Mit Wirkung zum 01.04.2017 hat der Gesetzgeber bekanntermaßen das AÜG angepasst. Die Arbeitnehmerüberlassung soll – so die Gesetzesbegründung – „auf ihre Kernfunktion als Instrument zur zeitlich begrenzten Deckung des Arbeitskräftebedarfs hin orientiert werden“. Missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes in Form der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung sollen vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 18/9232 S. 2, 19).
Drei Kernelemente der AÜG-Reform
Diese Zielsetzung sollte durch die nachfolgenden drei wesentlichen Elemente der AÜG-Reform erreicht werden, nämlich durch
- eine Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht zum Ausschluss der sog. Fallschirmlösung und zur Verhinderung von Scheinwerk-/Scheindienstverträgen (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG),
- die zwingende Geltung des equal pay-Grundsatzes nach dem 9. vollendeten Einsatzmonat, wenn kein sog. Branchenzuschlagstarifvertrag einschlägig ist (§ 8 Abs. 2, Abs. 4 AÜG) und
- die Geltung einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten, die allerdings durch Tarifverträge der Einsatzbranche oder nach Maßgabe von tariflichen Öffnungsklauseln abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen modifiziert werden kann (§ 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG).
Während für die neu in das AÜG eingefügte Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht keine gesetzliche Übergangsregelung vorgesehen wurde und diese folglich für sämtliche ab dem 01.04.2017 neu geschlossene und nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) auch für „Alt-Arbeitnehmerüberlassungsverträge“ zu beachten war, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Berechnung der Überlassungszeiten für die Anwendung des equal pay-Grundsatzes nach dem 9. Einsatzmonat und dem Ablauf der Überlassungshöchstdauer nach dem 18. Monat der Praxis Zeit eingeräumt, sich auf diese Neuerungen einzustellen. Diese sollen erst ab dem 01.04.2017 zu laufen beginnen, selbst wenn der Zeitarbeitnehmer schon vor diesem Datum – möglicherweise schon jahrelang – an einen Kunden überlassen war (vgl. § 19 Abs. 2 AÜG).
Für die Anwendung des gesetzlichen equal pay-Anspruchs lief die Übergangsfrist damit bereits Ende 2017 ab. Auch in Zusammenhang mit der Überlassungshöchstdauer wird diese nunmehr in Kürze relevant.
Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten
Es gelten dabei – grob zusammengefasst – folgende Grundsätze:
- In Tarifverträgen der Einsatzbranche kann eine von den 18 Monaten abweichende Überlassungshöchstdauer vorgesehen werden (§ 1 Abs. 1b S. 3 AÜG), so bereits geschehen durch die TV LeiZ in der M+E-Industrie, nach denen diese bis zu 48 Monate betragen kann. Weitere Flächentarifverträge sind kürzlich für das Elektrohandwerk mit der CGM und der IG Metall sowie für die Stahlindustrie geschlossen worden. In solchen Tarifverträgen der Einsatzbranche können Öffnungsklauseln vorgesehen werden, die bei einer bestehenden Tarifbindung Betriebsvereinbarungen über die Änderung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer durch die jeweiligen Betriebspartner im Einsatzbetrieb zulassen (§ 1 Abs. 1b S. 5 AÜG).
- Sofern ein Tarifvertrag in der Einsatzbranche zur Überlassungshöchstdauer abgeschlossen worden ist, können sich auch nicht-tarifgebundene Kundenunternehmen diesen nutzbar machen, indem dieser durch eine Betriebsvereinbarung übernommen, sprich „abgeschrieben“ wird (§ 1 Abs. 1 S. 4 AÜG). Voraussetzung ist allerdings, dass der betreffende Tarifvertrag für das Kundenunternehmen anwendbar wäre, wenn dieses tarifgebunden wäre. Auf Öffnungsklauseln in solchen Tarifverträgen können sich auch nicht-tarifgebundene Kundenunternehmen berufen und entsprechend die Überlassungshöchstdauer gestaltende Betriebsvereinbarungen abschließen (§ 1 Abs. 1b S. 6 AÜG).
- Die Überlassungshöchstdauer ist nach herrschender und auch von der BA vertretener Ansicht arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 4 f. m.w.N.; FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). Es kommt daher auf die individuelle Einsatzdauer des jeweiligen Zeitarbeitnehmers bei einem Kunden an. Unschädlich ist, dass ein bei diesem vorgehaltener Arbeitsplatz – möglicherweise mit wechselnden Zeitarbeitnehmer – dauerhaft mit selbigen besetzt wird.
