Das Ende des gelben Scheins – die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist da!

 

Frank Lenzen ist tätig bei der Wirtschaftskanzlei Dentons in Frankfurt/M.

Durch das Dritte Gesetz zur Entlastung der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz oder: BEG III) wird das Verfahren des elektronischen Abrufs der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch die Arbeitgeber bei den gesetzlichen Krankenkassen geschaffen. Zentrale Normen sind § 5 EFZG n.F. und § 109 Abs. 1 SGB IV n.F., welche seit dem 01.01.2023 gelten.

Bisher war es so, dass Arbeitnehmer bei Erkrankung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in dreifacher Ausfertigung erhielten: eines der Exemplare diente der Einreichung bei den gesetzlichen Krankenkassen, ein weiteres wurde dem Arbeitgeber vorgelegt und das dritte Exemplar verblieb beim Arbeitnehmer.

Für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer entfällt seit 01.01.2023 die bisherige Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (§ 5 Abs. 1a EFZG n.F.). Der Arbeitgeber ruft zukünftig eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung direkt bei der zuständigen Krankenkasse ab. Die Pflichten des Arbeitnehmers bestehen (weiterhin) darin, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen und dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG n.F.).

Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen übermitteln in den Fällen einer Arbeitsunfähigkeit die „festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten“ in Form der eAU elektronisch an die Krankenkasse des Arbeitnehmers. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB IV n.F. erstellt die Krankenkasse nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber.

Die Meldung der Krankenkasse enthält die folgenden Angaben: Namen, Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit, Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen beruht. Nicht übermittelt wird, welcher Arzt mit welcher Fachrichtung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat.

Für privat versicherte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsunfähigkeit bei einem Arzt feststellen lassen, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (also kein „Kassenarzt“ ist), bleibt alles beim Alten. Zudem gilt das Verfahren nicht für Arbeitsunfähigkeiten, die im Ausland attestiert worden sind.

Die Neuregelungen haben Lob wie auch Kritik erfahren. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hält in ersten Stellungnahmen die Einführung der eAU für einen weiteren sinnvollen Schritt zur Digitalisierung von Papierprozessen im Personalwesen. Andere Stimmen weisen darauf hin, dass die digitale Übermittlung deutlich schneller und sicherer erfolge und Zeit und Kosten eingespart werden. Zudem erlaube die eAU eine lückenlose Dokumentation der Arbeitsunfähigkeiten, was eine reibungslose und schnelle Auszahlung von Krankengeld gewährleiste. Nicht zuletzt ließen sich durch das Verfahren Konflikte darüber vermeiden, ob die AU fristgerecht vorlag.

Dem kann nicht gefolgt werden: Insbesondere mach das zweigleisige Verfahren, also die Unterscheidung zwischen gesetzlich Krankenversicherten und Privatversicherten, die Prozesse im Unternehmen nicht effizienter. Arbeitgeber werden zu prüfen haben, ob die Arbeitsunfähigkeit von einem gesetzlich oder privat Versicherten angezeigt worden ist. Hierdurch entsteht ein nicht unerheblicher Zusatzaufwand. Nicht geklärt ist zudem, in welcher Risikosphäre Störfälle liegen oder anders: Darf der Arbeitgeber die Gehaltszahlung verweigern (§ 7 EFZG), wenn die die Übermittlung (technisch) nicht funktioniert?

Kritisch ist zudem zu sehen, dass seitens der Krankenkassen nicht mitzuteilen ist, welcher Arzt die Arbeitsunfähigkeit attestiert hat. Arbeitgebern wird es zukünftig dadurch schwerer fallen, den Beweiswert der eAU zu erschüttern. Die Arbeitsgerichte werden zu klären haben, ob Arbeitnehmer insoweit eine Mitteilungspflicht (auf anderem Wege) haben. Fraglich sei zudem, ob die Einführung der eAU Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslöst.

Aus Sicht der Arbeitgeber wird es zu weiteren Verzögerungen kommen, denn laut den Krankenkassen ist eine Abfrage erst ab dem fünften Tag sinnvoll. Letztlich sollten Arbeitgeber nicht vergessen, dass sich ggf. ein Anpassungsbedarf bei Arbeitsverträgen (bezüglich der Passagen zum Krankmeldeprozedere) und relevanten Betriebsvereinbarungen ergibt.

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