Mit den im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vorgenommenen Änderungen der Insolvenzordnung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Durchführung der verschiedenen Stadien einer Insolvenz durch die Geschäftsführung selbst weiter zu erleichtern. Der Gesetzgeber hat es jedoch versäumt, eindeutige Regelungen zu der Haftung der Geschäftsführung zu treffen. Wesentlicher Unterschied des Schutzschirmverfahrens und der Eigenverwaltung zu „klassischen“ Insolvenzverfahren ist, dass kein (vorläufiger) Insolvenzverwalter eingesetzt wird, sondern vielmehr der Schuldner und damit de facto die Geschäftsführung weiterhin verfügungsbefugt bleibt (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Geschäftsführung wird in einem solchen Verfahren lediglich ein Sachwalter als Aufsichtsperson zur Seite gestellt.
Vielfach diskutiert werden die Haftungsrisiken für Geschäftsführer in der Eigenverwaltung. Die unklare Gesetzeslage hat zu unterschiedlichen Ansätzen zur Haftungsbegründung geführt.
Im Ergebnis sollte klar sein, dass die Geschäftsführung in der Eigenverwaltung nicht im haftungsfreien Raum agiert. Dies wäre mit den Gläubigerschutzinteressen nicht vereinbar. Die Begründung einer Haftung kann aber bereits aus der allgemeinen Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG abgeleitet werden. Danach haftet die Geschäftsführung für Pflichtverletzungen, wenn der Gesellschaft dadurch ein Schaden entsteht. Zu beachten ist jedoch, dass sich mit der eigenverwaltenden Tätigkeit der Pflichtenkreis auf Seiten der Geschäftsführung maßgeblich wandelt. Es sind nunmehr nicht vorrangig die Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen, sondern diejenigen der Gläubiger. Gleichwohl darf auch im Rahmen der Eigenverwaltung eine Handlung keine Haftung auslösen, wenn der Geschäftsführer vernünftigerweise annehmen durfte, dass die getroffene Entscheidung dem Wohle der Gesellschaft bzw. der Gläubiger dient (Business Judgement Rule; vgl. hierzu Brinkmann, DB 2012 S. 1369). Insofern bestünde auch kein Unterschied zum (vorl.) Insolvenzverwalter (§ 60 InsO). Sofern der Geschäftsführer demnach seine Geschäftsführung nach den genannten Interessen ausrichtet, ergibt sich keine Haftungserweiterung im Verhältnis zur Geschäftsführung in „guten Zeiten“ und damit auch kein besonders erhöhtes Haftungsrisiko im Rahmen der Eigenverwaltung. Es handelt sich um ein kalkulierbares Risiko.
Vielfach wird als Haftungsnorm aber auch auf § 64 Satz 1 GmbHG verwiesen (so u. a. Simon/Klein, ZInsO 2012 S. 2009). Hiernach ist die Geschäftsführung „der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet“ wurden, es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar.
Im eröffneten Insolvenzverfahren ist eine Anwendung von § 64 Satz 1 GmbHG abzulehnen, da es keiner „Androhung“ der Haftung für entsprechende Zahlungen mehr bedarf (so etwa Thole/Brünkmans, ZIP 2013 S. 1097). Das eröffnete Verfahren ist nicht mehr auf eine ordentliche Geschäftsführung gerichtet, sondern vielmehr auf den Zweck der Wahrung der Gläubigerinteressen. In ein solches System passt daher ein Erstattungsanspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG nicht. Auch im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung bzw. eines Schutzschirmverfahrens ist eine Haftung nach § 64 Satz 1 GmbHG entgegen dessen Wortlaut abzulehnen (so Brinkmann, DB 2012 S. 1369; die Anwendung von § 64 Satz 1 GmbHG befürwortend, aber die Tatbestandsmerkmale entsprechend der Zielsetzung des Schutzschirmverfahrens interpretierend Schmidt/Poertzgen, NZI 2013 S. 369). Sein Schutzzweck ist durch die erfolgte Stellung eines Insolvenzantrags und die Anordnung einer vorläufigen Eigenverwaltung bzw. eines Schutzschirmverfahrens nicht mehr einschlägig; die aus § 64 Satz 1 GmbHG folgenden Obliegenheiten des Geschäftsführers haben sich erledigt. Gleichzeitig befindet sich die Gläubigergesamtheit bereits unter dem Schutz des Insolvenzverfahrens. Es obliegt sodann dem Gericht festzustellen, ob die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG) und daher ein „klassisches“ (vorläufiges) Insolvenzverfahren anzuordnen ist. Warum soll der eigenverwaltende Geschäftsführer aufgrund der mit § 64 Satz 1 GmbHG verbundenen Sanktionierung von Zahlungen unabhängig vom Eintritt eines Schadens und der zu seinen Lasten bestehenden Beweislastumkehr schlechter gestellt werden als ein vorläufiger Insolvenzverwalter? Eine Anwendung des § 64 Satz 1 GmbHG und das damit verbundene hohe Haftungsrisiko liefe/stünde konträr zum mit dem ESUG verfolgten Gesetzeszweck. Die Durchführung von vorläufigen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung soll durch das ESUG ja gerade gestärkt werden. Daher sollte der Anwendungsbereich des § 64 Satz 1 GmbHG mit dem Insolvenzantrag und der Anordnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrensin Eigenverwaltung bzw. eines Schutzschirmverfahrens enden (ebenso Brinkmann, DB 2012 S. 1369). Für den bisherigen Regelfall der Anordnung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters wird nach h. M. ja auch keine Haftung der Geschäftsführung nach § 64 Satz 1 GmbHG bejaht, obwohl der Geschäftsführer auch in diesem Fall an jeder Zahlung mitwirken muss – wenn auch nicht mehr ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. hierzu Schmidt/Poertzgen, a.a.O.).
Der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung ist dennoch gehalten, die aufgezeigten Unsicherheiten schnellstmöglich aufzulösen, um den zu begrüßenden vom ESUG verfolgten Zweck der Erleichterung der Eigenverwaltung auch tatsächlich vorbehaltlos zu bewirken und dieses Ziel nicht durch überzogene – nach hiesiger Auffassung auch nur vermeintliche – Haftungsrisiken für die Geschäftsführung zu gefährden.