- Die Überlassungshöchstdauer wird richtigerweise nicht betriebs-, sondern rechtsträgerbezogen berechnet (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 5 f. m.w.N.). Darauf stellt auch die BA ab (FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). Zu fragen ist daher, welche juristische oder natürliche Person mit dem Personaldienstleister den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen hat, der letztlich die Grundlage für den Einsatz des Zeitarbeitnehmers darstellt. Für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer kommt es folglich nur darauf an, dass der Zeitarbeitnehmer an den betreffenden Kunden überlassen wird; unerheblich ist, dass dieser auf wechselnden Arbeitsplätzen, mit unterschiedlichen Tätigkeiten oder an anderen Arbeitsorten bei diesem eingesetzt wird.
- Nach einer Unterbrechung des Einsatzes des überlassenen Zeitarbeitnehmers von mehr als 3 Monaten (nämlich mindestens 3 Monate und 1 Tag) wird die Überlassungshöchstdauer „genullt“ (§ 1 Abs. 1b S. 2 AÜG) und kann bei einem Kunden erneut in Gänze ausgeschöpft werden. Unterbrechungen von 3 Monaten oder kürzer hemmen die Einsatzzeit und können folglich bei einem Folgeeinsatz angehängt werden.
- Die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer führt zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kundenunternehmen, auch ohne oder sogar gegen deren Willen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 10 Abs. 1 AÜG), es sei denn der Zeitarbeitnehmer gibt eine sog. Festhaltenserklärung ab, die zu einem „Rückfall“ des Arbeitsverhältnisses an den Personaldienstleister führt (vgl. § 9 Abs. 2, 3 AÜG). Der Verstoß ist zudem für das Zeitarbeitsunternehmen (nicht hingegen für den Kunden) bußgeldbewehrt (bis zu 30.000,00 €, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 AÜG). Der Personaldienstleister muss zudem erlaubnisrechtliche Konsequenzen befürchten, die möglicherweise den Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zur Folge haben können (§ 5 AÜG).
Ablauf der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Übergangsvorschrift (§ 19 Abs. 2 AÜG) „droht“ nun der Ablauf der gesetzlichen Überlassungsdauer von 18 Monaten – und zwar in Bälde, ausgehend von 01.04.2017 nämlich schon Ende September 2018. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber keine klare Regelung getroffen, wie die Frist und deren Ablauf zu bestimmen ist, so dass es nicht überrascht, dass umstritten ist, wann der maßgebliche Zeitpunkt erreicht ist. Die herrschende Ansicht geht richtigerweise davon aus, dass die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten mit Ablauf des 30.09.2018 endet (§§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2 BGB; vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 36); dieser Auffassung dürfte auch die BA folgen (vgl. FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). In der Literatur wird jedoch für die Fristberechnung abweichend auf § 191 BGB abgestellt (vgl. Pütz, DB 2017, 425). Die einzelnen Monate werden pauschal mit 30 Tagen in die Berechnung eingestellt, selbst wenn diese realiter eine höhere oder geringere Anzahl an Kalendertagen aufweisen. So wird z.B. der Monat Februar mit 30 Tagen einbezogen. Dies gilt ebenfalls für den August, selbst wenn dieser Monat über 31 Kalendertage verfügt. Diese Ansicht führt dazu, dass über die Dauer von 18 Monaten – im Vergleich zur herrschenden Meinung – einige Tage „verloren gehen“ (540 Tage vs. 548 Tage). Die Überlassungshöchstdauer endet danach bereits mit Ablauf des 22.09.2018.
Vor diesem Hintergrund müssen sich Personaldienstleister und Kunden bereits fragen, welchen Zeitpunkt sie als maßgeblich ansehen. Es sprechen gute und überzeugende Gründe dafür, hier auf den 30.09.2018 abzustellen. Mangels einschlägiger Rechtsprechung besteht jedoch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob die Gerichte insoweit nicht eine abweichende Auffassung vertreten und § 191 BGB anwenden – mit der Folge, dass die Überlassungshöchstdauer zeitlich früher abläuft. Sollen jegliche Risiken durch eine mögliche Überschreitung der Überlassungshöchstdauer vermieden werden, sollte der 22.09.2018 als maßgebliches Datum angesehen werden. Hier gilt es jedoch – auch unter wirtschaftlichen Erwägungen – eine kundenspezifische Risikoabwägung zu treffen.
