Im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (RL 2011/7/EU vom 16.02.2011) wurde § 288 BGB um die Absätze fünf und sechs ergänzt. Hiernach kann – unter anderem – der Gläubiger vom Schuldner, sollte dieser mit einer Entgeltforderung im Verzug sein, neben den Verzugszinsen auch eine Verzugspauschale in Höhe von 40 € geltend machen (§ 288 Abs. 5 Satz1 BGB). In der Praxis ist zu beobachten, dass Arbeitnehmer vermehrt diese Verzugspauschale fordern. Bislang ist umstritten, ob die Verzugspauschale auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet.
Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte in einer Entscheidung vom 12.05.2016 (2 Ca 5416/15) noch den Standpunkt vertreten, dass der Arbeitnehmer bei ausstehenden Lohnforderungen neben den Verzugszinsen keine gesonderte Verzugspauschale verlangen könne. Begründet hatte das ArbG Düsseldorf dies im Wesentlichen mit den Besonderheiten der Erstattung prozessualer Kosten im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Denn nach § 12a ArbGG kann die obsiegende Partei von der unterliegenden Partei im erstinstanzlichen Verfahren keine Erstattung der Rechtsanwaltskosten oder eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis verlangen. Dieser Rechtsgedanke gebiete es, dass der Arbeitnehmer auch seine außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht als Verzugsschaden gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen kann. Kann der Arbeitnehmer also seine prozessualen Rechtsverfolgungskosten nicht ersetzt verlangen, kann ihm auch keine Verzugspauschale zustehen.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
Demgegenüber hatte das LAG Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 13.10.2016 (3 Sa 34/16) die Anwendbarkeit der Verzugspauschale auf Arbeitsverhältnisse bejaht. Die Revision gegen das Urteil des LAG Baden-Württemberg ist derzeit beim BAG anhängig (7 AZR 796/16). Das LAG Baden-Württemberg begründete seine Entscheidung damit, dass die in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB geregelte Verzugspauschale Bestandteil des allgemeinen Teils des Schuldrechts ist und damit auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, da es an einer Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht fehlt. Auch erteilt das LAG Baden-Württemberg entgegenstehenden Stimmen in der Literatur eine Absage, die dem Gesetzgeber unterstellen, dieser habe es schlicht versäumt, eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht zu regeln. Vielmehr habe der Gesetzgeber aus Sicht des LAG Baden-Württemberg bei der Umsetzung der Richtlinie gezielt den Schutz von Arbeitnehmern im Blick gehabt. Im Übrigen betont das LAG Baden-Württemberg, das § 12a ArbGG auch keine spezialgesetzliche Ausnahmeregelung beinhalte, die den Anwendungsbereich des § 288 Abs. 5 BGB verdränge. Zweck der Verzugspauschale sei nämlich die pauschale Entschädigung des Gläubigers für seine internen Betreibungs- und Mahnkosten. Der pauschale Anspruch in Höhe von 40 € entstehe gerade unabhängig davon, ob tatsächlich ein Verzugsschaden eingetreten ist. Des Weiteren stellte das LAG Baden-Württemberg darauf ab, dass die Verzugspauschale auch nicht systemwidrig sei.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln
In einer bislang noch unveröffentlichten Entscheidung des LAG Köln vom 22.11.2016 (12 Sa 524/16) hat sich das LAG Köln ebenfalls für die Anwendbarkeit der Verzugspauschale im Arbeitsverhältnis ausgesprochen. Ausweislich der diesbezüglichen Pressemitteilung begründet das LAG Köln dies mit dem Sinn und Zweck der Verzugspauschale: Die Verzugspauschale soll den Druck auf den Schuldner, Zahlungen vollständig und pünktlich zu erbringen, erhöhen, was für die Anwendbarkeit zugunsten von Arbeitnehmern spreche, die ihren Lohn unpünktlich oder unvollständig erhalten.
Folgen für die Praxis?
Auch wenn es sicherlich noch zu früh ist, von einer sich verfestigenden Rechtsprechung auszugehen, ist doch eine Tendenz erkennbar, nach der die Verzugspauschale auch im Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden kann.
Daneben stellen sich bei Anwendung der Verzugspauschale im Arbeitsverhältnis aber noch weitere Fragen, der Klärung bislang offen ist. Bislang ist bspw. ungeklärt wie oft der Arbeitnehmer die Verzugspauschale verlangen kann, wenn sich der Arbeitgeber nicht nur mit der Grundvergütung in Verzug befindet, sondern auch mit weiteren Vergütungsbestandteilen, wie Zuschlägen oder der Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung. Die gleiche Frage stellt sich, wenn der Arbeitgeber über Monate das Gehalt nicht zahlt, weil beispielsweise die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Kann der Arbeitnehmer für jeden einzelnen Vergütungsbestandteil oder für jeden Monat der ausbleibenden Gehaltszahlung eine gesonderte Verzugspauschale verlangen? Dies kann schnell zu einem Anspruch von mehreren hundert Euro führen. Aber auch bezüglich dieser offenen Fragen muss die weitere gerichtliche Klärung abgewartet werden.