Mit Wirkung zum 01.01.2022 hatte der Gesetzgeber die deutsche Wegzugssteuer gem. § 6 AStG grundlegend neu geregelt und dadurch für viele betroffene Steuerpflichtige erheblich verschärft (dazu Graf von Armansperg, HB Steuerboard vom 14.06.2021). Ein Jahr ist seither vergangen und Steuerpflichtige wie Berater konnten einen ersten Eindruck von den durch die neue Rechtslage geschaffenen Praxisproblemen bekommen. Ein angekündigtes Rundschreiben der Finanzverwaltung, mit dem zumindest ein Teil der neuen Rechtsfragen geklärt werden sollte, steht leider noch aus. Für diejenigen Steuerpflichtigen, die im Jahr 2022 aus Deutschland weggezogen sind, sind die steuerlichen Folgen ihres Wegzugs daher zum Teil weiterhin unklar. Die steuer- wie rechtspolitische Dimension der Wegzugssteuer soll nachfolgend vor dem Hintergrund ihrer historischen Gesetzesentwicklung beleuchtet werden. » weiterlesen
Archiv der Kategorie: Haag, Maximilian
Neues zur Besteuerung der inländischen Destinatäre ausländischer Stiftungen
Die Besteuerung von in Deutschland ansässigen Begünstigten ausländischer Stiftungen wirft seit jeher eine Reihe ungelöster Rechtsfragen auf. Diskutiert wurde in der Vergangenheit, ob und unter welchen Voraussetzungen Stiftungsleistungen an die im Inland lebenden Begünstigten der deutschen Einkommensteuer oder der deutschen Schenkungsteuer – oder möglicherweise beiden Steuerarten zugleich – unterliegen. Daneben betraf der Diskurs die sog. Zurechnungsbesteuerung gemäß § 15 AStG, eine Form der „Durchgriffsbesteuerung“ auf die thesaurierten Einkünfte ausländischer Stiftungen, d.h. deren (anteilige) Einbeziehung in das steuerpflichtige Einkommen der inländischen Begünstigten der Stiftung. Zu den angesprochenen Themenkreisen existierten vor zehn Jahren nur wenige finanzgerichtliche Urteile und auch kaum Verlautbarungen der Finanzverwaltung. Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Viele der lange ungelösten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Besteuerung der Begünstigten ausländischer Stiftungen sind in der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung angekommen und wurden auf die eine oder andere Weise entschieden. Zu begrüßen ist, dass die Rechtssicherheit für die betroffenen Steuerpflichtigen und ihre Berater in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, wenngleich nicht immer nach Wunsch der Steuerpflichtigen. Drei aktuelle finanzgerichtliche Urteile bestätigen diesen Trend. » weiterlesen
Der lange Schatten von „Cum-Ex“ – Zur Verlängerung der Verfolgungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung
Mit dem Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber die strafrechtliche Verfolgungsfrist für alle besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung von zehn auf 15 Jahre verlängert (§ 376 Abs. 1 Hs. 1 AO n.F.). Die verlängerte Verjährungsfrist gilt nicht nur für künftige Fälle, sondern auch für alle Taten der Vergangenheit, für die am 29.12.2020 die bisherige zehnjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war. Obwohl die Gesetzesbegründung diese Gesetzesänderung nebulös mit „Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung, die mitunter hochkomplex sind und oftmals internationale Bezüge haben“ begründet (BT-Drucks. 19/25160, S. 209), lässt sich schnell erschließen, dass der Gesetzgeber mit der verlängerten Frist ein Sondergesetz für die sogenannten „Cum-Ex“-Fälle geschaffen hat. Da die Neuregelung allerdings sachlich nicht auf „Cum-Ex“-Fälle beschränkt ist, kann sie künftig auch Steuerpflichtige in einer Vielzahl anderer Situationen betreffen und teils erhebliche Fernwirkungen entfalten. » weiterlesen
Steine statt Brot – Neues von der sog. „gewerblichen Aufwärtsinfektion“
Mit Urteil vom 06.06.2019 – IV R 30/16 hat der BFH entschieden, dass alle Einkünfte einer selbst nicht gewerblich tätigen oder geprägten Personengesellschaft (Obergesellschaft), die ihrerseits an einer gewerblich tätigen, gewerblich infizierten oder gewerblich geprägten Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt ist, auch dann als gewerbliche Einkünfte zu besteuern sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG), wenn die Beteiligung an der Untergesellschaft und die Höhe der daraus erzielten Einkünfte ihrem Umfang nach geringfügig sind. In anderen Worten: Solange nicht die gewerbliche Tätigkeit der Untergesellschaft geringfügig ist, führt ihre gewerbliche „Infektion“ immer zur gewerblichen „Aufwärtsinfektion“ der Obergesellschaft. Die Folgen dieses Urteils für vermögensverwaltende Personengesellschaften, die bei der Auswahl ihrer Investments nicht größtmögliche steuerliche Vorsicht walten lassen, können dramatisch sein. Erstaunlicherweise sollen die Folgen der Aufwärtsinfektion nach dem Urteil vom 06.06.2019 allerdings nicht für die Gewerbesteuer gelten. » weiterlesen
