Bereits vor dem Bewerbungsgespräch ist die Wahl der richtigen Kleidung von Bedeutung, hat sie doch angeblich erheblichen Einfluss auf die Einstellungschancen des Bewerbers. Kommt es im laufenden Arbeitsverhältnis zu einem Konflikt über die Dienstkleidung kann das zu einer Abmahnung oder schlimmstenfalls sogar zur Kündigung führen. Neben den Medien beschäftigen sich auch die Arbeitsgerichte immer wieder mit der Kleiderordnung im Betrieb. Dabei kann ein Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts grundsätzlich vorgeben, welche Kleidung am Arbeitsplatz zu tragen ist. So hat das LAG Hamm entschieden, dass ein Arbeitgeber einen Verkäufer anweisen kann, Sakko und Krawatte statt Jeans und Turnschuhen zu tragen (LAG Hamm, Beschluss vom 22.10.1991 – 13 TaBV 36/91).
Erhöhte Aufmerksamkeit erhalten gerichtliche Entscheidungen, wenn sie das Tragen religiöser Symbole zum Gegenstand haben. So hat das BAG entschieden, dass ein Kopftuch während der Arbeit bei einem privaten Arbeitgeber regelmäßig getragen werden kann (BAG, Urteil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, DB 2003 S. 830). Die Religionsfreiheit gehe regelmäßig der Unternehmerfreiheit vor, was auch für Bereiche wie den Verkauf gelte. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls nachweisen, dass es aufgrund des Kopftuchs zur Störung betrieblicher Abläufe oder zu wirtschaftlichen Einbußen kommt – ein Nachweis, der kaum einmal gelingen wird. Anders sieht die Situation im öffentlichen Schul- und Erziehungsdienst aus. Dort untersagen Landesgesetze der Bundesländer zur Sicherung der staatlichen Neutralität teilweise das Tragen von religiösen Symbolen im Dienst. Verstoßen Arbeitnehmer dagegen, beispielsweise durch das Tragen eines Kopftuchs, kann eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein (BAG vom 10.12.2009, 2 AZR 55/09, DB 2010 S. 1016).
Sonderstatus konfessioneller Arbeitgeber
Kirchliche Arbeitgeber unterliegen einem Sonderstatus. Durch Art. 140 GG ist den Kirchen in Deutschland ein sehr weitreichender Spielraum bei der Regelung ihrer Angelegenheiten eingeräumt. Das Bundesverfassungsgericht gestand ihnen 1985 das Recht zu, Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis zu regeln (BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83). Auf diesem Selbstbestimmungsrecht basieren diverse Besonderheiten. Beschäftigte können zum Beispiel bei einem Kirchenaustritt ihren Arbeitsplatz verlieren. Für Katholiken können auch Scheidung oder Wiederheirat mit dem Risiko einer Kündigung behaftet sein. Nun hatte das BAG erstmals zu entscheiden, ob christliche Arbeitgeber die Weisung erteilen können, das Tragen von Symbolen einer anderen Religion zu unterlassen.
Krankenschwester will Kopftuch bei der Arbeit tragen…
Eine Krankenschwester, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit 1996 bei einer Krankenanstalt in Trägerschaft der Evangelischen Kirche beschäftigt. Arbeitsvertraglich sind diverse arbeitsrechtliche Bestimmungen aus dem Bereich der Evangelischen Kirche in Bezug genommen. Zudem existiert eine Dienstvereinbarung, die das Tragen von Kopftüchern verbietet. Die Krankenschwester teilte im Jahr 2010 der Anstalt mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch nun auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Diese lehnte ab und zahlte keine Arbeitsvergütung mehr. Hierüber wurde daraufhin vor Gericht gestritten, wobei sich Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht uneins waren.
Die Anstalt berief sich auf Loyalitätspflichten, die Arbeitnehmer kirchlicher Institutionen einzuhalten hätten. Diese dürften sich nicht offen zu einem anderen Glauben bekennen. Die Krankenschwester dagegen argumentierte im Wesentlichen mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem Recht auf freie Religionsausübung aus Art. 4 des Grundgesetzes. Das Weisungsrecht der Klinik müsse hinter diesen Rechten zurückstehen. Im Übrigen hätte sie auch Alternativen zum Kopftuch, darunter sogar die Haube einer Nonne, angeboten.
…darf es aber laut BAG nicht
Das BAG gibt der Krankenanstalt im Grundsatz recht. In der entsprechenden Pressemitteilung heißt es deutlich: „Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar“ (PM des BAG Nr. 48/11 zum Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12). Die Sache wurde dennoch zurückverwiesen, da nicht geklärt war, ob die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer avisierten Rückkehr überhaupt arbeitsfähig war und es sich bei dem Krankenhaus tatsächlich um eine kirchliche Einrichtung handelt. Interessant dürfte im Hinblick auf die Entscheidungsgründe des BAG vor allem sein, ob die rechtliche Beurteilung eine andere wäre, wenn die Klägerin weniger Kontakt mit Außenstehenden gehabt hätte. Eine Sprecherin des BAG hatte sich dahingehend geäußert und als Beispiel die Labortätigkeit für einen Tätigkeitsbereich mit geringem Außenkontakt angeführt. Die Abgrenzung im Einzelfall könnte hier durchaus praktische Probleme bereiten.
Hohe Praxisrelevanz
Die Entscheidung dürfte erhebliche Auswirkungen haben, da sie alle nichtchristlichen Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen betrifft. Laut Kirchenstatistik sind die christlichen Kirchen zusammen mit mehr als einer Million Arbeitnehmern nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber Deutschlands. Konfessionelle Arbeitgeber werden sich in Kleidungsfragen vermehrt auf das Urteil des BAG berufen, wohingegen privaten Arbeitgebern eine entsprechende Argumentation mangels einer durch sie vermittelten Weltanschauung verwehrt bleiben dürfte. Für den öffentlichen Dienst ist noch in diesem Jahr mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen – eine Lehrerin und eine Sozialpädagogin aus Nordrhein-Westfalen haben Verfassungsbeschwerde gegen Kopftuchverbote eingelegt.
Für Arbeitnehmer heißt es künftig: Nicht nur die Kleidung für das Bewerbungsgespräch sollte überdacht werden – es gilt, sich auch die Besonderheiten und eventuellen Einschränkungen einer Tätigkeit für einen konfessionellen Arbeitgeber klar zu machen.