Mit dem Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber die strafrechtliche Verfolgungsfrist für alle besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung von zehn auf 15 Jahre verlängert (§ 376 Abs. 1 Hs. 1 AO n.F.). Die verlängerte Verjährungsfrist gilt nicht nur für künftige Fälle, sondern auch für alle Taten der Vergangenheit, für die am 29.12.2020 die bisherige zehnjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war. Obwohl die Gesetzesbegründung diese Gesetzesänderung nebulös mit „Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung, die mitunter hochkomplex sind und oftmals internationale Bezüge haben“ begründet (BT-Drucks. 19/25160, S. 209), lässt sich schnell erschließen, dass der Gesetzgeber mit der verlängerten Frist ein Sondergesetz für die sogenannten „Cum-Ex“-Fälle geschaffen hat. Da die Neuregelung allerdings sachlich nicht auf „Cum-Ex“-Fälle beschränkt ist, kann sie künftig auch Steuerpflichtige in einer Vielzahl anderer Situationen betreffen und teils erhebliche Fernwirkungen entfalten. » weiterlesen
Schlagwort-Archive: Steuerstrafrecht
Geplantes Verbandssanktionengesetz: Künftig Strafverfahren gegen Unternehmen bei Steuervergehen
Am 16.06.2020 hat die Bundesregierung mit dem sogenannten „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung eines Verbandssanktionengesetzes initiiert. Hierdurch sollen erstmals Unternehmen – d.h. insbesondere Personen- und Kapitalgesellschaften – selbst Beschuldigte von Strafverfahren und Adressaten strafrechtlicher Sanktionen werden – statt wie bisher im Grundsatz „nur“ die individuell verantwortlichen natürlichen Personen. Anders als zum Teil erwartet (oder erhofft), hat der Bundesrat den Regierungsentwurf in seiner Sitzung am 18.09.2020 grundsätzlich begrüßt und nur Änderungsbedarf in einzelnen Punkten angemahnt. Die wohl mit Abstand meisten potenziellen Unregelmäßigkeiten dürften in Unternehmen auf dem Gebiet des Steuerrechts entstehen. Grund genug, sich mit den potenziellen Auswirkungen des Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) zu befassen. » weiterlesen
Anzeigepflichten für Steuergestaltungen – kommt die Meldepflicht auch im innerstaatlichen Bereich?
Nach der EU-Richtlinie 2018/822/EU vom 25.05.2018 („DAC 6“) sind die nationalen Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.12.2019 eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle in nationales Recht umzusetzen. Der vom BMF am 30.01.2019 in die Ressortabstimmung gegebene Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie geht dagegen über die europarechtlichen Vorgaben hinaus und regelt nicht nur eine Anzeigepflicht für grenzüberschreitende, sondern auch für innerstaatliche Steuergestaltungen. Das BMWi hat daraufhin dem Referentenentwurf offiziell widersprochen. Auch in der Unionsfraktion stößt eine innerstaatliche Anzeigepflicht dem Vernehmen nach auf Ablehnung, während der Bundesfinanzminister offenbar unbedingt an ihr festhalten will. Die Fronten scheinen verhärtet. » weiterlesen
„AirBnB“-Vermieter im Fokus steuerlicher Ermittlungen
Wer seine eigene Wohnung Dritten entgeltlich – wenn auch nur tageweise – überlässt, muss die Einnahmen beim Finanzamt angeben. Kommt der Steuerpflichtige dem nicht nach, kann schon bald die Steuerfahndung klingeln. Denn die Einnahmen sind steuerpflichtig, und zwar in dem Land, in dem sich die Immobilie befindet. In Deutschland unterliegen diese Mieteinnahmen ebenfalls regelmäßig der Einkommensteuer. Selbst Umsatzsteuer kann unter bestimmten Voraussetzungen anfallen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Vermietung über ein ausländisches Vermietungsportal erfolgt. Aktuelle Brisanz entwickelt dieses Thema durch die Anfrage deutscher Finanzbehörden an deren irische Kollegen mit dem Inhalt, Daten über deutsche Steuerpflichtige zu übermitteln, die über das Vermietungsportal „AirBnB“ Vermietungseinkünfte generieren. Die irischen Behörden haben nun aufgrund der bestehenden bilateralen Vereinbarung maximal sechs Monate Zeit, um der deutschen Finanzverwaltung die angefragten Informationen zu übermitteln. » weiterlesen
