Um die Einführung einer GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH m. geb. V.) ist heftiger Streit entbrannt, seit im Sommer ein von mehreren Hochschullehrern (darunter dem Verfasser dieses Zwischenrufs) ausgearbeiteter Diskussionsentwurf vorgelegt wurde. Die Idee, Unternehmern, die sich für diese innovative (häufig mit dem Begriff „Verantwortungseigentum“ belegte) Art zu wirtschaften entscheiden, ein passendes Rechtskleid anzubieten, hat einerseits deutlichen Anklang bis in höchste politische Kreise hinein gefunden. Andererseits ist sie auf entschiedene Ablehnung gestoßen, wobei die sehr unterschiedliche Qualität der angeführten Argumente – von Polemik über Lobbyisten-Nebelkerzen bis zu wirklich sachbezogenen Einwänden – auffällt. Man mag zu dem rechtspolitischen Vorstoß stehen, wie man will – an einer vernunftgemäßen Streitkultur sollte jedem gelegen sein. Deshalb hier ein kurzer Zwischenruf.
I. Aktuelles zum Streitstand
Einige ablehnende Stimmen berufen sich auf steuerrechtliche Erwägungen. Dabei werden häufig zwei Argumente vorgebracht, nämlich dass die GmbH m. geb. V. nach dem vorgelegten Entwurf erstens in erbschaftsteuerlicher und zweitens in ertragsteuerlicher Weise privilegiert werde. Beide Argumente sind falsch.
II. Privilegierung in erbschaftsteuerlicher Hinsicht?
Zum Vorwurf der erbschaftsteuerlichen Privilegierung: Das Argument geht dahin, dass die GmbH m. geb. V. ein Erbschaftsteuersparmodell sei, weil zum einen ihre Anteile einen niedrigeren Steuerwert als normale GmbH-Anteile hätten und zum anderen keine Erbersatzsteuer wie bei Familienstiftungen anfalle.
Bemessung des Steuerwerts
Die Höhe der Erbschaftsteuer richtet sich danach, was die geerbte Sache wert ist. Anteile an GmbHs m. geb. V. lassen wegen des Verbots der Gewinnausschüttung keinen Ertrag erwarten und dürften daher am Markt einen geringen Wert haben. Dass dann wenig Erbschaftsteuer anfällt, ist nur folgerichtig.
Der Entwurf sieht vor, den Steuerwert von Anteilen an GmbHs m. geb. V. nach § 12 ErbStG zu bemessen – ebenso wie den Steuerwert von Anteilen an normalen GmbHs (und – nebenbei gesagt – auch Genossenschaften). Danach ist letztlich – die Vorschrift verweist auf Bestimmungen des BewG – der sogenannte gemeine Wert der Anteile maßgeblich, d.h. der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung der Anteile zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 BewG). Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde (§ 11 Abs. 2 BewG).
Fehlende Gewinnbeteiligung
Soweit – wie in vielen Fällen – Erwerber ihre Kaufpreisvorstellungen nach den aus den Anteilen zu erwartenden Gewinnbeteiligungen (Dividenden) zu bilden pflegen, fällt ins Gewicht, dass GmbHs m. geb. V. ihren Gewinn nicht ausschütten, sondern nur thesaurieren, (re-)investieren oder gemeinnützig spenden dürfen (§ 77e Abs. 2 des Entwurfs). Eine Beteiligung am Gewinn kann der Erwerber folglich nicht erwarten. Die einzige Zahlung, die er je aufgrund seines Anteils bekommen darf, ist die, dass die GmbH m. geb. V. ihm im Falle seines Ausscheidens den Nennbetrag der auf den Anteil geleisteten Einlage zurückgewährt (§ 77i des Entwurfs). Deshalb dürfte in vielen Fällen der Marktwert der Anteile an einer GmbH m. geb. V. niedriger sein als der der Anteile an einer gleich profitablen normalen GmbH.
Wenn das zu einer niedrigeren Erbschaftsteuer führt, ist das aber völlig systemgerecht. Denn das, was der Gesetzgeber mit der Erbschaftsteuer belasten will, ist die Bereicherung des Erben (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).
