Betriebsübergang und Informationsschreiben – Verwirkung oft die letzte Rettung des Arbeitgebers

Cornelia Schmid, Rechtsanwältin, Attorney at Law, FAinArbR, Associate Partner, Rödl & Partner, Nürnberg

In der Terminübersicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26. 1. 2012 wurde noch eine anstehende Entscheidung zum Betriebsübergang mit den Einzelthemen „Verwirkung des Widerspruchsrechts“ und „ordnungsgemäße Unterrichtung“ angekündigt. Zu einer Entscheidung kam es laut Pressemitteilung des BAG Nr. 7/12 nicht mehr, da die Parteien die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung durch Vergleich erledigt haben.

Zwar ist bereits mit dem Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze zum 1. 4. 2002 die Regelung des § 613a Abs. 5 BGB (Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers) sowie Abs. 6 BGB (Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers) in Kraft getreten. Bis heute beschäftigen aber die erforderlichen Inhalte des Unterrichtungsschreibens und Widerspruchsmöglichkeiten des Arbeitnehmers die Arbeitsgerichte bis in die höchste Instanz. Nach den oben genannten Regelungen setzt erst eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitgebers über den Betriebsübergang die Frist für den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses von einem Monat in Gang.

In dem ursprünglich vom BAG zu entscheidenden Fall war das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers nach einem Unterrichtungsschreiben seines bisherigen Arbeitgebers vom 30. 3. 2006 im Weg des Teilbetriebsübergangs ab 1. 5. 2006 auf einen Erwerber übergegangen. Diesem Übergang hat der Arbeitnehmer ursprünglich nicht widersprochen. Beim Erwerber wurden dann am 15. 12. 2006 Änderungen in der variablen Vergütung des übernommenen Arbeitnehmers in seinem Einverständnis vorgenommen. Am 20. 2. 2007 wurde dem Arbeitnehmer vom Erwerber eine neue Position mit höherer Vergütung zugeordnet. Erst als im Januar 2009 der Erwerber aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten einen Insolvenzantrag gestellt hat und das Insolvenzverfahren am 1. 4. 2009 eröffnet wurde, hat der Arbeitnehmer mit Schreiben vom 31. 3. 2009 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zum 1. 5. 2006 auf den Erwerber widersprochen. In I. und II. Instanz war die Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis über den 1. 5. 2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht, abgewiesen worden. Gegenstand der vorinstanzlichen Entscheidung war dabei zunächst die Frage, ob die Unterrichtung über den Teilbetriebsübergang ordnungsgemäß erfolgt ist. Außerdem wurde darüber entschieden, ob durch den Zeitablauf und die besonderen Umstände das ursprünglich bestehende Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirkt sein kann.

Betrachtet man die Rechtsprechung seit in Kraft treten von § 613a Abs. 5 und 6 BGB im April 2002 scheint es für den Arbeitgeber fast unmöglich zu sein, den Inhalt des Unterrichtungsschreibens ordnungsgemäß zu gestalten. Grundsätzlich hat die Unterrichtung den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt sowie den Grund des Übergangs, die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen und die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer zu enthalten. Zu letztgenanntem Punkt gehört die Angabe zum Betriebserwerber mit Name, Firma und Anschrift. Diesbezüglich rügte im konkreten Fall der Arbeitnehmer, dass die übernehmende Firma ungenau bezeichnet war und die Anschrift der Übernehmerin fehlte. Allerdings haben die Vorinstanzen nicht abschließend entschieden, ob die Unterrichtung ordnungsgemäß erfolgt ist, da das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers als verwirkt angesehen wurde.

Um eine Verwirkung bejahen zu können, muss ein Zeit- und Umstandsmoment beachtet werden. Der Widerspruch erfolgte im konkreten Fall drei Jahre nach dem Informationsschreiben. Zwar gibt es keine festen Fristen im Hinblick auf das Zeitmoment. Drei Jahre dürften aber ausreichend sein. Das sogenannte Umstandsmoment haben die Vorinstanzen u. a. geprüft im Hinblick auf die beim Erwerber vorgenommenen Vertragsänderungen. Diese waren für die Gerichte nicht ausreichend. Eine Verwirkung wurde aber deshalb bejaht, weil der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses erst drei Monate nach Stellung des Insolvenzantrags widersprochen hat. Dieser Widerspruch erfolgte erst, nachdem der Arbeitnehmer gegenüber dem Insolvenzverwalter eine vertragliche Regelung zur Vorfinanzierung des Insolvenzgelds unterzeichnet hatte. Immer wieder wurde entschieden, dass für das Umstandsmoment im Rahmen der Verwirkung eine Weiterarbeit beim Erwerber grundsätzlich nicht ausreicht. Vielmehr ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber deutlich zum Ausdruck bringt, dass er diesen als seinen neuen Arbeitgeber anerkennt. Die Hinnahme einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit dem Erwerber können das Umstandsmoment im Rahmen der Verwirkung erfüllen.

Da auf Grund der Komplexität und der fehlenden Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung zum Inhalt des Unterrichtungsschreibens kaum eine fehlerfreie Unterrichtung seitens des Arbeitgebers möglich ist, ist es oft die letzte Rettung des Arbeitgebers über die Verwirkung einen Widerspruch zunichte zu machen. Dies haben die Vorinstanzen wieder einmal deutlich gemacht. Das BAG wäre dieser Entscheidung vermutlich gefolgt.

Kommentare sind geschlossen.