Steuerliche Behandlung gemischt veranlasster Reisekosten

StB Dr. Michael Best, Partner bei Pöllath & Partners, München

Es ist eine Situation wie sie vermutlich viele Steuerpflichtige selbst schon erfahren haben, die tagtäglich und künftig von Bedeutung ist: Aufgrund beruflicher Notwendigkeiten ist eine (weite) Reise erforderlich, wenn man aber dann schon die Mühen auf sich nimmt, nutzt man die Gelegenheit vor Ort Freunde/Verwandte zu besuchen oder die Stadt zu besichtigen und verlängert den Aufenthalt deshalb. Können die Aufwendungen für die Reise steuerlich geltend gemacht werden?

In der Vergangenheit war diese Frage nicht nur von der Finanzverwaltung, sondern auch von den Finanzgerichten verneint worden. Begründet wurde dies mit der Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, der die Nichtabzugsfähigkeit von Aufwendungen der Lebensführung beinhaltet. Die Rechtsprechung des BFH folgerte daraus in der Vergangenheit, dass gemischt veranlasste Aufwendungen in der Regel insgesamt nicht steuerlich abzugsfähig seien (allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für sogenannte gemischt veranlasste Aufwendungen). Allerdings hatte die Rechtsprechung in der Vergangenheit hiervon bereits Ausnahmen gemacht (zum Beispiel bei Kfz-Kosten und Telefonkosten). Nicht so jedoch bei gemischt veranlassten Reisekosten. Hier lehnte der BFH weiterhin eine Aufteilung ab, weil es sich bei diesen Kosten nicht um eindeutig abgrenzbare, beruflich bzw. betrieblich veranlasste Aufwendungen handele.

Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. 9. 2009

Mit dieser Rechtsauffassung hat der Große Senat gründlich aufgeräumt. Dogmatisch bezieht er sich auf das objektive Nettoprinzip als maßgebliche Auslegungsrichtlinie. Nach Auffassung des Großen Senats ist ein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot für sogenannte gemischt veranlasste Aufwendungen dem Gesetz nicht zu entnehmen. Erfreulich klare Worte!

Hieraus folgerte der Große Senat, dass Aufwendungen für Reisen, die abgrenzbare berufliche und private Anteile enthalten, grundsätzlich aufzuteilen sind, sofern die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt das Verhältnis der beruflichen und privaten Zeitanteile der Reise in Betracht.

Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder von einer Aufteilung ganz abzusehen. Dies ist sowohl im negativen als auch im positiven Sinne zu verstehen. So führt der Große Senat (zugunsten des Steuerpflichtigen) ausdrücklich aus:

„Nimmt der Steuerpflichtige zum Beispiel aufgrund einer Weisung seines Arbeitgebers einen beruflichen Termin wahr, so können die Kosten der Hin- und Rückreise auch dann in vollem Umfang beruflich veranlasst sein, wenn der Steuerpflichtige den beruflichen Pflichttermin mit einem vorangehenden oder nachfolgenden Privataufenthalt verbindet… Dabei kommt es nicht notwendig darauf an, ob der private Teil der Reise kürzer oder länger ist als der berufliche Teil“.

Entscheidend für den Großen Senat ist somit die berufliche Veranlassung. Wird die Reise aufgrund einer „Weisung“ unternommen bzw. handelt es sich um einen „Pflichttermin“ sind die Kosten der Hin- und Rückreise in voller Höhe steuerlich abzugsfähig. Angestellten können somit diese Reisekosten im Rahmen des § 3 Nr. 16 EStG lohnsteuerfrei ersetzt werden. Gleiches gilt aber auch für Unternehmer. Hier wird die Finanzverwaltung allerdings höhere Anforderungen auf den Nachweis der Veranlassung legen.

Abgrenzungsprobleme und Erhöhte Nachweispflichten

Denn der Große Senat hat in seiner Entscheidung auch klargestellt, dass immer dann, wenn die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge so ineinander greifen, dass eine Trennung nicht möglich ist, eine (teilweise) steuerliche Geltendmachung nicht mehr in Betracht kommt. Der Große Senat spricht in diesem Zusammenhang von einer „beruflichen/privaten Doppelmotivation für eine Reise“. Zugegebenermaßen stellen sich damit neue Abgrenzungsprobleme. Es ist aber dann am Steuerpflichtigen von Anfang an die ursprüngliche Veranlassung für die Reise zu dokumentieren. Der Große Senat weist deshalb auch darauf hin, dass der Steuerpflichtige die berufliche Veranlassung der Aufwendungen im Einzelnen umfassend darzulegen und nachzuweisen hat.

Schlussfolgerungen

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Liegt die Kausalität für eine Reise in der beruflichen Sphäre, können die Aufwendungen für Hin- und Rückreise in voller Höhe steuerlich geltend gemacht werden. Dies gilt selbst dann, wenn diese Gelegenheit genutzt wird um (gegebenenfalls zusammen mit der Familie) am Reiseort privaten Interessen nachzugehen. Hingegen dürften in diesem Fall andere Reisekosten, insbesondere Hotelkosten, zeitanteilig aufzuteilen sein.

Ist hingegen auch von einer privaten Motivation für die Reise auszugehen, können aber die beruflichen und privaten Teile der Reise eindeutig voneinander getrennt werden, so sind die Reisekosten zeitanteilig steuerlich abzugsfähig.

Weitreichende Bedeutung der Entscheidung

Dem Großen Senat des BFH ist zu danken, dass er sich mit dieser Rechtsprechung klar von dem früher vertretenen Aufteilungs- und Abzugsverbot bei gemischt veranlassten Aufwendungen verabschiedet hat. Die Entscheidung hat damit weit über den konkreten Sachverhalt (Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Hin- und Rückreise) Bedeutung und ist ein klares Bekenntnis zum objektiven Nettoprinzip bei der Besteuerung des Einkommens.

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