Von einer sog. Betriebsaufspaltung ist die Rede, wenn ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen in ein Besitz- und ein Betriebsunternehmen aufgeteilt ist. Diese Aufteilung ist dadurch gekennzeichnet, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen für dessen Betrieb erforderliche Wirtschaftsgüter (wesentliche Betriebsgrundlagen) zur Nutzung überlässt (sog. sachliche Verflechtung) und Besitz- und Betriebsunternehmen einheitlich beherrscht werden (sog. personelle Verflechtung). Die steuerliche Folge ist so einfach wie weitreichend: Das Besitzunternehmen übt keine vermögensverwaltende Tätigkeit (Nutzungsüberlassung) aus, sondern wird zum Gewerbebetrieb. Handelt es sich beim Besitzunternehmen um eine gemeinnützige Stiftung, führt die Betriebsaufspaltung zu einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Der BFH hat jetzt mit Urteil vom 17.11.2020 (I R 72/16) erstmals entschieden, dass diese steuerlichen Grundsätze auch dann zum Tragen kommen, wenn das Betriebsunternehmen seinen Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland hat.
Sachverhalt und Rechtsgrundsätze des BFH
Die Klägerin, eine inländische gemeinnützige Stiftung, war alleinige Anteilseignerin einer niederländischen (Tochter-)Kapitalgesellschaft („B BV“), der sie ein in den Niederlanden gelegenes Grundstück verpachtete. Die B BV nutzte dieses für den Betrieb ihres Einzelhandels. Streitig war die Besteuerung der Gewinnausschüttungen, die die Stiftung von der B BV erhalten hatte.
Im Allgemeinen ist die Stiftung aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG bzw. § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG). Begründet die Stiftung jedoch eine Betriebsaufspaltung, unterhält sie in Gestalt ihrer daraus folgenden originär gewerblichen Tätigkeit (hier: Verpachtung des Grundstücks an die B BV) einen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO). Insoweit ist die Stiftung nicht steuerbefreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG bzw. § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG) und deren Einkünfte, die diesem Geschäftsbetrieb zuzurechnen sind, sind in Deutschland grundsätzlich steuerpflichtig. Dies gilt insbesondere für laufende Erträge aus Anteilen am Betriebsunternehmen, weil diese Anteile im Falle einer Betriebsaufspaltung zum Betriebsvermögen der Stiftung gehören.
Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung lagen im Streitfall grundsätzlich vor, weil die Stiftung (Besitzunternehmen) der B BV (Betriebsunternehmen) eine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen hatte und diese als Alleingesellschafterin selbst beherrschte. Für die Praxis nicht abschließend geklärt war bisher indes, ob eine Betriebsaufspaltung auch dann gegeben sein kann, wenn Wirtschaftsgüter an ein ausländisches Betriebsunternehmen überlassen werden, das in Deutschland auch keine Betriebsstätte unterhält. Historisch betrachtet sollte die Betriebsaufspaltung verhindern, dass das Nutzungsentgelt (Pachtzinsen), welches das Betriebsunternehmen grundsätzlich als Betriebsausgabe (auch beim Gewerbeertrag) abziehen kann, beim Besitzunternehmen gerade nicht der Gewerbesteuer unterliegt (Einkünfte aus bloßer Vermögensverwaltung). Im Falle eines ausländischen Betriebsunternehmens, das mangels inländischer Betriebsstätte ohnehin nicht der Gewerbesteuer unterliegt, könnte eine Verringerung des inländischen Gewerbesteueraufkommens indes von vornherein nicht eintreten.
Der BFH ist diesem Einwand aber nicht gefolgt:
- Nach dessen Ansicht basieren die Grundsätze der Betriebsaufspaltung nicht (mehr) auf besagter historischer Intention. Vielmehr ergebe sich die originär gewerbliche Betätigung des Besitzunternehmens aus dem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen (personelle Verflechtung), der hinter beiden Unternehmen bestehe.
- Die Qualifikation des Besitzunternehmens als Gewerbebetrieb schlage indes nicht auf ein anzuwendendes Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) durch. Das heißt, die Betriebsaufspaltung allein führe nicht dazu, dass das Besitzunternehmen auch für abkommensrechtliche Zwecke Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-Musterabkommen) erzielt. Der BFH geht insoweit von Einkünften aus Vermögensverwaltung aus.
