Kartellrechts-Sammelklage gescheitert

Philipp Werner, Partner, McDermott Will & Emery

RA Philipp Werner, Partner, McDermott Will & Emery Belgium LLP, Brüssel

Die belgische Unternehmensgruppe Cartel Damages Claims (CDC) hat bei ihrem Versuch, im deutschen Kartellrecht Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild durchzusetzen, einen herben Rückschlag einstecken müssen.

Das LG Düsseldorf hat mit Urteil vom 17. 12. 2013 – 37 O 200/09 [Kart] eine Klage von CDC gegen sechs Teilnehmer des Zementkartells als unbegründet abgewiesen. CDC hatte diese Klage eingereicht, nachdem die Europäische Kommission die Kartellteilnehmer mit Bußgeldern belegt hatte. Es handelte sich also um eine sog. Follow-On-Klage, bei der sich der Kläger die Bindungswirkung der Bußgeldentscheidung einer Wettbewerbsbehörde für deutsche Gerichte bezüglich der Rechtsverletzung nach § 33 Abs. 4 GWB zunutze macht. Der Kläger muss dann nur noch die Schadenshöhe und die Kausalität nachweisen. Ähnliche Follow-On-Klagen hat CDC auch in anderen Fällen vor deutschen und ausländischen Gerichten eingereicht. In einem anderen Fall, der beim LG Dortmund anhängig ist und über den noch der EuGH in einem Vorlageverfahren entscheiden muss, liegt die Forderung bei rund 650 Mio. €.

Bei den meisten Kartellschadensersatzklagen in Europa handelt es sich um solche Follow-On-Klagen, auch die Europäische Kommission konzentriert ihre legislativen Bemühungen auf die Ermöglichung solcher Klagen. „Stand-Alone“-Klagen sind dagegen selten, ihnen werden in Europa wegen des Fehlens weitreichender Akteneinsichtsrechte im Allgemeinen kaum Chancen eingeräumt.

Das Geschäftsmodell von CDC beruht darauf, sich die Schadensersatzforderungen geschädigter Kunden des Kartells abtreten zu lassen. Diese Forderungen klagte CDC dann im eigenen Namen ein. Für CDC sowie für die geschädigten Kunden des Kartells ist das Geschäftsmodell nahezu risikolos. Im Erfolgsfall durfte CDC von dem ausgeurteilten Betrag einen Anteil von bis zu 45% behalten, der Rest würde als Kaufpreis für die abgetretenen Forderungen an die Abnehmer ausgekehrt. Auch bei Abweisung der Klagen drohte CDC nur ein geringes Risiko. Denn für die Klagen hatte CDC eigens Tochtergesellschaften gegründet, die nur minimal kapitalisiert waren und nicht einmal das Geld gehabt hätten, die Prozesskosten der Gegner zu erstatten. Auch für die geschädigten Kunden hielt sich das Risiko in Grenzen – sie würden im Erfolgsfall profitieren, im Unterliegensfall aber den obsiegenden Beklagten keine Kosten erstatten müssen. Kritiker weisen vor allem auf die wirtschaftliche Ähnlichkeit des Modells mit einem reinen Erfolgshonorarmodell hin, welches nach deutschem Recht unzulässig ist.

Der BGH hatte zwar 2009 die prozessuale Zulässigkeit der jetzt abgewiesenen Klage bejaht. Der BGH hatte aber noch nichts darüber gesagt, ob CDC die Klageansprüche tatsächlich zustehen. Die Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen, die der Zulässigkeit der Klage zugrunde lag, kehrte sich nun gegen CDC.

Das LG Düsseldorf hat das Geschäftsmodell CDCs für sittenwidrig erklärt und die Klage gegen sechs Teilnehmer des Zementkartells als unbegründet abgewiesen. Dem Urteil zufolge stehen CDC die geltend gemachten Ansprüche schon deswegen nicht zu, weil die Abtretung der Ansprüche wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig war und CDC deshalb nie Inhaber der geltend gemachten Schadensersatzansprüche geworden ist. Nach Auffassung des Gerichts verstößt die Abtretung gegen das im Rechtsstaat geltende Prinzip der Waffengleichheit, weil auf der einen Seite dreistellige Millionenbeträge einklagt werden, auf der anderen Seite aber nicht einmal genug Eigenkapital vorhanden ist, um bei Klageabweisung die Kosten der Beklagten zu erstatten. Möglicherweise war CDC auch einfach zu dreist vorgegangen. Die Richter konnten nämlich bei ihrer Entscheidung auf die eigenen Angaben der Belgier zurückgreifen. CDC hatte seinerzeit bei Prozessbeginn beantragt, die von ihr einzuzahlenden Gerichtsgebühren herabzusetzen, weil es an Geld für die Prozessführung fehle. Darüber stolperte CDC jetzt, denn die Sittenwidrigkeit stützt sich gerade darauf, dass der Kläger nicht über genügend Mittel verfügte, um im Unterliegensfall die Kosten der Beklagten zu erstatten. Das LG Düsseldorf wandte sich in seinem Urteil auch an die Geschädigten, die ihre Schadensersatzansprüche an CDC abgetreten hatten. Diese hätten die Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells ebenfalls erkennen müssen.

Das Urteil des LG Düsseldorf ist die jüngste Entscheidung in dem schon seit acht Jahren anhängigen Zementkartell-Prozess. Ob CDC gegen das Urteil Berufung einlegt oder nach Wegen sucht, um das Urteil zu umgehen, wird man abwarten müssen. Auch andere CDC-Klagen sind seit Jahren anhängig und gehen ihren Weg durch die Instanzen. Bis die Grundlagen des deutschen Rechts im Hinblick auf diese Klagen in allen Einzelheiten letztinstanzlich geklärt sind, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

Die geschädigten Kunden von Kartellen erleiden durch die Düsseldorfer Grundsatzentscheidung keinen Nachteil. Denn es ist nur das Geschäftsmodell von CDC, welches in dieser Entscheidung verdammt wurde, nicht die Möglichkeit, aufgrund von Kartellen erlittene Schäden einzuklagen. Die Kunden können ihre Schadensersatzforderungen auch weiterhin selbst einklagen, soweit sie nicht verjährt sind. Auf solche Organisationen wie CDC können und sollten sie dabei verzichten.

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