Das Phänomen der „passiven Entstrickung“ – oder: Nichtstun kann Steuern auslösen
Das Steuerrecht kennt eine Reihe sog. Entstrickungstatbestände – Vorgänge, die zur Versteuerung der stillen Reserven eines Wirtschaftsguts führen, ohne dass dieses vom Steuerpflichtigen verkauft oder sonst am Markt verwertet worden ist. Charakteristisch für diese Sachverhalte ist, dass sie nicht mit einem Liquiditätszufluss beim Steuerpflichtigen einhergehen, weshalb die Entstrickungsbesteuerung wirtschaftlich wie eine Substanzbesteuerung wirkt. Mit BMF-Schreiben vom 26.10.2018 (DB 2018 S. 2721) hat die Finanzverwaltung klargestellt, dass die Entstrickungsbesteuerung unabhängig von einer Handlung des Steuerpflichtigen allein durch eine Änderung der rechtlichen Ausgangssituation ausgelöst werden kann, wenn dadurch das deutsche Besteuerungsrecht endet oder eingeschränkt wird – sog. „passive Entstrickung“. » weiterlesen
Ertragsteuerliche Risiken bei der Unternehmensübergabe mit Nießbrauch
Der vom Unternehmer im Rahmen der lebzeitigen Übertragung seines Unternehmens oder von Anteilen am Unternehmen auf den Nachfolger vorbehaltene Nießbrauch erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit. Einerseits kann der Unternehmer durch den Nießbrauch – bei entsprechend umsichtiger Vertragsgestaltung – eine erbschaftsteuergünstige Übertragung vornehmen und andererseits weiterhin dauerhaft an den Erträgen des übertragenen Unternehmens teilhaben sowie Einfluss auf die laufende Geschäftsführung des Unternehmens nehmen. Nach der BFH-Rechtsprechung ist der vom Unternehmer vorbehaltene Nießbrauch auch nicht als Gegenleistung im ertragsteuerlichen Sinne für die Übertragung anzusehen, so dass jedenfalls insoweit keine Realisierung stiller Reserven droht (BFH vom 24.04.1991 – XI R 5/83, DB 1991 S. 1860, ständige Rechtsprechung). Nach einem neuen Urteil des BFH (BFH vom 25.01.2017 – X R 59/14, DB 2017 S. 1813) birgt der Vorbehalt eines Nießbrauchs bei der Unternehmensübergabe an die nächste Generation gleichwohl das nicht unerhebliche Risiko, dass die steuerneutrale Buchwertfortführung dabei versagt wird. Einkommensteuerlich würde die Übertragung dann beim Übertragenden wie ein Verkauf des Unternehmens zum Verkehrswert behandelt, freilich ohne dass der Übertragende einen korrespondierenden Mittelzufluss hat. » weiterlesen
Internationaler Datenaustausch in Steuersachen: eine Revolution steht vor der Tür
Der internationale Informationsaustausch in Steuersachen wird das Besteuerungsverfahren in Deutschland und anderen Ländern in naher Zukunft revolutionieren. Aus der Anknüpfung der Ertragsteuern am Welteinkommen ergeben sich Informationsdefizite der Finanzbehörden bei Auslandssachverhalten, da die nationalen Ermittlungsmöglichkeiten im Regelfall an der Staatsgrenze enden. Angesichts einer zunehmenden Mobilität von Personen, Gütern und Kapital liegt es auf der Hand, dass die nationalen Steuerbehörden an Grenzen bei der Feststellung der steuerlich maßgebenden Sachverhalte stoßen. Die zwischenzeitlich geschaffenen Mitwirkungs- und Meldepflichten der Steuerpflichtigen bei Auslandsachverhalten (u.a. §§ 90 Abs. 2 und 3, 138 Abs. 2 AO, §§ 16, 17 AStG, § 30 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 ErbStG) haben nicht zu der gewünschten Beseitigung des Informationsnachteils des Fiskus geführt. Der unmittelbare Steuerdatenaustausch zwischen den Steuerbehörden einzelner Länder soll dem abhelfen. » weiterlesen
Ertragsteuerlich günstige Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs durch Leibrente auch heute noch möglich
Bei lebzeitigen Unternehmensübertragungen ist das ertragsteuerliche Modell der „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ weit verbreitet. Hierbei überträgt der Unternehmer sein Unternehmen oder wesentliche Teile davon auf den Nachfolger und lässt sich von diesem im Gegenzug lebenslange, seinen Lebensunterhalt sichernde Geldleistungen gewähren. Unter gewissen Voraussetzungen handelt es sich dabei entgegen der allgemeinen ertragsteuerlichen Systematik nicht um einen entgeltlichen Vorgang, der zu einer Realisierung stiller Reserven führt. Allerdings kann der Übernehmer die von ihm gewährten Geldleistungen als Sonderausgaben abziehen; der Übergeber muss die empfangenen Geldleistungen als sonstige Einkünfte versteuern (Korrespondenzprinzip). » weiterlesen