Folgen im Streitfall
Die Stiftung begründete daher eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, sodass die Gewinnausschüttungen der B BV bei der Stiftung als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren waren. Als Beteiligungserträge unterliegen die Einkünfte grundsätzlich in Höhe von 5% den deutschen Ertragsteuern (Schachtelstrafe, § 8b Abs. 5 KStG). Eine weitere Kürzung des Beteiligungsertrags für gewerbesteuerliche Zwecke greift nicht ein. Insbesondere entfällt kein Teil des Ertrags auf eine ausländische Betriebsstätte der Stiftung (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 GewStG). Der BFH bestätigte seine Auffassung, wonach eine Betriebsstätte nicht bereits durch die bloße Verpachtung eines Grundstücks begründet wird. Ohnehin ist zweifelhaft, ob der Ertrag einer ausländischen Betriebsstätte überhaupt zuzurechnen wäre. Im Übrigen stellt auch das Betriebsunternehmen selbst grundsätzlich keine Betriebsstätte des Besitzunternehmens dar.
Der deutsche Fiskus konnte auch nach dem anzuwenden DBA mit den Niederlanden auf die Gewinnausschüttungen zugreifen. Ungeachtet ihrer Qualifikation als gewerbliche Einkünfte für innerstaatliche Zwecke, stellen die Gewinnausschüttungen abkommensrechtlich weiterhin Dividenden (d.h. keine Unternehmensgewinne) dar. Die Dividenden unterfielen im Streitfall dem alleinigen Besteuerungsrecht Deutschlands.
Dagegen wirkte sich die Annahme einer Betriebsaufspaltung hinsichtlich der Besteuerung der Pachtzinsen im Ergebnis nicht aus. Denn nach dem anzuwenden DBA mit den Niederlanden unterfielen die Pachtzinsen unstrittig ausschließlich dem Besteuerungsrecht der Niederlande (Belegenheit des Grundstücks).
Einordnung und Auswirkungen auf die Praxis
Zwar entkoppelt der BFH die Betriebsaufspaltung meines Erachtens zu Recht von bloßen Missbrauchserwägungen (Vermeidung eines geringeren Gewerbesteueraufkommens) und führt die Betriebsaufspaltung auf eine eigene gewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmens zurück. Vor diesem Hintergrund ist es aber dogmatisch nicht zwingend folgerichtig, dass die Gewerblichkeit des Besitzunternehmens nicht auch auf das Abkommensrecht durchschlagen soll. Der BFH geht offenbar davon aus, dass sich die Gewerblichkeit des Besitzunternehmens erst in einer – durch ein DBA nicht nachvollzogenen – Gesamtschau mit der Tätigkeit des Betriebsunternehmens ergibt. Auch die Finanzverwaltung folgt dem im Ergebnis (BMF-Schreiben vom 26.09.2014, BStBl. I S. 1258, Tz. 2.2.1).
Der Fall zeigt, dass inländische gemeinnützige Stiftungen bei Überlassung von Wirtschaftsgütern an verbundene Unternehmen – unabhängig davon, ob diese im In- oder Ausland ansässig sind – Gefahr laufen, einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu begründen. Sollte dieser Geschäftsbetrieb die Tätigkeit der Stiftung wesentlich prägen, kann ihr die Gemeinnützigkeit sogar insgesamt zu versagen sein. Die Rechtsgrundsätze des BFH gelten aber gleichfalls für nicht gemeinnützige Besitzunternehmen. Daher begründen Personengesellschaften und natürliche Personen, die in Form einer Nutzungsüberlassung an sich vermögensverwaltend tätig sind, im Falle einer ggf. grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung einen Gewerbebetrieb. Grenzüberschreitend tätige Stiftungen, Konzerne und kleinere Unternehmensgruppen sollten ihre Strukturen daher entsprechend prüfen – zumal eine Betriebsaufspaltung in grenzüberschreitenden Sachverhalten weniger deutlich vor Augen liegt und eine ggf. unbeabsichtigte Beendigung derselben mit erheblichen Steuerfolgen (Aufdeckung stiller Reserven in überlassenen Wirtschaftsgütern und Anteilen am Betriebsunternehmen) verbunden sein kann.
Das Gleiche gilt grundsätzlich auch für die Inbound-Konstellation (ausländisches Besitzunternehmen und inländisches Betriebsunternehmen). Das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung kann für die Praxis auch insoweit als geklärt gelten (BFH vom 25.05.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014 S. 760; BMF-Schreiben vom 26.09.2014, BStBl. I 2014 S. 1258, Tz. 2.2.1).