Lebzeitige Übertragungen von Vermögen auf die Kinder- oder Enkelgeneration haben den Vorteil, dass sie planbar sind und damit schenkungsteuerlich optimiert werden können. Wenn die Beschenkten noch jung sind, ist oftmals zu erwarten, dass nach der Schenkung in ihrer Generation weitere Abkömmlinge geboren werden, die der Schenker ebenfalls aus dem übertragenen Vermögen bedacht wissen möchte. In der Regel sollen alle Mitglieder eines Stammes zu gleichen Teilen am geschenkten Vermögen beteiligt sein. Der Schenker kann die Beschenkten daher schon im Schenkungsvertrag dazu verpflichten, Teile des geschenkten Vermögens zum Zwecke der Gleichstellung an nachgeborene Abkömmlinge weiterzuleiten. Diese Gleichstellung hatte auch ein Vater bei einer Grundstücksschenkung an seine Kinder im Sinn, deren Abwicklung jedoch missglückte und die Gegenstand eines jüngeren BFH-Urteils ist (Urteil vom 16.09.2020 – II R 33/19, ZEV 2021 S. 189) ist.
Neues BFH-Urteil zur missglückten Abwicklung einer Gleichstellungsverpflichtung
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte insgesamt acht Kinder. Im Jahr 1984 übertrug er ein Grundstück auf seine bis dato geborenen vier Kinder zu gleichen Teilen. Im notariellen Schenkungsvertrag verpflichteten sich die Beschenkten etwaige nachgeborene Kinder des Vaters ab Geburt so zu stellen, dass alle gleichmäßig am geschenkten Grundstück beteiligt seien. Nachdem der Gleichstellungsanspruch zweier weiterer Geschwister der Beschenkten unproblematisch erfüllt wurde, bekam der Schenker in zweiter Ehe noch zwei weitere Kinder. Die sechs Geschwister übertrugen im Jahr 2014 ihre sämtlichen Miteigentumsanteile an dem Grundstück zurück auf den Vater – offenbar zum Zwecke der Weitergabe an die beiden jüngsten Kinder. Die Übertragung an den Vater erfolgte laut Vertrag ausdrücklich ohne Gegenleistung. Das Finanzamt forderte daraufhin zwei der sechs Kinder zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf, welche sodann der Vater als Beschenkter einreichte. Gegen die Festsetzung von Schenkungsteuer wehrte sich der Vater erfolglos. Der II. Senat machte in seinem Urteil einige grundlegende Aussagen zur schenkungsteuerlichen Beurteilung von Leistungsketten und Dreiecksverhältnissen.
Keine Zusammenschau von Befreiungsvorschriften im Schenkungsteuerrecht
Nach den Grundsätzen der Zusammenschau (Interpolation) kann im Grunderwerbsteuerrecht ein abgekürzter Leistungsweg trotz Fehlens eines Befreiungstatbestands grunderwerbsteuerfrei sein, wenn jeder der unterbliebenen Zwischenschritte für sich einen Befreiungstatbestand erfüllt hätte. Dies hat der BFH bereits früher ausdrücklich auch für den Grundstückserwerb unter Geschwistern aufgrund einer schenkungsvertraglichen Gleichstellungsverpflichtung zugunsten Nachgeborener klargestellt: Weil die Rückübertragung der beschenkten Kinder an die Eltern nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG und die Schenkung der Eltern an die nachgeborenen Kinder nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei sei, bleibe auch der abgekürzte Leistungsweg unter den Geschwistern grunderwerbsteuerfrei (BFH vom 16.12.2015 – II R 49/14). Dieser Zusammenschau von Befreiungsvorschriften erteilte der BFH in dem jüngsten Urteil für das Schenkungsteuerrecht jedoch eine Absage. Vielmehr gälten für die Beurteilung derartiger Sachverhalte die Grundsätze zur Kettenschenkung und Schenkung unter Auflage, so der BFH.
Entscheidungsbefugnis über die Weitergabe ist maßgeblich für die schenkungsteuerliche Bereicherung des Zwischenerwerbers
Das Schenkungsteuerrecht folgt dem Zivilrecht, so also auch die Frage, wer Zuwendender und wer Bereicherter ist. Hat eine Person einen Schenkungsgegenstand vor der Weitergabe an einen Dritten nur als Zwischenerwerb erhalten, können hierin entweder zwei aufeinanderfolgende Schenkungen oder eine direkte Schenkung vom Erst-Zuwendenden an den Dritten liegen. Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Abgrenzung danach, ob der Zwischenerwerber eine eigene Entscheidungsbefugnis über die Weitergabe des Schenkungsgegenstands hat oder hierzu verpflichtet ist (vgl. BFH vom 10.03.2005 – II R 54/03; vom 06.05.2015 – II R 35/13).
Im Urteilssachverhalt waren die Kinder zwar offenbar davon ausgegangen, dass der Vater das Grundstück nach Rückübertragung u.a. an die zwei nachgeborenen Kinder weitergeben werde. Eine entsprechende Verpflichtung zur Gleichstellung wäre jedoch nach § 311b BGB beurkundungsbedürftig gewesen, woran es hier fehlte. Der Vater konnte somit frei über das Grundstück disponieren, so dass beide Übertragungen selbstständige Schenkungen waren.