Verdeutlicht werden soll dies an einem Vergleichsfall: A erbt 50% an einer GmbH m. geb. V. mit einem jährlichen Gewinn von 100 Mio. €; B erbt 50 % an einer normalen GmbH mit gleichem jährlichem Gewinn. A hat 0 € jährliche Gewinnbeteiligung zu erwarten (denn bei GmbHs m. geb. V. steht der Gewinn nicht den Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft zu [§ 77e Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs]), B dagegen 50 Mio. €. Wenn der Wert, den A zu versteuern hat, niedriger ist als der, den B zu versteuern hat, liegt darin nicht etwa eine Privilegierung der GmbH m. geb. V. (oder ihrer Anteilseigner), sondern die gesetzliche Wertung, dass A eben weniger bereichert sei als B.
Privilegierung bei der Erbersatzsteuer?
Ähnlich verhält es sich mit der angeblich fehlenden Erbersatzsteuer: Erbersatzsteuer müssen Stiftungen zahlen, die mit ihrem Vermögen die Familie des Stifters versorgen. Andere Stiftungen unterliegen ihr nicht. Eine Steuerumgehung würde ermöglicht, wenn die GmbH m. geb. V. dazu benutzt werden dürfte, in gleicher Weise eine Familie zu versorgen. Das ist aber aufgrund der Vermögensbindung, der jede GmbH m. geb. V. nach dem vorgelegten Entwurf unterliegt, gesetzlich ausgeschlossen. Deshalb ist es richtig, dass die Erbersatzsteuer nicht auf GmbHs m. geb. V. erstreckt werden soll.
Die Erbersatzsteuer ist eine Unterform der Erbschaftsteuer, welche insbesondere das Vermögen einer Stiftung belastet, sofern diese wesentlich im Interesse einer Familie errichtet ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Alle 30 Jahre wird gleichsam ein Erbfall fingiert, da es sonst ohne Probleme möglich wäre, Vermögen, das nach wie vor für den Konsum einer Familie zur Verfügung stünde, durch Übertragung auf eine juristische Person (die ja nicht stirbt) der Erbschaftsteuer zu entziehen. Zwar kann eine GmbH m. geb. V. (wie jede andere GmbH) auch das Vermögen einer Familie aufnehmen. Nur unterfällt es mit der Einbringung in eine GmbH m. geb. V. deren Vermögensbindung (§ 77e Abs. 2 des Entwurfs); d.h., es steht nicht mehr für den Konsum der Familie zur Verfügung, sondern nur noch für unternehmerische Investitionen oder gemeinnützige Spenden – und die GmbH-Anteile bilden ihrerseits bei mindestens einem Familienmitglied erbschaftsteuerbares Vermögen. Auch die Möglichkeit der Einlagenrückgewähr (§ 77i des Entwurfs) führt nicht dazu, dass Vermögen in die Erbschaftsteuerfreiheit geschleust werden kann, weil die Anteile an der GmbH m. geb. V. steuerbares Vermögen bilden und die Möglichkeit der Einlagenrückgewähr nach § 12 ErbStG in die steuerliche Bewertung der Anteile einfließt; außerdem wird nach dem Entwurf jedwede Kapitalrückzahlung an die Gesellschafter vor Ablauf der Behaltensfrist (§ 13a Abs. 3 S. 1 bzw. Abs. 10 S. 1 Nr. 2 ErbStG) ausdrücklich begünstigungsschädlich gestellt.
Die Steuerumgehung, die im Falle sogenannter Familienstiftungen mittels der Erbersatzsteuer verhindert werden soll, ist bei einer GmbH m. geb. V. also von vornherein nicht möglich.
III. Privilegierung in ertragsteuerlicher Hinsicht?
Gegner des Gesetzentwurfs sind der Auffassung, die GmbH m. geb. V. werde ertragsteuerlich gegenüber anderen GmbHs begünstigt, weil sie keiner Dividendenbesteuerung unterliege. Begründet wird dies wie folgt: Die Besteuerung des Gewinns von Unternehmen, die als Körperschaften (insbesondere GmbHs oder Aktiengesellschaften) organisiert sind, geschieht zweistufig:
- Auf der Ebene der Gesellschaft (den Solidaritätszuschlag einmal außer Betracht gelassen) fallen Körperschaftsteuer (15%) und Gewerbesteuer (gemeindeabhängig, durchschnittlich etwa 14%) an,
- auf der Ebene der Gesellschafter (wenn es sich um natürliche Personen handelt) Einkommensteuer, die in der Erhebungsform der Kapitalertragsteuer von den Gesellschaften abzuführen ist (25% des Dividendenbetrags, der gleichsam schon um Körperschaft- und Gewerbesteuer gemindert ist).
