Erneute Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuergesetzes? – Der 90%-Test auf dem Prüfstand

StB/Dipl.-Kfm. Ricardo Fischnaler, LL.M., Partner und Christoph Samen, LL.B., Professional bei der WTS Steuerberatungsgesell-schaft mbH, Köln.

Mit Urteil vom 24.11.2021 kam das FG Münster entgegen der Sichtweise der Finanzverwaltung zu dem Ergebnis, dass der sog. 90%-Test (Verwaltungsvermögenstest) i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG nach dem Gesetzeswortlaut zu mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtsfolgen führen würde (Az.: 3 K 2174/19 Erb). Das FG löste diesen Verfassungskonflikt durch eine teleologische Reduktion der Vorschrift. » weiterlesen

Teleologische Reduktion des sog. Einstiegstests nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG bei der Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen

StB Sabrina Dotterweich, Associate bei POELLATH, München

Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer kann unternehmerisches Vermögen in Deutschland grundsätzlich steuerbegünstigt übertragen werden. Um jedoch überhaupt von der Begünstigung zu profitieren, muss zunächst die Hürde des sog. Einstiegstests (90%-Test) gemeistert werden, § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Der Einstiegstest folgt dabei bisher dem sog. Alles-oder-Nichts-Prinzip. Beträgt der modifizierte Wert des Verwaltungsvermögens mindestens 90% des gemeinen Werts des grundsätzlich begünstigungsfähigen Vermögens, unterliegt die Übertagung – unabhängig von der Zusammensetzung des Vermögens – in voller Höhe der Besteuerung. Dies führt in der Praxis oftmals zu wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Ergebnissen. Das FG Münster hat nun mit einem am 17.01.2022 veröffentlichten Urteil (3 K 2174/19 Erb) entschieden, dass der Einstiegstest bei Übertragungen von Kapitalgesellschaftsanteilen im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass er bei einer originär gewerblichen Kapitalgesellschaft nicht zur Anwendung kommt. » weiterlesen

Die Sperrfrist des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist teleologisch zu reduzieren

StB Dipl.-Kfm. Manuel Brühl ist Inhaber von BRÜHL, München. StB Dipl.-Kfm. Dr. Martin Weiss ist tätig bei Flick Gocke Schaumburg, Berlin.

Das FG Münster hat in einem aktuellen Urteil vom 24.06.2020 (13 K 3029/18 F) entschieden, dass die Sperrfristregelung des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG – die sog. „Körperschaftsklausel“ nach Übertragungen gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – in gewissen Sachverhaltskonstellationen teleologisch einzuschränken ist. Damit hat es sich auf die Seite des FG München geschlagen, das – in einer sehr ähnlichen Konstellation – ebenfalls eine teleologische Reduktion befürwortet hatte (FG München vom 10.07.2019 – 7 K 1253/17; anhängig beim BFH: XI R 20/19; Weiss/Brühl, DB 2020 S. 914). » weiterlesen