Pauschalierter Kartellschadensersatz in Einkaufs- und Lieferbedingungen

RA Dr. Jens Steger, Kaye Scholer LLP, Frankfurt/M.

RA Dr. Jens Steger, Kaye Scholer LLP, Frankfurt/M.

Die europäischen Kartellbehörden bebußen zunehmend häufiger und in immer kürzeren Abständen Unternehmen wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens. Zurzeit sehen sich viele Kartellanten zusätzlich zum behördlichen Bußgeld, das sich oftmals in Millionenhöhe bewegt, auch den Forderungen ihrer Geschäftspartner nach Kompensationszahlungen ausgesetzt. Denn die Geschäftspartner der bebußten Kartellanten stellen sich immer häufiger die Frage, welchen konkreten Schaden sie durch das kartellrechtswidrige Verhalten ihrer Lieferanten davongetragen haben. Diese Schäden können in vielen Fällen in der Summe die behördlichen Bußgelder erheblich übersteigen. Hinzu kommen mögliche Zinszahlungen in nennenswerter Höhe.

EU-Richtlinie für kartellrechtlich begründete Schadensersatzklagen

Auf europäischer Ebene sind viele Rechtsentwicklungen im Bereich des Kartellschadensersatzes im Fluss. Zuletzt trat die EU-Richtlinie für kartellrechtlich begründete Schadensersatzklagen in Kraft. Dies führt auch für den deutschen Gesetzgeber zu einer unmittelbaren Umsetzungspflicht. Ende 2016 soll es so weit sein: Die private Durchsetzung von Kartellschadensersatz soll deutlich einfacher werden. Viele Fallstricke, die gegenwärtig im geltenden Recht noch bestehen, sollen wegfallen und einige zusätzliche Erleichterungen eingeführt werden. Die Richtlinie soll insgesamt für eine wirksamere Durchsetzung des EU-Kartellrechts sorgen, indem das Zusammenspiel zwischen privaten Schadensersatzklagen und öffentlicher Kartellrechtsdurchsetzung verbessert wird, ohne hierbei die Attraktivität der behördlichen Kronzeugenprogramme oder aber die Möglichkeit eines Vergleichs mit der Kartellbehörde (sog. Kartellsettlement) zu beschneiden.

Pauschalierter Kartellschadensersatz in AGB

Für die Gerichte ist der durch eine Behörde festgestellte Kartellrechtsverstoß allerdings schon jetzt bindend. Bewiesen werden muss jedoch der Schadensumfang sowie die Schadenskausalität, was in der Praxis ein mitunter schwieriges Unterfangen darstellen kann. Bei genauerem Hinsehen ist es aber jedenfalls auch derzeit schon möglich, mit Erfolg Schadensersatzansprüche gegen vormalige Kartellanten durchzusetzen. Es besteht z.B. die Möglichkeit, entsprechende Kompensationsregelungen für den Fall des kartellrechtswidrigen Verhaltens des Vertragspartners in die Einkaufs- und Lieferbedingungen mit aufzunehmen. Der praktische Vorteil: Die eigentlich dem Geschädigten obliegende Beweislast wird umgekehrt, jetzt muss der Kartellant beweisen, dass der entstandene Schaden tatsächlich niedriger ist als der für den Fall eines Verstoßes gegen das Kartellrecht zwischen den Parteien vereinbarte Schadensersatzanspruch. Bei einer solchen Regelung handelt es sich um die Vereinbarung eines sog. pauschalierten Schadensersatzes. Das geltende Zivilrecht sieht die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung bereits seit Jahrzehnten vor. Sie lässt sich auch auf kartellrechtlich geprägte Sachverhalte anwenden. Allerdings muss eine derartige Regelung zum einen den gesetzlichen Anforderungen des deutschen AGB-Rechts entsprechen, um wirksam zu sein. Zum anderen muss die Vereinbarung darüber hinaus mit dem geltenden EU-Kartellrecht in Einklang stehen. Genau hieran scheitert es in der täglichen Praxis sehr häufig. Denn die kartellrechtlichen Besonderheiten sind mitunter entscheidend, wenn ein Gericht die Wirksamkeit einer pauschalierenden Schadensersatzklausel zu beurteilen hat.

Widersprüchliche Rechtsprechung

Gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es – deutschlandweit – in den verschiedenen Prozessen mitunter gegenläufige Gerichtsentscheidungen gegeben hat, wenn es um die Beurteilung derartiger Klauseln ging. Jüngstes Beispiel ist die Entscheidung des LG Potsdam (Urteil vom 22.10.2014 – 2 O 29/14, DB0691214), in der sich das Gericht in deutlichen Widerspruch zur Entscheidung des OLG Karlsruhe setzt (Urteil vom 31.07.2013 – 6 U 51/12 (Kart)). Das OLG hatte zuvor entschieden, dass eine pauschalierende Schadensersatzregelung im konkret zu entscheidenden Fall zulässig sei. Dreh und Angelpunkt der unterschiedlichen Beurteilung war die Frage, ob der vereinbarte pauschalierte Schadensersatz dem zu erwartenden Schaden entsprach. Das OLG wählte eine konkrete Betrachtungsweise, wohingegen das LG eine abstrakte Betrachtungsweise wählte. Eine derart unterschiedliche gerichtliche Beurteilung führt für die beteiligten Unternehmen als Verwender derartiger Klauseln zu großer Rechtsunsicherheit. Gleichwohl kann einiges getan werden, um vor Gericht keinen Schiffbruch zu erleiden, wenn es um die entscheidende Frage der Wirksamkeit einer Schadensklausel wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens geht. So konnte z.B. beobachtet werden, dass viele der von Unternehmen verwendeten Schadensklauseln zu weit gingen und alleine deshalb keinen Bestand vor Gericht hatten. Gerade Handelsunternehmen sollten sich unbedingt mit ihren Einkaufs- und Lieferbedingungen für den Fall auseinandersetzen, dass sie Opfer von kartellrechtswidrigem Verhalten ihres Geschäftspartners geworden sind. Dieser Zustand dürfte mittlerweile auf nahezu jedes Unternehmen zutreffen, da keine Branche vor Absprachen geschützt ist. Eine durchdachte Regelung kann im Ernstfall zu einer erheblichen Rückzahlung von Überzahlungen wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens führen und zudem Prozesskosten einsparen.

Vgl. zum Thema pauschalierter Schadensersatz in Kartellfällen auch weiterführend:

Wilde / Anders, WuW 2015 S. 246, WuW0691081

Roth, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 33 GWB Rdn. 207 abrufbar unter http://www.wuw-online.de/CONTENT/default.aspx

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