Die Corona-Krise wirkt sich auf das gesamte Wirtschaftsleben aus und wird zwangsläufig auch zu zahlreichen Insolvenzen von Unternehmen führen. Soweit für diese Unternehmen noch die sog. Nachbehaltensfrist i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG aufgrund einer Schenkung oder eines Erwerbs des Unternehmens von Todes wegen läuft, kann es in Folge der Insolvenz oder Aufgabe des Unternehmens zu einer Nachversteuerung mit Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer kommen, obgleich das Unternehmen an Wert verloren hat oder sogar nicht mehr besteht. Für den Unternehmer in jedem Fall eine unangenehme Folgewirkung, die ihn auch in die persönliche Insolvenz treiben kann.
Hintergrund
Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sieht für bestimmtes betriebliches Vermögen, wie z.B. Einzelunternehmen sowie Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften mit einer Mindestbeteiligung von mehr als 25 %, eine Steuerbefreiung in §§ 13a, 13b ErbStG vor. Soweit dieses begünstigungsfähige Vermögen auch tatsächlich begünstigtes Vermögen umfasst, kommt ein Abschlag i.H.v. 85% (sog. Regelverschonung) ggf. zuzüglich eines gleitenden Abzugsbetrags oder auf Antrag des Steuerpflichtigen ein Abschlag von 100% (sog. Voll- bzw. Optionsverschonung) in Betracht. Dabei wird diese Steuerbefreiung unter der Voraussetzung gewährt, dass die sog. Mindestlohnsumme und Behaltensfrist (5 Jahre bei Regel- und 7 Jahre bei Options- bzw. Vollverschonung) eingehalten wird. Bei einem Verstoß gegen diese Regelungen beispielsweise durch Aufgabe des Unternehmens oder Nichterreichen der Mindestlohnsumme droht eine (ggf. nur anteilige) Nachversteuerung der ursprünglichen Übertragung des Unternehmens, weswegen für die Besteuerung der Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt der Übertragung (und nicht etwa zum Zeitpunkt der Aufgabe oder Insolvenz) maßgeblich ist. Auch ein sog. „Doppelverstoß“ gegen beide Regelungen ist möglich, wobei in diesen Fällen nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich die nach der jeweiligen Regelung höhere Nachsteuer erhoben wird.
Verstoß gegen die Behaltensregelung i.S.d. § 13a Abs. 6 ErbStG auch durch Insolvenz möglich!
Im Grundsatz gilt, dass der Begünstigte das erhaltene Vermögen während der Behaltensfrist nicht veräußern darf. Vielmehr soll er dieses behalten. Daher stellt die Veräußerung des erhaltenen Vermögens grundsätzlichen einen Verstoß gegen die Behaltensregelung dar. Darüber hinaus wird ein Verstoß gegen die Behaltensregelung auch dann ausgelöst, wenn z.B. aus dem begünstigten Vermögen heraus wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert, in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden, und keine entsprechende Reinvestition nach § 13a Abs. 6 Satz 3 ErbStG erfolgt. Bei Kapitalgesellschaften gilt dies nur, soweit bei Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird. Ob und inwieweit die Reinvestitionsklausel auch im Falle der Krise Anwendung findet (z.B. bei einem Veräußerungserlös von null oder sehr geringem Wert), ist offen. Nach dieser Regelung liegt eine wirksame Reinvestition des Veräußerungserlöses vor, wenn der erzielte Veräußerungserlös innerhalb der jeweils begünstigen Vermögensart innerhalb von 6 Monaten reinvestiert wird.
Zu einer Nachversteuerung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer kann es dabei auch durch eine Betriebsaufgabe und Insolvenz kommen, weil der Grund für die Aufgabe oder Veräußerung des Vermögens unerheblich ist. Hierzu gibt es eine entsprechende Rechtsprechung des BFH (BFH vom 16.02.2005 – II R 39/03, DB 2005 S. 1499; bestätigt durch BFH vom 21.03.2007 – II R 19/06). Ein Steuererlass aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme kommt nach der Rechtsprechung des BFH bei Betriebsaufgabe oder Insolvenz nicht in Betracht (BFH vom 04.02.2010 – II R 25/08, BStBl. II 2010 S. 663 = DB 2010 S. 880).
Gleichwohl sollte ein solcher Antrag bei der Finanzverwaltung gestellt werden, insbesondere wenn die Insolvenz oder Aufgabe maßgeblich durch die Corona-Krise bedingt ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einer Personengesellschaft allein noch nicht zu einem Verstoß gegen die Behaltensregelung führt, weil die Auflösung der Gesellschaft selbst nicht in § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 ErbStG n.F.) aufgeführt ist (BFH vom 01.07.2020 – II R 20/18 und II R 19/18; vgl. dazu Loose, DB 2021 S. 366). Daher kann ein Verstoß gegen die Behaltensregelung erst durch die Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung selbst oder den Verkauf wesentlicher Betriebsgrundlagen ausgelöst werden. Bei Kapitalgesellschaften hingegen gilt etwas anderes, weil die Auflösung explizit in § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. (§ 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG n.F.) genannt ist (vgl. dazu ausführlich Möhrle/Dorn, NWB-EV 2020 S. 432). Noch nicht entschieden ist, ob es z.B. auch bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern einer Unterpersonengesellschaft wegen Insolvenz zu einem Verstoß gegen die Behaltensfrist auf Ebene der Obergesellschaft kommt (entsprechende Verfahren sind unter Az. II R 10/18, II R 11/18 beim BFH anhängig). Das FG Düsseldorf hatte dies mit Urteilen vom 24.01.2018 (4 K 1043/17 Erb, 4 K 1044/17 Erb) verneint. Zudem ist bislang strittig, ob für den Verstoß gegen die Behaltensregelung bereits das obligatorische oder das dingliche Rechtsgeschäft maßgeblich ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist das obligatorische Rechtsgeschäft, auch bei der Reinvestitionsklausel, entscheidend (R E 13a.13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 ErbStR, R E 13.18 Satz 5 ErbStR).
Verstoß gegen die Mindestlohnsumme in Zeiten der Krise durch Entlassungen möglich!
In Zeiten der Krise kann es natürlich auch zu Entlassungen von Mitarbeitern kommen. Dies wirkt sich unmittelbar auf die zu erfüllende Mindestlohnsumme aus, weil es an entsprechenden Gehaltszahlungen fehlt, die für deren Erfüllung berücksichtigt werden können. Auch durch Entlassungen kann also eine Nachversteuerung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer ausgelöst werden. Soweit es zu Zahlungen von Kurzarbeitergeld kommt, erfasst die Finanzverwaltung dieses jedoch im Rahmen der Mindestlohnsumme (vgl. R E 13a.5 Satz 4 ErbStR).
Fazit
Durch die Veräußerung von betrieblichem Vermögen, die Aufgabe des Unternehmens oder die Insolvenz des Unternehmens kann es zu einer Nachversteuerung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer kommen, wenn die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 6 ErbStG noch nicht abgelaufen ist. Bei Personengesellschaften gilt, dass nicht bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einem Verstoß gegen die Behaltensregelung führt, sondern erst die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Ob und inwieweit die Reinvestitionsklausel des § 13a Abs. 6 Satz 3, 4 ErbStG eine Nachversteuerung verhindern kann, ist offen. Droht eine Nachversteuerung aufgrund einer Insolvenz, sollte geprüft werden, inwieweit Rückforderungsrechte bestehen, die eine Rückabwicklung der Schenkung möglich machen.