Ein Arbeitsverhältnis steht für ein besonderes Vertrauensverhältnis – zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Für geleistete Arbeit gibt es eine Entlohnung. Und jetzt droht ein pauschalierter Schadenersatz für eine verspätete Bezahlung? Unterstellt der Gesetzgeber dem Arbeitgeber damit, per se ein säumiger und windiger Geschäftemacher zu sein? Das könnte vermutet werden mit Blick auf eine unscheinbar wirkende gesetzliche Neuregelung, die zum 1. Juli 2016 in Kraft getreten ist. Und die ersten Arbeitsgerichte beschäftigen sich auch schon mit dem Thema. Muss da ein Gesetzgeber nicht gleich tätig werden?
Worum geht es genau?
Auf leisen Sohlen wurde zum 1. Juli 2016 eine kleine, aber feine Regelung wirksam, die unscheinbar aussieht, aber im Einzelfall durchaus große Wirkung haben kann. Nach § 288 Abs. 5 BGB wird es – möglicherweise – teuer, wenn die Entgeltabrechnung verzögert beim Mitarbeiter auf dem Konto eintrifft. Millionen an Abrechnungen laufen pünktlich und präzise – aber es kann auch mal was daneben gehen. Das passiert auch den besten Adressen, dass die Zahlungsläufe des Unternehmens, die Zahlung- und Verteilkreise der Banken irgendeine Unwucht haben und der Zahlungslauf der Entgeltabrechnung einen Tag verspätet auf dem Konto des Mitarbeiters gutgeschrieben wird. So schreibt etwa der Manteltarifvertrag der Metallindustrie Baden-Württemberg in § 11.2 vor: „Den Beschäftigten muss das Monatsentgelt spätestens am letzten Arbeitstag des Kalendermonats zur Verfügung stehen“. Erst die Arbeit dann das Geld. Synallagma, Austauschverhältnis nennen das die Juristen.
Der Arbeitgeber im Verzug und die Folgen: 40 Euro pauschaler Schadensersatz
Wenn jedoch der Arbeitgeber diese fällige Forderung nicht oder nicht vollständig, also nicht pünktlich erfüllt, dann gerät er in aller Regel in den sogenannten Schuldnerverzug. Das regelt § 288 Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Seit dem 1. Juli 2016 gilt nun dieser Paragraf auch für Schuldverhältnisse, also Arbeitsverträge, die vor dem 28. Juli 2014 begründet worden sind. So steht es in § 34 des Einführungsgesetzes zum BGB. Dieser so neu geregelte Schuldnerverzug führt zu einem pauschalen Schadensersatz von 40 Euro. Bislang schon konnten durch solche Sachverhalte entstandene Schäden (z.B. Rücklastgebühr, Verzugszinsen bei Darlehen) geltend gemacht werden. Das war mühsam und eher abschreckend. Jetzt steht jedem Arbeitnehmer eine Pauschale von 40 Euro zu. Das kann sich gerade in größeren Betrieben summieren.
Voraussetzungen des Verzugs
Dazu sind aber ein paar Voraussetzungen notwendig:
- Es muss sich um eine Entgeltforderung handeln, also nicht um Reisekostenersatz oder andere Zahlungen.
- Es muss ein Verzug des Arbeitgebers als Schuldner vorliegen. Das ist bei kalendermäßig bestimmten Forderungen einfach. Ansonsten gilt § 614 Satz 2 BGB. Es bedarf bei kalendermäßig bestimmten Fälligkeiten keiner Mahnung, der Verzug tritt die logische Sekunde später ein.
- Diese Forderung kann auch nicht durch Vereinbarung (etwa im Arbeitsvertrag) ausgeschlossen werden. Aber sie muss geltend gemacht werden, der Arbeitgeber muss also nicht „automatisch“ bei einem Verzug zahlen.
Wie das Thema in der Praxis ankommt
Gewerkschaften und Betriebsräte werden hier jedoch schnell einen Weg finden, um „Massenforderungen“ zu mobilisieren – wenn es denn sein muss. Der Verzug tritt nicht ein, wenn der Arbeitgeber den Verzug nicht zu vertreten hat. Jedoch: Zahlungsschwierigkeiten reichen nicht aus und Fehler in den Abläufen riechen nach Organisationsverschulden. Verpflichtet bleibt der Arbeitgeber, auch wenn er sich Banken bedient und deren Geldflüsse und Datenströme nicht beeinflussen kann. Hier hilft nur, das Entstehen der 40-Euro-Forderung in die Verträge mit den Dienstleistern einfließen zu lassen. Es gilt also (weiterhin): Augen auf im Zahlungsverkehr!
Kaum da und schon vor Gericht
Ob das Ganze allerdings eine Flut an Forderungen auslöst, wird sich zeigen. Nach (bisheriger Einzel-) Meinung des Arbeitsgerichtes Düsseldorf (2 Ca 5416/15) findet § 288 Abs. 5 BGB keine Anwendung im Arbeitsverhältnis. Zumindest schließt § 12 ArbGG einen Schadensersatz aus. Die Betriebsrats- bzw. Gewerkschaftsseite informiert über das Bestehen des Anspruchs. Mögliche Konflikte und eventuelle Urteile sind vorprogrammiert. Immerhin hatte der Gesetzgeber die Schadenspauschale eingeführt, weil die Zahlungsmoral unter Vertragspartner nicht die beste ist.
Fazit
Die Aufforderung an den Gesetzgeber, diesen Sachverhalt nach zu justieren, etwa Arbeitsverhältnisse ausdrücklich auszunehmen, ist aus Sicht der Praxis naheliegend. Arbeitgeber sind per se nämlich keine säumigen und windigen Geschäftemacher. Auch wollen Unternehmen Gesetze einhalten. Und: Offensichtlich hat die Rechtsprechung aber schon (wieder) eine „Regelungslücke“ aufgedeckt. Auch das spricht dafür, aktiv zu werden und nicht (wieder) auf die Diskussionen in der Praxis und deren Ergebnisse zu warten.