Erbschaftsteuer: Wegfall des Verschonungsabschlags bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft

StB/Dipl.-Kfm. Ricardo Fischnaler, LL.M. ist Partner und StB/Dipl.Kffr. Susanne Bings ist Director bei der WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH in Köln.

Mit Urteil vom 01.07.2020 (II R 19/18; inhaltsgleich II R 20/18) hat der BFH zu der Frage Stellung genommen, ob der Verschonungsabschlag gem. § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. bereits bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft innerhalb der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behaltensfrist rückwirkend (anteilig) entfällt. Entgegen der zum Teil in der Literatur und von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung hat der BFH diese Frage verneint.

Sachverhalt

Im Urteilsfall wurde über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei der Geschäftsbetrieb zunächst fortgeführt wurde. Nach der Insolvenzeröffnung hat das Finanzamt unmittelbar einen Verstoß gegen die Behaltensfrist i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. angenommen und den zuvor gewährten Verschonungsabschlag i.S.d. § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. zeitanteilig ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens rückwirkend reduziert. Auf die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter stellte das Finanzamt nicht ab.

Entscheidungsgründe des BFH

1. Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen als maßgeblicher Zeitpunkt für einen Nachsteuertatbestand

Abweichend von der Ansicht der Finanzverwaltung und der Entscheidung der Vorinstanz (FG Nürnberg vom 26.04.2018 – 4 K 571/16) entschied der BFH, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft noch nicht zum anteiligen Wegfall der Steuerbegünstigung des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. führt. Für den maßgeblichen Zeitpunkt eines Verstoßes gegen die Behaltensfrist sei vielmehr auf die spätere Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter abzustellen.

2. Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 EStG als maßgeblicher Nachsteuertatbestand

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens komme es zwar zu einer Betriebsauflösung gem. §§ 161 Abs. 2 i.V.m. 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB, diese führe aber ertragssteuerlich nicht zu einer Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 EStG, auf die es jedenfalls bei Mitunternehmerschaften ankomme.

Die Auflösung einer Personengesellschaft ist hingegen nicht in § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. als schädlicher Nachsteuertatbestand normiert.

3. Abweichende Behandlung von Kapitalgesellschaften

Im Gegensatz dazu ist die Auflösung einer Kapitalgesellschaft in § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 ErbStG a.F. explizit als Nachsteuertatbestand genannt. Die Auflösung einer Kapitalgesellschaft führt somit unmittelbar zu einem rückwirkenden (anteiligen) Wegfall des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F. Der Gesetzgeber unterscheidet insoweit explizit zwischen der Aufgabe eines Gewerbetriebs und der Auflösung einer Kapitalgesellschaft.

 Bedeutung für die Praxis

Zwar ist das Urteil zu den erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen vor der Erbschaftsteuerreform 2016 ergangen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Grundsätze des BFH-Urteils auch für Erbfälle seit dem 01.07.2016 entsprechend anzuwenden sind, da die entsprechenden Regelungen zu den Behaltensfristverstößen inhaltlich weitestgehend unverändert geblieben sind. Neben der Regel- und Optionsverschonung ermöglicht das aktuelle Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz weitere Begünstigungsformen für Betriebsvermögen, nämlich das sog. Abschmelzmodell (§ 13c ErbStG) und die sog. Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG). Bei Inanspruchnahme dieser Begünstigungen sind die Regelungen zur Behaltensfrist grundsätzlich entsprechend zu berücksichtigen, weshalb die Grundsätze des BFH-Urteils auch in diesen Fällen Anwendung finden sollten. Darüber hinaus ist das Urteil des BFH im Hinblick auf drohende Insolvenzen aufgrund der aktuellen Covid-19-Pandemie von erheblicher Bedeutung für die Praxis.

In seiner Entscheidung hat sich der BFH einmal mehr streng am Gesetzeswortlaut orientiert und die unterschiedliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften für den Fall der Nachversteuerung herausgearbeitet. Im Fall der Insolvenz einer Personengesellschaft sollte eine rückwirkende (anteilige) Nachversteuerung aufgrund der BFH-Entscheidung erst dann eintreten, wenn tatsächlich eine schädliche Verfügung i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. innerhalb der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Behaltensfrist erfolgt. Dies wäre z.B. der Fall, sobald und soweit wesentliche Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter innerhalb der Behaltensfrist veräußert werden. Sofern die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen zu einer Betriebsaufgabe führt, würde dies zu einem ggf. nur zeitanteiligen aber ansonsten vollständigen Verstoß gegen die Behaltensfrist führen.

Für Personengesellschaften wird der Zeitpunkt der Nachversteuerung somit hinausgeschoben, so dass sich auch der Nachsteuerbetrag reduzieren kann, wenn durch die zeitliche Verschiebung ein weiteres Jahr ohne Verstoß gegen die Behaltensfrist erreicht wird. Im Gegensatz dazu führt die Auflösung einer Kapitalgesellschaft unmittelbar zu einer Nachversteuerung.

Unabhängig davon, ob Anteile an Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften übertragen werden, könnte zur Vermeidung eines Nachsteuertatbestands in Schenkungsverträgen ein Rückforderungsrecht für den Fall, dass eine Insolvenz eine Nachversteuerung auslöst, geregelt werden. Sollte ein Verstoß gegen die Behaltensfrist z.B. im Hinblick auf die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen nicht verhindert werden können, wäre zu prüfen, ob im Einzelfall die sog. Reinvestitionsklausel i.S.d. 13a Abs. 6 Satz 3 und 4 ErbStG zur Heilung eines Behaltensfristverstoßes genutzt werden kann.

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