Erneut sorgt das LAG Baden-Württemberg für Aufmerksamkeit. Nachdem die 3. und 4. Kammer bereits Ende 2014 (Urteil vom 18.12.2014 – 3 Sa 33/14 und Urteil vom 03.12.2014 – 4 Sa 41/14; siehe hierzu auch den Blogbeitrag von Bissels) für Aufsehen gesorgt hatten, indem sie innerhalb von nicht einmal zwei Wochen zwei gegenläufige Entscheidungen zur sog. „Fallschirmlösung“ bei jedenfalls vergleichbaren Sachverhalten gefällt haben, haben nun (erneut) die 3. und 6. Kammer des Gerichts (Urteil vom 09.04.2015 – 3 Sa 53/14 und Urteil vom 07.05.2015 – 6 Sa 78/14) nachgelegt und die überwiegend vertretene Auffassung bestätigt, nach der im Falle einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem eingesetzten Arbeitnehmer begründet wird, sofern der Verleiher über eine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt.
Der Fall
Der Kläger, der seit dem 01.07.2000 von insgesamt drei verschiedenen Arbeitgebern im Betrieb der Beklagten als Ingenieur eingesetzt wurde, klagte vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht; der abgeschlossene Werkvertrag stelle sich als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Die Arbeitgeber des Klägers verfügten jeweils über eine gültige Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG. Das ArbG Stuttgart hat die Klage mit Urteil vom 10.09.2014 (19 Ca 8665/13) abgewiesen. Diese Entscheidung hat das LAG Baden-Württemberg nun bestätigt.
Die Entscheidung
In der aktuellen Entscheidung bestätigt die 3. Kammer ihre bisherige Linie und lehnt die gegenläufigen Erwägungen seiner „Nachbarkammer“ (d.h. der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg) ab. Nach Ansicht der 3. Kammer (wie auch der 6. Kammer) entfaltet eine sog. Vorratserlaubnis des „Verleihers“ auch dann Legalisierungswirkung, wenn die Vertragspartner einen „Werkvertrag“ abschließen, der sich in Wahrheit als Arbeitnehmerüberlassung „entpuppt“. Denn der als Verleiher auftretende Werkunternehmer entziehe sich dadurch gerade nicht der vom AÜG bezweckten Seriositätskontrolle, so dass keine Veranlassung bestehe, ihn als prinzipiell unzuverlässig anzusehen.
Zwar würden dem betroffenen Arbeitnehmer durch das treuwidrige und widersprüchliche Verhalten der Beklagten und des Arbeitgebers in Form des Vortäuschen eines Werkvertrages bzw. der Verschleierung der tatsächlich vorliegenden Arbeitnehmerüberlassung seine Rechte nach dem AÜG vorenthalten. Dadurch wird nach der Auffassung der 3. sowie auch der 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg jedoch kein Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit dem Kundenbetrieb (hier: der Beklagten) begründet. Denn nach Treu und Glauben müsse der Arbeitnehmer vertraglich und wirtschaftlich (nur) so gestellt werden, als wäre er offen als Zeitarbeitnehmer mit Überlassungserlaubnis eingesetzt worden. Dies betreffe vor allen den Anspruch auf Equal Pay sowie die aus den §§ 11, 13, 13a, 13b AÜG resultierenden Rechte.
Der Entleiher könne sich trotz des (möglicherweise) rechtsmissbräuchlichen Vorverhaltens auf die Vorratserlaubnis des Verleihers berufen. Dieser Ansicht hat sich die 6. Kammer ebenfalls angeschlossen.
Anders die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg
Die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg hat im Gegensatz dazu vertreten (Urteil vom 03.12.2014 – 4 Sa 41/14), dass sich die Vertragspartner einer als „Werkvertrag“ deklarierten, in Wirklichkeit jedoch verschleierten „Arbeitnehmerüberlassung“ nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers berufen dürften, so dass ein Arbeitsvertrag zwischen dem Entleiher und dem überlassenen Arbeitnehmer zustande komme. Denn es stelle ein widersprüchliches Verhalten des Verleihers und des Entleihers dar, sich auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen, wenn das Vertragsverhältnis (bewusst) nicht als solches bezeichnet worden sei. Die Vertragspartner des „Werkvertrages“ hätten gerade keine Vertragsverhältnis unter dem AÜG abschließen wollen und dem Arbeitnehmer bewusst vorenthalten, dass er dem durch das AÜG vermittelten Sozialschutz unterfällt. Da die „Vorratserlaubnis“ des Verleihers nicht greife und der Entleiher nicht über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfüge, komme ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher zustande.
Fazit
Die jüngsten Entscheidungen der 3. Kammer und der 6. Kammer des LAG Baden-Württemberg sind zu begrüßen und im Ergebnis richtig. Eine behördliche Erlaubnis entfaltet solange eine Legitimationswirkung, bis sie zurückgenommen wird. Dies gilt auch für den Fall, dass diese vom Erlaubnisinhaber nicht oder nicht für alle Aufträge genutzt wird. Dennoch sollten Unternehmen beim Abschluss von Werk-/Dienstverträgen besondere Vorsicht walten lassen. Nicht nur wegen der unterschiedlichen Ansichten des LAG Baden-Württemberg, sondern insbesondere aufgrund der von der GroKo angekündigten Gesetzesänderung, nach der die Fallschirmlösung keinen „Rettungsanker“ mehr darstellen soll, sollten Zeitarbeitsunternehmen, sonstige Dienstleister und Kundenbetriebe bei der Vertragsgestaltung und insbesondere deren Ausführung stets umsichtig sein, da die Grenze zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung fließend ist.
Man kann es daher nicht oft genug sagen: Unternehmen brauchen eine Organisation, die den diversen Fallstricken und Konstellationen bei dem Einsatz von Fremdpersonal Rechnung trägt. Hierfür müssen HR- und Legal-Abteilungen fortlaufend geschult werden; die Fachseite muss die erforderlichen Informationen über den Einsatz zur Verfügung stellen. Oftmals scheitert ein Risikomanagement daran, dass die Umsetzung des in der Theorie vorhandenen Wissens in die Praxis nicht gelingt.Um diese „Lücke“ zu schließen, hat CMS Hasche Sigle ein onlinebasiertes Tool entwickelt, mit deren Hilfe Unternehmen eigenständig und jederzeit die Rechtmäßigkeit des Einsatzes ihres Fremdpersonals überprüfen können. Die beiden Autoren haben die Entwicklung des Produkts, das bereits bei Mandanten im Einsatz ist, maßgeblich begleitet.