Die Gesamtertragsteuerbelastung ausgeschütteter Gewinne liegt deshalb bei über 40%, während einbehaltene (thesaurierte) Gewinne nur mit rund 29% Ertragsteuern belastet sind. Als Schlussfolgerung dem Diskussionsentwurf entgegengehalten, die GmbH m. geb. V. müsse auf ihre Gewinne nur ebenjene 29% zahlen, andere Körperschaften dagegen über 40% – dies sei eine Privilegierung und Wettbewerbsverzerrung.
Eine solche Argumentation geht jedoch an der Sache vorbei. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, nämlich thesaurierende mit ausschüttenden Körperschaften. Eine GmbH m. geb. V. (die ihre Gewinne nicht ausschütten darf) wird genauso hoch besteuert wie eine normale GmbH, die sich freiwillig dazu entschließt, ihre Gewinne nicht auszuschütten (sondern betrieblich zu nutzen oder gemeinnützig zu spenden).
Ohne Dividendenausschüttung keine Kapitalertragsteuer
Die Kapitalertragsteuer ist keine Form der Körperschaftsteuer auf den Gewinn der Gesellschaft, sondern eine Form der Einkommensteuer, die die Bereicherung belasten soll, welche die Gesellschafter durch den Erhalt der Dividende erfahren (§ 44 Abs. 1 EStG). So wie der Arbeitgeber bei der Lohnsteuer eine fremde Steuer, nämlich die des Arbeitnehmers, einbehält und für dessen Rechnung abführt (§§ 38, 41a EStG), entrichtet die gewinnausschüttende Gesellschaft mit der Kapitalertragsteuer eine Steuer ihrer Anteilseigner. Wenn die Gesellschafter – wie bei der GmbH m. geb. V. – keine Dividende erhalten, nicht bereichert werden, fällt auch keine Kapitalertragsteuer an. Das ist keine Begünstigung, sondern die einzig systemgerechte Lösung.
Wenn eine normale GmbH sich entschließt, ihren Gewinn nicht auszuschütten, unterliegt dieser ebenfalls nur der 29%igen, aus Körperschaft- und Gewerbesteuer bestehenden Besteuerung, und es fällt ebenfalls keine Kapitalertragsteuer an. Der Gewinn einer GmbH m. geb. V. wird nicht deshalb von der Kapitalertragsteuer verschont, weil er aus Verantwortungseigentum herrührt, sondern weil er thesauriert wird, weil die GmbH m. geb. V. nicht ausschüttet. Sie darf es aufgrund ihrer gesetzlichen Vermögensbindung auch nicht, aber ob sie es darf oder nicht, spielt steuerrechtlich überhaupt keine Rolle (§ 40 AO): Schüttete sie verbotenerweise doch aus, fiele ganz normal Kapitalertragsteuer an.
Privilegierung thesaurierter gegenüber ausgeschütteten Gewinnen
Es werden also nicht Gewinne von GmbHs m. geb. V. gegenüber Gewinnen normaler GmbHs privilegiert, sondern thesaurierte Gewinne gegenüber ausgeschütteten. Und das beruht auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung, die mit der Abschaffung des Körperschaftsteuer-Vollanrechnungsverfahrens vor 20 Jahren getroffen wurde. Man wollte das Eigenkapital der deutschen Unternehmen (vor allem im internationalen Wettbewerb) stärken. Deswegen sollten Gewinne, die im Unternehmen verblieben und so für betriebliche Zwecke, z.B. Investitionen, zur Verfügung stünden, entlastet werden gegenüber solchen, die dem Unternehmen von den Anteilseignern entzogen (und im Zweifel von Letzteren konsumiert) würden. Dieser mit Wirkung zum Jahr 2001 umgesetzten politischen Idee blieb der Gesetzgeber auch in der Folgezeit treu. Zum Jahr 2008 erstreckte er sie sogar – obwohl das im steuersystematischen Gebälk knirschte – auf Einzelunternehmen und Personengesellschaften, indem er die sogenannte Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG einführte.
Man muss die gegenwärtige Begünstigung thesaurierter Gewinne nicht gutheißen – aber das ist eine allgemeine wirtschafts- und steuerpolitische Frage und hat mit der GmbH m. geb. V. spezifisch nichts zu tun.
IV. Fazit
Der vorgelegte Diskussionsentwurf verdient eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. Die ihm entgegengehaltenen steuerrechtlichen Argumente erweisen sich als nicht stichhaltig.