Schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der Festsetzung von Zinsen nach §§ 233, 238 AO

RA Silke Bandener, LL.M., ist bei P+P Pöllath + Partners in München mit den Schwerpunkten M&A, PE und Steuerrecht und der Spezialisierung auf Managementbeteiligungen tätig.

Für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sieht die Abgabenordnung (AO) in den §§ 233 ff. verschiedene Verzinsungstatbestände vor. Zu verzinsen sind hiernach ausschließlich gestundete Steueransprüche (§ 234 AO), hinterzogene Steuern (§ 235 AO), Erstattungsbeträge infolge einer gerichtlichen Entscheidung (§ 236 AO) und Steueransprüche, deren Vollziehung zeitweise ausgesetzt ist (§ 237 AO). Darüber hinaus sind Steuererstattungen vor Fälligkeit und Steuernachzahlungen zu verzinsen (§ 233a AO). » weiterlesen

Keine wirtschaftliche Auslegung des Tätigkeitsortsprinzips bei Dienstreisen im Rahmen von Arbeitnehmerentsendungen

StB Dipl.-Kfm. Dr. Christian Hick, Partner bei FGS Flick Gocke Schaumburg, Bonn

Die am 08.08.2019 veröffentlichte BFH-Entscheidung vom 16.01.2019 (I R 66/17) betrifft die Zuordnung des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts für den auf Dienstreisen entfallenden anteiligen Arbeitslohn im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung. Streitig war, welchem Staat das Besteuerungsrecht für Arbeitslohnzahlungen zusteht, die auf Tätigkeitszeiten des Arbeitnehmers im Rahmen von Dienstreisen in den abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers und sog. Drittstaaten entfallen. Die praktische Relevanz der Entscheidung ergibt sich daraus, dass das BMF-Schreiben vom 03.05.2018 (BStBl. I 2018 S. 643) zur Behandlung des Arbeitslohns nach den DBA hierzu nicht ausdrücklich Stellung nimmt. » weiterlesen

Steine statt Brot – Neues von der sog. „gewerblichen Aufwärtsinfektion“

RA/StB Dr. Maximilian Haag, LL.M., P+P Pöllath und Partners, München

Mit Urteil vom 06.06.2019 – IV R 30/16 hat der BFH entschieden, dass alle Einkünfte einer selbst nicht gewerblich tätigen oder geprägten Personengesellschaft (Obergesellschaft), die ihrerseits an einer gewerblich tätigen, gewerblich infizierten oder gewerblich geprägten Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt ist, auch dann als gewerbliche Einkünfte zu besteuern sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG), wenn die Beteiligung an der Untergesellschaft und die Höhe der daraus erzielten Einkünfte ihrem Umfang nach geringfügig sind. In anderen Worten: Solange nicht die gewerbliche Tätigkeit der Untergesellschaft geringfügig ist, führt ihre gewerbliche „Infektion“ immer zur gewerblichen „Aufwärtsinfektion“ der Obergesellschaft. Die Folgen dieses Urteils für vermögensverwaltende Personengesellschaften, die bei der Auswahl ihrer Investments nicht größtmögliche steuerliche Vorsicht walten lassen, können dramatisch sein. Erstaunlicherweise sollen die Folgen der Aufwärtsinfektion nach dem Urteil vom 06.06.2019 allerdings nicht für die Gewerbesteuer gelten. » weiterlesen

JStG 2019: Zur geplanten Anpassung der Abziehbarkeit von Aufwendungen bei §§ 17 und 20 EStG

RA Felix Mocker, Associate bei P+P Pöllath + Partners, Frankfurt/M.

Unter dem sperrigen Namen „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ hat die Bundesregierung am 31.07.2019 den Regierungsentwurf für das JStG 2019 vorgelegt. Der Entwurf sieht vor, dass offene oder verdeckte Einlagen sowie gesellschaftsrechtlich veranlasste Darlehensverluste und Ausfälle von Bürgschaftsforderungen (wieder) als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S.v. § 17 Abs. 2 EStG gewinnmindernd zu berücksichtigen sind. Dagegen sollen die Uneinbringlichkeit einer privaten Kapitalforderung, die Ausbuchung oder Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter sowie vergleichbare Ausfälle von Wirtschaftsgütern künftig keine Veräußerung i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG mehr darstellen. Damit wären im Zusammenhang mit solchen Ereignissen realisierte Verluste aus Kapitalvermögen nicht mehr berücksichtigungsfähig. » weiterlesen

Zuordnung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zur Betriebsstätte im Nicht-DBA-Fall

