BAG setzt für Verdachtskündigungen neue Maßstäbe

RAin Kira Falter und RA/FAArbR Dr. Alexander Bissels, beide CMS Hasche Sigle, Köln

RAin Kira Falter und RA/FAArbR Dr. Alexander Bissels, beide CMS Hasche Sigle, Köln

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich am 12.02.2015 (6 AZR 845/13) mit den grundlegenden Anforderungen an eine Verdachtskündigung auseinandersetzen müssen (Pressemitteilung Nr. 6/15 vom 12.02.2015). Zwar ging es im Kern um die Frage, ob eine solche auch im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses möglich ist. Jedoch hat das BAG am Rande eine deutliche, arbeitgeberfreundliche Position im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Anhörung eingenommen, die auch für Verdachtskündigungen im „normalen“ Arbeitsverhältnis interessant ist.

Allgemeine Grundsätze einer Verdachtskündigung

Beabsichtigt der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung auszusprechen, d.h. eine Kündigung, bei der die Vertragspflichtverletzung (noch) nicht abschließend feststeht, muss er den Sachverhalt umfassend erforschen. Er darf dabei nicht nur den Arbeitnehmer belastende Umstände ermitteln, sondern muss auch entlastende Tatsachen berücksichtigen. Daher muss er den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Verdachtskündigung anhören und diesem Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern und seine Sicht der Dinge zu schildern. Geschieht dies nicht, ist die Kündigung bereits wegen dieses formellen Mangels unwirksam. An die Verdachtskündigung im Allgemeinen und die Anhörung im Besonderen werden strenge Anforderungen gestellt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Kündigung einen (bis dato) „unschuldigen“ Beschäftigten trifft und Kündigung ohnehin das letzte Mittel (ultima ratio) in einem Arbeitsverhältnis darstellen muss. Dies gilt erst recht, wenn diese „nur“ auf Verdachtsmomente gestützt werden soll.

Die Anhörung des Arbeitnehmers muss i.d.R. eine Woche nach Bekanntwerden der den Verdacht begründenden Umstände erfolgen, so dass der Arbeitgeber zusätzlich unter (zeitlichem) Druck steht. Während der Sachverhaltserforschung, zu der auch die Anhörung gehört, wird die 2-wöchige Frist zum Ausspruch der Verdachtskündigung (vgl. § 626 Abs. 2 BGB) gehemmt. Daher darf die Anhörung nicht hinaus gezögert werden. Weigert sich der Arbeitnehmer an dieser teilzunehmen, vereitelt er diese (z.B. durch mehrfache Krankmeldungen) oder sitzt er gar in U-Haft, ist die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich. Der Arbeitgeber kann sich aber dann nicht „ausruhen“, denn in diesem Fall wird die 2-Wochen-Frist zum Ausspruch der Kündigung nicht gehemmt.

Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Anhörung – BAG gibt klare Leitlinien vor

Bislang war in der Rechtsprechung und der Literatur umstritten, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, wenn er diesen in Vorbereitung einer Verdachtskündigung zur Anhörung einbestellt, den Grund für das Gespräch mitteilen muss. Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg (vom 30.03.2012 – 10 Sa 2272/11; so auch: ArbG Berlin vom 12.07.2013 – 28 Ca 3420/13, vgl. hierzu Bissels im CMS-Blog) muss die arbeitgeberseitige Aufforderung zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung den Gegenstand des Gespräches beinhalten und zudem den Mitarbeiter in die Lage versetzen, eine Vertrauensperson zur Anhörung hinzuzuziehen.

Dieser Rechtsprechung hat das BAG jüngst eine deutliche Absage erteilt. Ein Auszubildender zum Bankkaufmann hatte den Auftrag erhalten, das sich in den Nachttresorkassetten einer Filiale befindliche Geld zu zählen. Später stellte die Bank einen Kassenfehlbestand von 500 € fest. Als der Auszubildende daraufhin in einem Personalgespräch zur Rede gestellt wurde, nannte er nach Darstellung der Bank von sich aus die Höhe des Fehlbetrags, obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt nur auf eine unbezifferte Kassendifferenz angesprochen worden war. Die Bank kündigte daraufhin das Ausbildungsverhältnis wegen des durch die Offenbarung von Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung des Fehlbetrags fristlos.

Der Auszubildende klagte gegen die Kündigung und führte aus, dass ein Ausbildungsverhältnis nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden könne. Auch habe man ihn nicht ordnungsgemäß angehört. Denn vor dem fraglichen Gespräch sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden solle. Auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson sei er ebenfalls nicht hingewiesen worden.

Seine Revision wurde vom BAG zurückgewiesen. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass auch ein Ausbildungsverhältnis durch eine Verdachtskündigung beendet werden könne. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar mache. Dies sei hier der Fall. Im Übrigen sei die Anhörung fehlerfrei gewesen. Es habe weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas noch eines Hinweises bezüglich der möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson bedurft.

Folgen für die Praxis

Im Ergebnis macht das BAG eine klare Ansage zu den Anforderungen an die Vorbereitung der Anhörung. Vor dem Hintergrund, dass es in der Praxis verhältnismäßig selten zum Ausspruch einer Verdachtskündigung im Rahmen von Berufsausbildungsverhältnissen kommen dürfte, ist diese „Randbemerkung“ des BAG im Rahmen der Pressemitteilung von deutlich mehr Relevanz für die Praxis: Arbeitgebern wird im Zukunft die „Bürde“ genommen, dem ggf. zu kündigenden Mitarbeiter den konkreten Tatvorwurf vor der Anhörung mitzuteilen und diesem zusätzlich auch die Gelegenheit zu verschaffen, eine Vertrauensperson zu dieser hinzuzuziehen. Dadurch kann insbesondere verhindert werden, dass Arbeitnehmer – nachdem ihnen der Inhalt des Gesprächs mitgeteilt wurde und diesen daher klar ist, was ihnen „droht“ – den Sachverhalt „verdunkeln“, indem sie ihre Spuren versuchen zu verwischen, oder sich der Anhörung entziehen und so den Arbeitgeber in die „Bredouille“ bringen, entscheiden zu müssen, ob sie alles erforderliche zur Sachverhaltsaufklärung getan haben und die Anhörung nur an der fehlenden Mitwirkung des Arbeitnehmers „gescheitert“ ist. Denn nur in diesem Fall ist die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich.  Weiterhin unzulässig ist es jedoch, den Arbeitnehmer unter dem Vorspiegelung falscher Tatsachen (z.B. Besprechung wegen Leistung von Überstunden) zu dem Gespräch zu laden. Derzeit liegt nur die Pressemitteilung des BAG vor. Insofern bleibt abzuwarten, ob die vollständig abgesetzten Urteilsgründe die Erwägungen des BAG allgemein bestätigen oder sich aus diesen doch eventuelle Einschränkungen der nun eingeschlagenen „Marschroute“ ergeben. Interessant ist auch, dass der an sich für Kündigungen laut Geschäftsverteilung des BAG nicht zuständige 6. Senat grundlegende Erwägungen in Zusammenhang mit der Verdachtskündigung festlegt. Dessen Entscheidungskompetenz wurde erst aufgrund der streitgegenständlichen Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses begründet. Es bleibt zu hoffen, dass der 2. Senat des BAG, der an sich für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigungen zuständig ist, bald Gelegenheit hat, diese Rechtsprechung des 6. Senats zu bestätigen.

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