der Zehn-Jahres-Frist des § 23 EStG). Kann in diesem Fall die Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) dazu führen, dass aufgrund eines wirtschaftlichen Übergangs der Gesellschaftsschulden auf den Beschenkten auch für einkommensteuerliche Zwecke von einer teilentgeltlichen Übertragung auszugehen ist? In diesem Fall könnte es auf Seiten des Anteilsschenkers etwa zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 22 Abs. 2 EStG (Wertpapiere) oder § 23 EStG (Immobilien) kommen; auf Seiten des Beschenkten könnten korrespondierend Anschaffungskosten und daher potenziell eine Erhöhung der AfA-Bemessungsgrundlage für zum Gesellschaftsvermögen gehörende Immobilien anzunehmen sein.
Vergleichsfall: unmittelbare teilentgeltliche Übertragung
Bei rein wirtschaftlicher Betrachtung erscheint diese Betrachtung gar nicht fernliegend, wie der Vergleich mit der unmittelbaren teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts zeigt. Wird etwa eine Immobilie (Verkehrswert 1 Mio. EUR; Anschaffungskosten 100 TEUR) aufgrund einer gemischten Schenkung gegen Übernahme einer Schuld (100 TEUR) innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG übertragen, so ist eine teilentgeltliche Veräußerung anzunehmen, da der Schenker von seiner Schuld frei wird (Quote der Entgeltlichkeit: 10%). Nach der insoweit herrschenden „Trennungstheorie“ sind in diesem Fall die Anschaffungskosten ebenfalls nur in Höhe der Quote der Entgeltlichkeit anzusetzen (hier also 10 TEUR), sodass ein Veräußerungsgewinn von 90 TEUR entstünde.
Bei rein wirtschaftlicher Betrachtung dürfte sich nichts anderes ergeben, wenn der Schenker die Immobilie zunächst gegen Übernahme der Schuld in eine Personengesellschaft einbrächte (etwa eine GmbH & Co. KG), an deren Vermögen er zu 100% beteiligt ist (mangels Beteiligung eines Dritten am Vermögen wegen § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO kein steuerlich relevanter Veräußerungsvorgang, vgl. BFH vom 18.10.2011 – IX R 15/11, BStBl. II 2012 S. 205 = DB 2011 S. 2752) und er seinen Anteil dann verschenken würde. Aufgrund der Bruchteilsbetrachtung wären auch in diesem Fall sowohl die Immobilie als auch die Schuld im Ergebnis dem Beschenkten wirtschaftlich zurechenbar. Dementsprechend wird in der Literatur nicht selten vertreten, dass in der genannten Konstellation von einer teilentgeltlichen Übertragung, mithin von einem Veräußerungsvorgang auszugehen sei (vgl. etwa Paus, EStB 2014 S. 270, 272; Hans, Stbg 2019 S. 251, 253).
Entscheidung des FG Köln vom 10.10.2018
Mit einer vergleichbaren Fragestellung hatte sich unlängst das FG Köln zu befassen, wenngleich nicht ein vom Schenker des Gesellschaftsanteils zu versteuernder Veräußerungsgewinn, sondern die Frage des Umfangs einer entgeltlichen Anschaffung durch den Beschenkten (und damit eine Aufstockung der AfA-Bemessungsgrundlage) in Frage stand. Das Gericht führte diesbezüglich zunächst aus, dass die Bruchteilsbetrachtung beim Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft nicht dazu führe, dass die hierdurch erfolgende Übernahme auch der negativen Wirtschaftsgüter eine Gegenleistung für den Erwerb des Anteils oder der positiven Wirtschaftsgüter der Gesamthand darstelle. Für eine vermögensverwaltende Personengesellschaft gelte insoweit nichts anderes als bei einer Mitunternehmerschaft; hier gelte anerkanntermaßen die sog. „Einheitstheorie“. Darüber hinaus fehle es beim bloß mittelbaren Übergang von Schulden an einer relevanten Gegenleistung des Erwerbers. Weder befreie er den Übertragenden insoweit von einer persönlichen Schuld, noch bestehe ein Befreiungsanspruch des Übertragenden gegen den Erwerber für Altverbindlichkeiten oder werde seine Nachhaftung im Außenverhältnis beschränkt.
