Die Corona-Pandemie wirkt sich direkt auf Gerichtsverfahren aus. Bearbeitungen verzögern sich, weil Gerichte nur mit Notbesetzung arbeiten oder Verhandlungstermine werden aufgehoben. Diese Probleme kann man der Justiz nicht vorwerfen, sie sind systemisch bedingt: Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was bei Gericht geschieht. Die oft genutzten Videokonferenzen sind keine Lösung. Ein so durchgeführtes Verfahren fände faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und wäre rechtlich angreifbar. Aus Unternehmensperspektive können all diese Verzögerungen schnell problematisch werden.
Anders sieht es bei ADR-Verfahren aus, die auch als Videokonferenz durchgeführt werden können, denn sie bedürfen nicht der Öffentlichkeit. Ohnehin ist es immer zulässig, Streitigkeiten der Entscheidung oder Lösung durch einen Dritten zu unterstellen. Deswegen werden rechtmäßig zustande gekommene Schiedssprüche auch international anerkannt und vollstreckt.
Die Schiedsverfahren sind aber nur eine Variante der alternativen Streitbeilegung. ADR, Alternative Dispute Resolution, beinhaltet neben Schiedsverfahren auch Mediation und Schlichtung. Auch wenn die staatliche Gerichtsbarkeit weiter besteht, Landesgesetze Schlichtungsverfahren als Klagevoraussetzung benennen und es staatliche Mediationsrichter gibt: Die Nachfrage für die drei ADR-Verfahrensarten ist ungebrochen hoch, denn sie bieten eine Vielzahl an Vorzügen.
Grundlage erfolgreicher ADR-Verfahren: Akzeptanz der Beteiligten
Gerade für Parteien, die nach einem Streit weiter zusammenarbeiten wollen, ist ein Mediationsverfahren vorteilhaft. Im Zuge dessen versucht ein geschulter Dritter, eine Lösung für die widerstreitenden Interessen zu entwickeln, die von allen Beteiligten getragen werden kann. Der große Vorteil im Vergleich zu einem Gerichtsverfahren ist, dass der Mediator beide Parteien einzeln anhören kann. So kann er die wahre Interessenlage erkunden und sie zur Grundlage der Lösungsvorschläge machen. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht zweckdienlich ist.
Hauptziel des Mediators ist es dann, dass die Parteien das Verfahrensergebnis anerkennen, idealerweise durch dessen Zeichnung. Sofern der Mediationsvorschlag von den Beteiligten nicht anerkannt wird, ist er gescheitert. Wenn die Parteien das Ergebnis zunächst akzeptieren, sich aber später nicht mehr daran halten, fährt man sogar schlechter als mit einem erstrittenen Urteil. Denn ein Mediationsergebnis muss erst durch ein Urteil festgestellt werden. Aus einem Schiedsspruch zu vollstrecken ist dagegen leichter, weil er nur für vollstreckbar erklärt werden muss.
Es zeigt sich also, dass ADR kein Allheilmittel ist, sondern von der Bereitschaft der Beteiligten lebt. Liegt sie nicht vor, kann es nicht erfolgreich sein. Deswegen ist es notwendig, dass man sich bereits bei Vertragsschluss, oder aber zu einem späteren Zeitpunkt auf die Durchführung eines ADR-Verfahrens im Streitfall einigt. Gut beraten ist man auch , wenn die letzten Klauseln eines Vertrages nicht als „die üblichen Schlussklauseln“ verhandelt werden, sondern man sich schon bei Vertragsschluss auf ein konkretes Streitbeilegungsverfahren einigt. Grundsätzlich sind dann alle Möglichkeiten offen. Das betrifft zum Beispiel die Wahl der Schiedsrichter, die Juristen oder auch Ingenieure sein können. Aber auch die Frage, wer wann die Verfahrenskosten trägt. Ähnlich sieht es bei den Verfahrensregeln aus, bei denen man auch auf Regeln eines institutionellen Verfahrens, zum Beispiel der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, zurückgreifen kann.
Die Vielfalt der Möglichkeiten im ADR-Bereich schlägt sich auch in der Breite der Angebote nieder. So gibt es einen Round Table Mediation und Konfliktmanagement, an dem führende Unternehmen der deutschen Wirtschaft teilnehmen. Aber auch Plattformen, die ein komplettes ADR-Konzept, vom Verfahren der Entscheidungsfindung über Mediation bis hin zur Führung von Schiedsverfahren anbieten, haben sich etabliert. Ein Beispiel ist der ADR Circle Spain im deutsch-spanischen Rechtsverkehr, der sich vor allem an Unternehmen aus der DACH-Region wendet. Der Zuschnitt auf bestimmte Unternehmen hat den großen Vorteil, dass Differenzen nochmals deutlich schneller beigelegt werden können.
In Zeiten weitgehender Einschränkungen des öffentlichen Lebens spielen die ADR-Verfahren ihre Vorteile aus. Sie sind von Haus aus schneller als Gerichtsverfahren und werden den Bedürfnissen der Beteiligten besser gerecht. Außerdem bieten sie die Möglichkeit, Verfahren auch aus dem Home-Office zu führen und unterliegen nicht pandemiebedingten Einschränkungen wie Gerichtsverfahren. Idealerweise können sich so die Beteiligten eines ADR-Verfahrens nach der Kontaktsperre direkt ihrem Geschäft zuwenden und müssen wertvolle Zeit nicht mit Streitigkeiten verschwenden. Allerdings bleibt eine entscheidende Grundlage die Akzeptanz der vereinbarten Verfahren und ihrer Ergebnisse durch alle Seiten. Ist das gegeben, kann die aktuelle Krise tatsächlich für einen weiteren Vorschub bei ADR-Verfahren sorgen.