Schuldrechtlicher Gleichstellungsanspruch begründet keine Eigentümerstellung
Aufgrund der Maßgeblichkeit der Zivilrechtslage konnte der Kläger auch nicht mit seiner Ansicht durchdringen, die beiden gleichstellungsberechtigten Kinder seien ebenso Zuwendende wie die sechs Miteigentümer des Grundstücks (womit sich der Wert der einzelnen Schenkungen noch innerhalb der Freibeträge bewegt hätte). Der Gleichstellungsanspruch ist ein schuldrechtlicher Anspruch, über den die Kinder nicht verfügt haben. Dieser Eigentumsverschaffungsanspruch begründete keine Miteigentümerstellung der Gleichstellungsberechtigten am Grundstück als Schenkungsgegenstand.
Gleichstellungsverpflichtung nicht bereicherungsmindernd abzuziehen
Der Kläger hatte schließlich vorgebracht, die Gleichstellungsverpflichtung der sechs Kinder sei bereicherungsmindernd vom Gesamtwert der Schenkung abzuziehen. Dem folgte der BFH nicht. Ein Abzug wäre nur in Betracht gekommen, wenn der Vater als Gläubiger der Gleichstellungsverpflichtung entweder auf diesen Anspruch verzichtet hätte, weil dann eine gemischte Schenkung vorgelegen hätte, oder er die Gleichstellungsverpflichtung der Kinder mit der Rückschenkung von diesen selbst übernommen hätte. Beides sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Praxistipps für die Umsetzung der Gleichstellungsverpflichtung
Die Gleichstellungsverpflichtung kann im Schenkungsvertrag zum einen als Auflage für die Beschenkten geregelt werden. Bei einer Übertragung der Beschenkten an die Nachgeborenen aufgrund einer entsprechenden Auflage wird nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG schenkungsteuerlich das Verhältnis zwischen Schenker und den Nachgeborenen zugrunde gelegt (vgl. BFH vom 17.02.1993 – II R 72/90; vom 25.08.2020 – II R 30/18). Der Erst-Beschenkte hat insoweit nur einen Zwischenerwerb ohne eigene Entscheidungsbefugnis über die Weitergabe des Schenkungsgegenstandes an den Auflagenbegünstigten. Er ist somit nicht bereichert, sondern kann die Auflage bereicherungsmindernd von seinem Erwerb abziehen (vgl. Feick, ZEV 2002 S. 85, 89).
Alternativ kann sich der Schenker im Schenkungsvertrag den (Teil-) Widerruf der Schenkung vorbehalten, falls nach der Schenkung weitere Abkömmlinge in der Generation der Beschenkten geboren werden. Sofern möglich, sollte der Widerruf nur insoweit erfolgen, als er für die Gleichstellung der nachgeborenen Abkömmlinge erforderlich ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entfällt die Schenkungsteuer rückwirkend für die ursprüngliche Schenkung mit der Rückgabe des Schenkungsgegenstandes an den Schenker, aber auch, wenn der Schenkungsgegenstand nach Anweisung des Schenkers direkt an einen Dritten weiterzuleiten ist (BFH vom 24.05.2000 – II R 62/97). Aus Vereinfachungsgründen verbleiben dem Beschenkten in der Regel laut Schenkungsvertrag die bis zum Widerruf gezogenen Nutzungen, in Bezug auf welche er nach § 29 Abs. 2 ErbStG „wie ein Nießbraucher“ besteuert wird (zur systematischen Einordnung dieser Regelung FG Schleswig-Holstein vom 09.10.2008 – 3 K 111/06; FG Düsseldorf vom 30.11.2016 – 4 K 3976/15 Erb). Die Herausgabe des Geschenks im Umfang des Widerrufs an die nachgeborenen Abkömmlinge ist eine nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare Schenkung des ursprünglichen Schenkers, da auch hier – wie bei der Auflage – der Zwischenerwerber keine Entscheidungsbefugnis bezüglich der Weiterleitung hat. Stichtag für die Entstehung dieser Steuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die Ausführung der Zuwendung. Daher können auch die Voraussetzungen einer für die Erstschenkung in Anspruch genommenen Betriebsvermögensbegünstigung unter Umständen zwischenzeitlich entfallen sein (vgl. Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, 61. EL 2021, § 29 Rn. 68). Daneben sind schließlich insbesondere bei Mitunternehmeranteilen und im Hinblick auf die Einkünftezurechnung etwaige einkommensteuerliche Folgen eines Widerrufs zu beachten (vgl. Thonemann-Micker, ErbR 2015 S. 519). Nicht zuletzt kann ein Schenkungswiderruf von Immobilien oder Anteilen an Immobiliengesellschaften auch grunderwerbsteuerliche Folgen haben (vgl. hierzu das Urteil das BFH zum Widerruf als Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn die Widerrufsmöglichkeit bereits im Schenkungsvertrag angelegt ist, BFH vom 04.03.2020 – II R 2/17). Wenn nicht bereits die Befreiung für Verwandte in gerader Linie nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG greift, kann ggf. auf die Regelung des § 16 GrEStG zur Rückgängigmachung zurückgegriffen werden, vorausgesetzt, die ursprüngliche Schenkung wurde dem zuständigen Finanzamt nach § 16 Abs. 5 GrEStG fristgerecht und vollständig angezeigt.