Anteilsschenkung ist keine (Anteils)Veräußerung
Dem FG Köln ist im Ergebnis uneingeschränkt zuzustimmen. Zwar erscheint das erstgenannte Argument nicht wirklich zwingend, da bei einer Mitunternehmerschaft gerade keine reine Bruchteilsbetrachtung gilt, sondern § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO durch § 15 EStG verdrängt wird (vgl. BFH vom 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003 S. 250 = DB 2003 S. 485). Ein Veräußerungsvorgang setzt jedoch voraus, dass der Erwerber etwas aufwendet und der Veräußerer eine Gegenleistung erlangt (vgl. BFH vom 18.10.2006 – IX R 7/04, BStBl. II 2007 S. 258 = DB 2006 S. 2723). Hieran fehlt es jedoch in der hier diskutierten Situation.
Aus Sicht des Veräußerers ist überdies auch kein Einkunftstatbestand erfüllt. Zunächst kann die Anteilsübertragung nicht bereits aufgrund der Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO mit der Übertragung der von der Gesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter gleichgesetzt werden (BFH vom 04.10.1990 – X R 148/88, BStBl. II 1992 S. 2011 = DB 1191 S. 143; vom 10.07.1996 – X R 103/95, BStBl. II 1997 S. 678 = DB 1997 S. 2582). Dies erforderte die konstitutive Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG (vgl. hierzu ausführlich FG München vom 29.07.2013 – 7 K 190/11, sowie Fischer, Steuerboard vom 16.12.2013), wonach die Anschaffung oder Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gilt. Maßgeblicher Veräußerungsgegenstand kann in der hier diskutierten Situation somit nur der Gesellschaftsanteil sein. Dieser wird jedoch nicht gegen eine Gegenleistung veräußert, sondern er wird verschenkt. Hieran kann auch die Bruchteilsbetrachtung nichts ändern. Denn wenn die Anteilsübertragung nicht bereits aufgrund der Bruchteilsbetrachtung mit einer Übertragung der Aktiva der Gesellschaft gleichgesetzt werden kann, kann für die Übertragung der Passiva nichts anderes gelten. Das von § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal einer „Veräußerung“ bereits aufgrund eines wirtschaftlichen Übergangs der Gesellschaftsschulden als erfüllt anzusehen, würde die Wirkungsweise des § 39 AO hingegen überspannen. Denn der Regelungsbereich des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO beschränkt sich ausweislich der BFH-Rechtsprechung auf die steuerrechtliche Zuordnung in persönlicher Hinsicht. Die Vorschrift bietet dagegen gerade keine gesetzliche Grundlage dafür, die objektive Seite steuerrechtlicher Tatbestandsverwirklichung umzugestalten (BFH vom 04.10.1990 – X R 148/88, BStBl. II 1992 S. 2011 = DB 1991 S. 143; vom 10.07.1996 – X R 103/95, BStBl. II 1997 S. 678 = DB 1997 S. 2582).
Ergebnis und Ausblick
Der bloß wirtschaftliche Übergang von Gesellschaftsschulden aufgrund der Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO kann daher ohne gesonderte gesetzliche Anordnung nicht dazu führen, aus einer Schenkung von Anteilen eine „Veräußerung“ von Anteilen gem. § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG oder § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG zu machen. Wenngleich das Urteil des FG Köln vom 10.10.2018 nicht unmittelbar die steuerliche Behandlung des Übertragenden betraf, wird das diesbezüglich anhängige Revisionsverfahren (Az. BFH: IX R 22/19) auch insoweit hoffentlich weitere Klarheit bringen.