Steuerhinterziehung durch Unterlassen bei Verstreichenlassen steuerlicher Erklärungsfristen
Dass die Nichtabgabe sowie die nicht-rechtzeitige Abgabe von Steuererklärungen zu steuerstrafrechtlichen Problemen führt, ist in der Öffentlichkeit jüngst anhand des Falles des Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes breiter diskutiert worden. Der BGH hat ebenfalls vor kurzem zur Konstellation der Nichtabgabe von Steuererklärungen Stellung genommen und dabei sowohl Grundsätzliches klargestellt sowie den Sonderfall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens behandelt. In seinem Beschluss vom 10.08.2017 (1 StR 573/16, RS1253730) hatte der BGH den Fall zu entscheiden, dass der Angeklagte für die Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 keine Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben hatte. » weiterlesen
Neues britisches Unternehmenssteuerstrafrecht: Auswirkungen auf deutsche Unternehmen
Mit Wirkung vom 30.09.2017 ist im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (UK) mit dem Criminal Finances Act 2017 ein neues Unternehmenssteuerstrafrecht in Kraft getreten, welches erhebliche Auswirkungen auf deutsche Unternehmen mit einem Bezug zu UK haben kann (abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk unter PART 3 Corporate offences of failure to prevent facilitation of tax evasion). Dabei spielt es keine Rolle, ob das betreffende Unternehmen überhaupt in UK tätig oder gar ansässig ist, ob es sich bei etwaigen verkürzten Steuern um in UK geschuldete Abgaben handelt oder ob die handelnden Personen Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens sind. Auf Basis des Corporate offences of failure to prevent facilitation of tax evasion (CCO) können gegen betroffene Unternehmen Geldstrafen in grundsätzlich unbegrenzter Höhe verhängt und diese von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen sowie mit besonderen Auflagen beschwert werden. » weiterlesen
Dringender Handlungsbedarf bei Cum/Cum-Geschäften zur Vermeidung einer steuerlichen „Bananenrepublik“
Bei Cum/Cum-Geschäften, die in Form des Aktienkaufs oder der Wertpapierleihe vorgenommen wurden, kommt es nach der Rechtsprechung des BFH auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an, ob wirtschaftliches Eigentum gem. § 39 Abs. 2 AO auf den Erwerber bzw. den Entleiher übergegangen ist oder nicht. Sollte das wirtschaftliche Eigentum übergegangen sein, kommt es wiederum auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an, ob ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO vorliegt. Sollte das wirtschaftliche Eigentum nicht übergegangen sein oder die Zurechnung der Dividenden wegen der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs versagt werden, ist auch die Anrechnung bzw. Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu versagen. Das kann gravierende finanzielle Auswirkungen für Banken in Deutschland haben, soweit diese als Entleiher oder kurzfristiger Erwerber agiert haben (zum Ganzen vgl. Spengel, DB1224506). » weiterlesen
AEAO zu § 153 AO: Berichtigungspflicht und steuerstrafrechtliche Verantwortlichkeit von Bevollmächtigten
Mit Schreiben vom 23.05.2016 (DB 2016 S. 1228) hat das BMF den Anwendungserlass zur AO (AEAO) um Ausführungen zu § 153 AO ergänzt. Die Regelung des § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO wirft viele Auslegungsfragen auf, die in der Fachliteratur umstritten sind. Dies hat eine besondere Brisanz, da im Falle eines Verstoßes gegen die Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 1 AO eine steuerstrafrechtliche Verfolgung wegen einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO droht (zur Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht von einer Selbstanzeige vgl. Klepsch, Steuerboard vom 09.06.2016). » weiterlesen