StB Korbinian Wintermeier, LL.M., Associate bei P+P Pöllath + Partners, München

Hinsichtlich der Ertragsbesteuerung von Mitunternehmerschaften muss gerade im internationalen Kontext im Vergleich zum rein inländischen Sachverhalt die Frage gestellt werden, welchem Staat das Besteuerungsrecht der einzelnen Wirtschaftsgüter zusteht. In diesem Zusammenhang hatte jüngst der BFH darüber zu entscheiden (vgl. BFH vom 29.11.2017 – I R 58/15, DB 2018 S. 804), ob es angezeigt ist, eine deutsche Feststellungserklärung für eine inländische vermögensverwaltende, aber i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte Personengesellschaft einzureichen, an der ausschließlich ausländische Mitunternehmer beteiligt sind, wenn die inländische Personengesellschaft Gewinnausschüttungen aus ihrer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft erhält. Bevor diese Frage beantwortet werden kann, muss vorgelagert geprüft werden, nach welchen Kriterien die Beteiligung an der inländischen Kapitalgesellschaft tatsächlich der inländischen Personengesellschaft zuzuordnen ist. » weiterlesen

Anzeigepflichten für Steuergestaltungen – kommt die Meldepflicht auch im innerstaatlichen Bereich?

RA/StB Dr. Martin Liebernickel, Associated Partner bei P+P Pöllath + Partners, Frankfurt/M.

Nach der EU-Richtlinie 2018/822/EU vom 25.05.2018 („DAC 6“) sind die nationalen Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.12.2019 eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle in nationales Recht umzusetzen. Der vom BMF am 30.01.2019 in die Ressortabstimmung gegebene Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie geht dagegen über die europarechtlichen Vorgaben hinaus und regelt nicht nur eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende, sondern auch für innerstaatliche Steuergestaltungen. Das BMWi hat daraufhin dem Referentenentwurf offiziell widersprochen. Auch in der Unionsfraktion stößt eine innerstaatliche Anzeigepflicht dem Vernehmen nach auf Ablehnung, während der Bundesfinanzminister offenbar unbedingt an ihr festhalten will. Die Fronten scheinen verhärtet. » weiterlesen

Die Definition der fiktiven Dividende des § 7 UmwStG ist teleologisch zu reduzieren

StB Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Martin Weiss ist tätig bei Flick Gocke Schaumburg, Berlin

Das Umwandlungssteuergesetz soll nach der Auffassung des BFH „die betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung von Unternehmen … erleichtern und für den nach allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen verwirklichten Realisationstatbestand … einen Steueraufschub … gewähren“ (zuletzt BFH vom 30.05.2018 – I R 31/16, DB 2018 S. 2907, Rz. 26). Allerdings wird dieser Programmsatz bei einer Umwandlung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften nach dem Verschmelzungsteil des Umwandlungssteuergesetzes (§§ 3-9, 16, 18 UmwStG) nicht für alle steuerlichen Aspekte der Umwandlung konsequent umgesetzt. Durch das prominente Wahlrecht der übertragenden Körperschaft nach § 3 Abs. 2 UmwStG kann zwar der Wertansatz der „übergehenden Wirtschaftsgüter“ in Grenzen gesteuert werden. Der übernehmende Rechtsträger ist dann an diese Werte gebunden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). » weiterlesen

Grunderwerbsteueranzeigen in Zeiten komplexer Immobilientransaktionen: schnell vor sachgerecht?

RA Dr. David Hötzel, LL.M., Associate bei P+P Pöllath + Partners, Berlin

Der Referentenentwurf des BMF für das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 08.05.2019 enthält vieldiskutierte Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Neben den oft im Fokus stehenden Änderungen bzgl. der Share Deals (dazu Wagner, DB 2019 S. 1286), verdient der neu geplante § 19 Abs. 6 GrEStG-E Beachtung. Danach soll die allgemein vorgesehene Begrenzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 25.000 € bei verspätet eingereichten Grunderwerbsteueranzeigen keine Anwendung finden. Begründet wird dies damit, dass bei unterlassener rechtzeitiger Anzeige die Steuerveranlagung erheblich erschwert werde. Eine Missbrauchsvermeidung könne hier nur erreicht werden, wenn auch in Fällen mit hohen Immobilienwerten ein angemessener Verspätungszuschlag festgesetzt werde. Gerade beim Erwerb umfangreicher Immobilienportfolios darf vor dem Hintergrund des aktuellen Rechtszustandes aber bezweifelt werden, dass solche Erschwerungen geboten oder sinnvoll sind. » weiterlesen