Mögliche Reaktion auf den Ablauf der Überlassungshöchstdauer
Auf den Ablauf der Überlassungshöchstdauer kann aus Kundensicht mit der Beendigung des Einsatzes des betreffenden Zeitarbeitnehmers durch die Kündigung oder die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags reagiert werden. Dies löst jedoch nicht das Problem, da in der Regel der Beschäftigungsbedarf, der über den Zeitarbeitnehmer gedeckt werden soll, fortbesteht.
Der Kunde hat dabei (natürlich) die Möglichkeit, den Zeitarbeitnehmer in ein (auch sachgrundlos befristetes) Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Die während der Überlassung erbrachten Einsatzzeiten sind bei dem Kunden unbeachtlich; auch gegen das Verbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG wird nicht verstoßen. Die Übernahme durch den Kunden ist jedoch in der Praxis aufgrund entsprechender Head Count-Vorgaben in der Regel nicht das Mittel der Wahl.
Alternativ kann ein anderer Zeitarbeitnehmer den bisher eingesetzten Mitarbeiter ablösen. Entsprechende Rotationen sind auch auf einem Dauerarbeitsplatz des Kunden möglich. Nach einer Unterbrechung von 3 Monaten und 1 Tag kann der ursprüngliche Zeitarbeitnehmer auf den betreffenden Arbeitsplatz wieder „hineinrotieren“ und erneut 18 Monate eingesetzt werden. Während dieser Unterbrechungszeit kann der Zeitarbeitnehmer auch an ein Konzernunternehmen des Kunden überlassen werden. Derartige „Entleiherkarusselle“ schließt das AÜG nicht aus. In der Praxis sind derartige Rotationsmodelle jedoch mit operativen Schwierigkeiten verbunden. Die neu eingesetzten Zeitarbeitnehmer müssen nämlich zunächst eingearbeitet werden. Gerade bei größeren Populationen von Drittkräften kann der gleichzeitige Austausch erhebliche betriebsorganisatorische Störungen bedingen. Hier ist also Weitsicht geboten, um frühzeitig mit einer Rotation zu beginnen, damit stets eine kritische Masse von eingearbeiteten Zeitarbeitnehmern beim Kunden verbleiben kann.
Es existieren weitere Modelle, Zeitarbeitnehmer de facto über 18 Monate hinaus bei einem Kunden einzusetzen (Stichwort: Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs zwischen dem Kunden und dem Personaldienstleister oder zwischen zwei Unternehmen auf Kundenseite). Diese sind jedoch mit nicht unerheblichen Unwägbarkeiten verbunden, da selbige bislang von der Rechtsprechung noch nicht abgesichert sind.
Alternativ zur Arbeitnehmerüberlassung können echte Werk- oder Dienstverträge abgeschlossen werden. Dabei ist es aber nicht ausreichend, nur ein entsprechendes Vertragswerk abzuschließen und die bisherige Vereinbarung zur Arbeitnehmerüberlassung in einen Werk-/Dienstvertrag „umzuetikettieren“. Es müssen vielmehr die Prozesse bei der Leistungserbringung geändert werden. Die Arbeitnehmer dürften nicht mehr weisungsgebunden für den Kunden – eingegliedert in dessen Betriebsorganisation – tätig werden. Letztlich ist in diesem Zusammenhang eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, ob die bisher praktizierte Arbeitnehmerüberlassung tatsächlich im Rahmen eines echten Werk- oder Dienstvertrages rechtskonform erbracht werden kann. Bei der „Umstellung“ einer Arbeitnehmerüberlassung auf einen Werk-/Dienstvertrag sollte mit Bedacht vorgegangen werden. Stellt sich nämlich heraus, dass kein echter Werk-/Dienstvertrag vereinbart und gelebt wird, sondern weiterhin eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung erfolgt, wird wegen des Verstoßes der seit dem 01.04.2017 geltenden Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht (§ 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG) ein Arbeitsverhältnis zu dem Einsatzunternehmen fingiert (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG). Zudem stellt dieser sowohl für den Kunden als auch den Personaldienstleister eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 30.000,00 € sanktioniert werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 1c, 1d i.V.m. Abs. 2 AÜG).
Wird Urlaub und Krankheit oder kurze Unterbrechungszeiten vom Kundenunternnehmen raus gerechnet und an die 18 Monate ran gehängt, oder werden diese Zeiten nicht berücksichtigt?