Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer bei Verzug des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung keinen Anspruch auf die Verzugskostenpauschale in Höhe von 40 Euro nach § 288 Abs. 5 BGB haben (Urteil vom 25.09.2018 – 8 AZR 26/18). Die Erfurter Richter korrigierten damit die bislang ganz überwiegend von den Arbeit- und Landesarbeitsgerichten vertretene Auffassung, dass die zivilrechtliche Verzugskostenpauschale ohne weiteres auch im Arbeitsrecht anwendbar ist.
Der Ausgangsfall
Geklagt hat ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer auf Zahlung rückständiger Besitzstandszulagen für die Monate Mai bis September 2016. Dabei verlangte er außerdem von seinem Arbeitgeber wegen verspäteter Zahlung der Besitzstandszulage drei Pauschalen zu je 40 Euro nach § 288 Abs. 5 BGB. Diese Norm geht auf die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zurück (EU-RL 2011/7/EU). Sie bestimmt, dass ein Gläubiger von einem Schuldner, der kein Verbraucher ist, bei Verzug mit einer Entgeltforderung Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro hat. Diese Pauschale gilt unabhängig von einem tatsächlichen oder nachweisbaren Schaden und kann sogar höher als die Hauptforderung sein. Sie ist ein Ausgleich für angenommenen Aufwand und Ärger des Schuldners und hat letztlich den Charakter eines (pauschalen) Strafschadensersatzes. In zeitlicher Hinsicht würde die Verzugskostenpauschale für alle Arbeitsverhältnisse gelten, in denen nach dem 30.06.2016 Arbeitsleistungen erbracht wurden.
Der Kläger vertrat die Ansicht, § 288 Abs. 5 BGB sei auch im Arbeitsrecht anwendbar. Er sah sich damit auf einer Linie der ganz überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte. Diese hielten die Verzugspauschale auch im Arbeitsrecht für anwendbar (etwa LAG Köln vom 07.12.2017 – 8 Sa 127/17; LAG Baden-Württemberg vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16; LAG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2017 – 15 Sa 51992/16; LAG Niedersachsen vom 20.04.2017 – 5 Sa 1263/16; a.A. LAG Köln vom 04.10.2017 – 5 Sa 229/17).
Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, das in zweiter Instanz über den Ausgangsfall urteilte, hat sich der ganz überwiegenden Meinung der Landesarbeitsgerichte angeschlossen. § 288 Abs. 5 BGB finde angesichts der klaren Regelung ohne weiteres auch im Arbeitsrecht Anwendung. Für eine Bereichsausnahme der Verzugskostenpauschale sei trotz der gesetzlichen Regelung des § 12a ArbGG kein Raum.
Der beklagte Arbeitgeber wandte hingegen vor allem ein, dass § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsrecht gerade wegen der Ausnahmeregelung des § 12a ArbGG ausgeschlossen sei. § 12a ArbGG schließe eben einen Aufwandsersatz für die erstinstanzliche Rechtsverfolgung vor den Arbeitsgerichten einschließlich der Kosten für außergerichtliche Rechtsverfolgung aus.
Die Entscheidung des BAG
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg: Der Achte Senat entschied, der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Pauschalen. Zwar finde § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG schließe allerdings als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Erstattungsanspruch wegen der dem Kläger in erster Instanz entstandenen Kosten aus, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch – somit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB.
Bewertung
Die bereits angesprochene bisherige Tendenz der Instanzrechtsprechung führte dazu, dass sich Arbeitgeber auf einmal Klagen auf Verzugskostenpauschalen bei gänzlich unterbliebener Entgeltzahlung (z.B. nach Ablauf einer Kündigungsfrist im Kündigungsrechtsstreit) ausgesetzt sahen, ebenso bei Fehlern in der Entgeltabrechnung, die unter Umständen zu einer zu geringen Auszahlung geführt haben. Verschärft wurde dies durch Diskussionen, ob die Pauschale bei monatlich zu zahlendem Arbeitsentgelt jeden Monat neu ausgelöst wird.
In der Sache ist die Entscheidung richtig, da sie dogmatisch konsequent ist. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt Kostenerstattungsansprüche in der ersten Instanz aus, selbst dann, wenn die Klage vor dem Arbeitsgericht Erfolg haben sollte. Dies gilt auch für die außergerichtliche Rechtsverfolgung. Diese spezielle Regelung des Arbeitsrechts würde ausgehebelt, wenn nun auf einmal – sogar völlig unabhängig von einem tatsächlich eingetretenen Aufwand oder Schaden – Strafschadensersatz zu zahlen wäre. Bis zur Einführung des § 288 Absatz 5 BGB war der fehlende Aufwandsersatz eherner Grundsatz – und ist es jetzt wieder.
Für die Praxis bedeutet dies eine erhebliche Beruhigung von Entwicklungen der letzten zwei Jahre und vor allem Klarheit: Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf eine Verzugskostenpauschale.