Mit der Entscheidung vom 19.12.2018 hat das Bundesarbeitsgericht eine angesichts des Fachkräftemangels, des demographischen Wandels und der drohenden Altersarmut für viele Unternehmen und Arbeitnehmer wichtige Entscheidung getroffen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass ein ursprünglich nur bis zur Regelaltersgrenze vereinbartes Arbeitsverhältnis über die Regelaltersgrenze hinaus befristet fortgesetzt werden kann.
Der bislang nur als Pressemitteilung bekanntgegebenen Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Fall
Der Kläger war bei dem beklagten Bundesland als Lehrer angestellt. Nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Regelungen sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Kurz vor dem Erreichen der Regelaltersrente vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis noch für ein knappes halbes Jahr bis zum Ende des Schuljahres fortgesetzt werden sollte. Der Kläger wurde sodann von der Schule über sein Regelaltersrentenalter hinaus bis zu dem vereinbarten Zeitpunkt weiter beschäftigt. Er wehrte sich jedoch nachträglich gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung und machte geltend, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Die Befristungsregelung in § 41 Satz 3 SGB VI, nach der eine erleichterte Befristung von Arbeitsverhältnissen bei dem Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen möglich sei, führe zu einer unzulässigen Altersdiskriminierung und einem Rechtsmissbrauch.
Die Entscheidung
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage des Lehrers abgewiesen, das Bundesarbeitsgericht bestätigte in seiner Entscheidung die Wirksamkeit der Befristung. Die Befristung könne auf die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI gestützt werden. Nach dieser Regelung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Fall der ursprünglich vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze dessen Beendigung auf Grundlage einer Vereinbarung hinausschieben. § 41 Satz 2 SGB VI sei mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Europarecht vereinbar. Das Bundesarbeitsgericht verwies auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 28.02.2018 (Rs. C-46/17 – John).
Anforderungen an die Befristungsvereinbarung
Die Befristungsvereinbarung, mit der ein Arbeitnehmer über die Regelaltersgrenze hinaus beschäftigt werden soll, setzt zunächst eine wirksame Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Beschäftigung bis zur Regelaltersgrenze voraus. Vor Erreichen der Regelaltersgrenze muss sodann eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über das Hinausschieben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden. Diese Vereinbarung muss der Schriftform unterliegen (umstritten), d.h. sie muss von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Beginn der Verlängerung beiderseits handschriftlich unterzeichnet sein.
Juristen streiten sich darüber, ob die Parteien in dieser Vereinbarung auch die übrigen Vertragsbedingungen (z. B. Arbeitszeit und Vergütung) neu regeln können. Unter Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze und des Wortlautes von § 41 Satz 3 SGB VI ist einem Unternehmen jedenfalls zu raten, die sonstigen Vertragsbedingungen nicht in der Verlängerungsvereinbarung zu modifizieren.
Die Auswirkungen in der Praxis
In der Praxis häufen sich die Fälle, in denen Arbeitsverhältnisse über die Regelaltersgrenze hinaus fortgesetzt werden sollen. Die Interessen können verschieden sein: Unternehmen leiden oftmals unter einem Fachkräftemangel und stehen daher der Beschäftigung von älteren und qualifizierten Mitarbeitern (inzwischen) positiv gegenüber, Arbeitnehmer möchten aus finanziellen Gründen über einen weiteren Zeitraum einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI ist an dieser Stelle behilflich. Sie erleichtert insbesondere für Unternehmen die weitere Befristung eines Arbeitsverhältnisses, die nach allgemeinen Grundsätzen nicht mehr ohne weiteres möglich wäre.
Vorsicht vor Missbrauch
Auch an dieser Stelle gilt: Ein Missbrauch der Regelung darf nicht erfolgen. Nach dem Bundesarbeitsgericht kann eine an sich zulässige Befristung im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gesamtdauer der Befristungen oder die Anzahl der Einzelbefristungen das zumutbare Maß übersteigen. Auch wenn nach dem Wortlaut von § 41 Satz 3 SGB VI eine mehrfache Vereinbarung möglich ist – Arbeitgeber sollten vorsichtig sein und weder auf Grundlage von § 41 Satz 3 SGB VI das Arbeitsverhältnis zu oft wiederholt befristen und auch nicht über einen zu langen Zeitraum befristen. Verbindliche Grenzen existieren in der Rechtsprechung zu der Regelung des § 41 Satz 3 SGB VI leider noch nicht.